Therapie Diabetes mellitus

Synonyme im weiteren Sinne

Zucker, Zuckerkrankheit, Altersdiabetes, Typ I, Typ II, Schwangerschaftsdiabetes

Wörtliche Übersetzung: „honigsüßer Durchfluss“
Englisch: diabetes

Einleitung

Bei der Behandlung des Diabetes mellitus ist eine enge Einstellung des Blutzuckerspiegels auf einen fast normalen Bereich das vorrangige Therapieziel, da so die Entwicklung und das Fortschreiten diabetischer Spätkomplikationen verhindert bzw. verzögert werden können.

Es ist wichtig, dass der Patient die Krankheit Diabetes in sein Leben einbezieht und sich bewusst ist, dass er selbst für die Kontrolle seines Stoffwechsels verantwortlich ist. Der Patient muss kontinuierlich und selbstständig die Therapiemaßnahmen umsetzen, weil der natürliche Regelkreis außer Funktion geraten ist.

Hierzu gehören Stoffwechselselbstkontrollen, körperliche Aktivität und die Vermeidung von Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht oder Bluthochdruck, um das Risiko für Gefäßveränderungen gering zu halten.

Eine umfassende Therapie, die den Patienten so wenig wie möglich einschränkt, ist vor allem bei jugendlichen Typ-1 - Diabetikern anzustreben.

Therapeutische Maßnahmen beim Diabetes

Allgemeine Maßnahmen, die zur Therapie des Diabetes mellitus gehören, sind folgende:

  • Diäten und Gewichtsnormalisierung,
  • körperliche Aktivität, da diese die Sensibilität der Muskelzellen für Insulin erhöht,
  • Verzicht / Reduktion auf Nikotin und Alkohol.

Weitere Diabetes - spezifische Therapieoptionen sind:

  • Medikamente: orale Antidiabetika oder Insulin
  • Schulung des Patienten
  • Maßnahmen zur Vermeidung von Komplikationen (Prophylaxe) und Therapie derselben.

Alle diese Maßnahmen zielen darauf hin, eine Stoffwechsellage herzustellen, die der des Gesunden gleicht (normoglykämische Stoffwechsellage).

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Allgemeine Maßnahmen

Die Blutzuckerwerte im nüchternen Zustand sollen zwischen 90 und 120 mg/dl liegen, vor und 2 Stunden nach dem Essen soll der Blutzuckerspiegel unter 130 mg/dl betragen und eine Stunde nach der Mahlzeit einen Wert unter 160 mg/dl haben.

Der Urin des Diabetikers soll weder Glukose noch Ketonkörper enthalten.
Die Normalisierung des Körpergewicht und der Blutfettwerte ist von entscheidender Bedeutung für die Vermeidung von Diabetes - Komplikationen.

Der anzustrebende Wert für den Diabetes - Einstellungs - Langzeitparameter HbA1c („Zuckergedächtnis“) liegt unter 6,5% (zur Erklärung des Parameters siehe „Verlauf und Prognose“).

Weitere Risikofaktoren, die neben der Diabeteserkrankung die Gefäßveränderungen begünstigen, sollten ausgeschaltet werden. Konkret bedeutet dies, dass das Rauchen eingestellt und die Blutdruckwerte des Patienten auf tiefnormale Werte (unter 130/80 mmHg) gesenkt werden sollten.
Medizinische Studien belegen, dass die Senkung des vorderen, systolischen Blutdruckwertes um 10 mmHg eine Verminderung diabetischer Komplikationen um 12% bewirkt.

Neben all diesen vorbeugenden Maßnahmen ist es wichtig, dass der Patient sich zu regelmäßigen Untersuchungen beim Arzt (Internist / Hausarzt) vorstellt. Hierbei können eventuelle Spätkomplikationen der Zuckererkrankung festgestellt werden und der Arzt hat die Möglichkeit, sogleich eine angemessene Therapie einzuleiten.

Eine umfangreiche Diabetes - Schulung sollte erfolgen, sobald die Diagnose „Diabetes“ gestellt ist, denn nur so weiß der Patient mit der Erkrankung umzugehen und kann die Therapie aktiv durchführen. Im Rahmen dieser Schulungen wird dem Patienten das Krankheitsbild erklärt und er erhält wichtige Informationen zur Behandlung. Die richtige Ernährung, der Umgang mit den Medikamenten und die Bestimmung des Blutzuckerspiegels sind Schulungsinhalte, außerdem werden das Verhalten beim Notfall „Unterzuckerung“ besprochen und Maßnahmen zur Vermeidung von Folgeschäden des Diabetes aufgezeigt. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten hierfür!

Zielwerte für Cholesterin

Die Einstellung der Blutfettwerte sollte folgenden Werten entsprechen

  • Gesamt-Cholesterin < 180 mg/dl (< 4,7 mmol/l)
  • LDL-Cholesterin unter 100 mg/dl ( unter 2,6 mmol/l)
  • HDL-Cholesterin über 35 mg/dl (über 0,91 mmol/l)
  • Triglyzeride (Fette) unter 150 mg/dl (unter 1,7 mmol/l)

Spezifische Therapie des Diabetes Typ-1

Die Behandlung des Typ-1-Diabetikers basiert auf Insulininjektionen unter die Haut (subcutane Injektion) mit Hilfe sogenannter „Pens“, da Insulin wegen seiner Instabilität gegenüber der Säure im Magen nicht als Tablette eingenommen werden kann.

Des Weiteren sind eine Diät, körperliche Aktivität und eine intensive Patientenschulung Teil der Therapie.

Die Nahrungs- und Insulinzufuhr der Patienten müssen optimal aufeinander abgestimmt werden, damit dauerhaft ein normal hoher Blutglucosewert erreicht wird. Man unterscheidet hierbei zwischen der konventionellen und der intensivierten konventionellen Insulintherapie sowie der Insulinpumpentherapie, die eine Form der intensivierten Insulintherapie darstellt.

Der Patient muss bei der konventionellen Therapie mit Intermediär- oder Mischinsulin seine Mahlzeiten an ein strikt vorgegebenes Insulintherapieschema anpassen:
Er verabreicht sich 2 mal täglich Insulin und zwar 2/3 bis ¾ der nötigen Tagesdosis vor dem Frühstück und den Rest vor dem Abendessen, wobei jeweils ein Spritz-Ess-Abstand von 30 Minuten eingehalten werden sollte. Dies bedeutet, dass das Insulin gespritzt wird und erst 30 Minuten danach gegessen werden sollte. Dieses Verfahren führt zu einer optimalen Insulinwirkung.

Das starre Mahlzeitenschema muss eingehalten werden, da der Patient eine bestimmte Insulindosis spritzt und diese durch die Mahlzeiten „abfängt“.
Der Patient muss also essen, weil er Insulin gespritzt hat. Isst er zu wenig, ist seine Insulindosis zu hoch und er kommt in einen Zustand der Unterzuckerung; ist es hingegen zu viel, ist seine Insulindosis zu niedrig und im Blut verbleibt zu viel Glucose.

Die Therapie der Unterzuckerung (Hypoglykämie) besteht in der Verabreichung von Traubenzucker und im Unterzuckerungs-Schock (hypoglykämischer Schock) muss 1 mg Glukagon in den Oberarmmuskel (intramuskuläre Injektion) oder unter die Haut (subcutan) injiziert werden. Wegen des möglichen Eintritts eines solchen Notfalls, sollten die Angehörigen bzw. das Umfeld des Patienten über die Krankheit aufgeklärt und mit der Notfallbehandlung vertraut gemacht werden.

Die intensivierte konventionelle Insulintherapie des Typ-1-Diabetikers beruht auf dem Basis-Bolus-Prinzip. Die Insulinmenge, die der Patient im Laufe des Tages benötigt, teilt sich in eine Grundmenge (Basis-Bolus-Prinzip) an Insulin und zusätzliche, mahlzeitenabhängige Gaben von Insulin (Basis-Bolus-Prinzip) auf. Zweimal täglich wird ein Intermediärinsulin zur grundlegenden Insulinversorgung gegeben, welches 40- 50% der gesamten Insulintagesdosis abdeckt. Die weiteren 50 - 60% verteilen sich auf die mahlzeitenbezogenen Bolusgaben, die aus Normalinsulin oder einem kurzwirkenden Insulinanalogon bestehen. Die Höhe der einzelnen Gaben vor den Mahlzeiten richtet sich nach der Größe der folgenden Mahlzeit, der Tageszeit (die Insulinempfindlichkeit des Körpers ist tageszeitabhängig verschieden), der noch bevorstehenden körperlichen Aktivitäten und dem vor dem Essen gemessenen Blutzuckerwert (präprandialer Blutzuckerspiegel).
Da bei dieser Therapieform all diese Komponenten beachtet werden müssen, sind eine gute Schulung und ein hohes Verantwortungsbewusstsein von Seiten des Patienten erforderlich. Im Gegensatz zur konventionellen Therapie muss kein Spritz - Ess - Abstand eingehalten werden, da die Wirkung bei Normalinsulin- oder kurzwirkenden Analoga sofort eintritt.

Die Insulinpumpentherapie erfolgt mittels externer Pumpe, d.h. das Gerät, das Normalinsulin unter die Haut abgibt, befindet sich außerhalb des Körpers. Das Pumpgerät ist zigarettenschachtelgroß und kann z.B. am Gürtel befestigt getragen werden. Die Basalrate, die vom Gerät abgegeben wird, ist programmierbar und wird dem Patienten automatisch zugeführt. Die Bolusgaben zu den einzelnen Mahlzeiten werden vom Patienten selbst abgerufen und zwar abhängig von der gewünschten Nahrungsmenge und dem zuvor gemessenen Blutzuckerwert.

Die Indikation zur Wahl dieser Therapieform sind Schwangerschaft und drohende Spätkomplikationen des Diabetes. Lesen Sie auch: Schwangerschaftsdiabetes
Mögliche Komplikationen sind:

  • lokale Infektionen
  • Entgleisung des Stoffwechsels bei blockiertem Insulinfluss und
  • Unterzuckerung bei nicht ausreichender Blutzuckerselbstkontrolle.

Voraussetzung für die beiden intensivierten Formen der Insulintherapie ist, dass der Patient kooperativ ist und sich in der Lage befindet, selbst therapeutisch zu entscheiden. Außerdem muss er gut geschult und in die Funktion des Gerätes eingewiesen sein sowie täglich mindestens 4 Blutzuckerselbstkontrollen durchführen. Die Betreuung der Patienten sollte in den Händen eines Diabetes - erfahrenen Arztes (in der Regel ein Facharzt für Innere Medizin) liegen. Vorteile sind, dass eine optimale Stoffwechselführung erreicht werden kann und dass eine individuelle zeitliche Gestaltung der Nahrungsaufnahme möglich ist, was gerade jungen Menschen mehr Freiheit bietet.

Spezifische Therapie des Diabetes Typ-2

Der Typ-2 - Diabetiker sollte eine phasengerechte, in Stufen aufgebaute Therapie erhalten.

Als erste Stufe und wichtigste Therapiemaßnahme ist die Gewichtsnormalisierung zu nennen, die durch eine Diabetesdiät und regelmäßige körperliche Aktivität (Ausdauertraining) erreicht und erhalten werden soll.

Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Therapieansätze der medikamentösen Therapie des Diabetes mellitus.

  1. Zum einen versucht man mit Medikamenten, die man Einnehmen muss die Restfunktion der Bauchspeicheldrüse so gut es geht zu unterstützen, das die noch produzierte Insulinmenge für den täglichen Bedarf ausreicht.
  2. Zum anderen kann man - wenn die Bauchspeicheldrüse nicht mehr in der Lage ist ausreichend Insulin zu produzieren, das Insulin von außen in verschieden Formen über Spritzen hinzuführen.

Die zweite Stufe umfasst den Beginn einer medikamentösen Therapie, wenn die Erkrankung nicht durch Gewichtsreduktion aufgehalten werden kann. Übergewichtige Patienten erhalten Metformin (z.B. Glukophage® Wirkweise: verzögerte Glucoseaufname aus dem Darm und Appetitsenkung), normalgewichtige Patienten Sulfonylharnstoffe (z.B. Euglucon N® Wirkweise: Stimulation der Insulinausschüttung aus der Bauchspeicheldrüse) als orale Antidiabetika.

Ist die Diabeteseinstellung mit dem Einzelpräparat nicht zufrieden stellend, wird in der dritten Therapiestufe ein zweites Medikament zugefügt, meistens Acarbose (z.B. Glucobay® Wirkweise: Glucosespaltung im Darm wird verzögert) oder Glitazone (Wirkweise: Empfindlichkeitssteigerung der Zellen gegenüber Insulin).

Bei einem Versagen der Therapie mit den genannten Medikamenten wird eine konventionelle oder intensivierte Insulintherapie, d.h. das Spritzen von Insulin, notwendig.

Weitere Informationen finden Sie unter

Komplikationen

Mögliche Komplikationen einer Insulintherapie sind Unterzuckerungen (Hypoglykämien) bei Insulinüberdosierung oder bei vermehrter körperlicher Aktivität. Mögliche Anzeichen für einen hypoglykämischen Zustand sind:

Da ab einem Blutzuckerwert von unter 40 mg / dl die Versorgung des Gehirns mit Glucose nicht mehr ausreichend gewährleistet ist, kommt es bei solch niedrigen Blutzuckerspiegeln zu einem hypoglykämischen Schock.

Bemerkt der Diabetiker die Anzeichen einer Unterzuckerung, sollte er seinen Blutzucker kontrollieren und gegebenenfalls Traubenzucker oder Obstsäfte zu sich nehmen.

Als weitere mögliche Komplikation ist zu nennen, dass sich an den Injektionsstellen Fettzellen unter der Haut ansammeln und eine Verhärtung bewirken können (Lipodystrophie).

Eine Insulinresistenz, d.h. ein Mehrbedarf an Insulin wegen unzureichender Wirkung an den Zielorganen, kann auftreten. Sie ist meistens durch Übergewicht begründet.

Diabetische Sekundärerkrankungen, d.h. Erkrankungen, die Folge einer Diabetes sind, werden durch die chronisch erhöhten Blutzuckerwerte bedingt und verursachen Veränderungen der Gefäße. Sogenannte mikroangiopathische Veränderungen, bei denen die kleinen Gefäße des Körpers betroffen sind, kommen häufig an der Niere, der Netzhaut und im Nervensystem vor.
Darüber hinaus können größere Gefäße im Rahmen der Makroangiopathie betroffen sein, wie z.B. die Herzkranzgefäße oder die Arterien der Beine, mit der Gefahr von Herzinfarkt und Durchblutungsstörung.

Langfristige Komplikationen

Häufige Begleit- und Folgekrankheiten bei Typ - 2 - Diabetiker

  • 75,2% Bluthochdruck
  • 11,9% Schäden an der Netzhaut (Retinopathie)
  • 10,6% Schäden an den Nerven (Neuropathie)
  • 9,1% Herzinfarkt
  • 7,4% Durchblutungsstörung (periphere Arterielle Verschlusskrankheit (pAVK))
  • 4,7% Apoplex (Schlaganfall)
  • 3,3% Nephropathie (Niereninsuffizienz)
  • 1,7% diabetischer Fuß
  • 0,8% Amputation von Gliedmaßen
  • 0,3% Erblindung

Weitere Informationen hierzu:

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 21.05.2007 - Letzte Änderung: 19.07.2023