Bernhardt-Roth-Syndrom

Definition

Das Bernhardt-Roth-Syndrom, auch als Meralgia paraesthetica bezeichnet (griechisch: mêros = Schenkel, algos = Schmerz, paraesthetica = unangenehme, teils schmerzhafte körperliche Empfindung), ist ein Nervenengpasssyndrom des Nervus cutaneus femoris lateralis. Dieser Nerv verläuft durch das Leistenband hindurch und leitet Berührungsempfindungen der Außenseite des Oberschenkels an das Rückenmark weiter. Durch Einengung des Nervs wird seine Leitbahn gestört, was zu Missempfindungen und Schmerzen in dem vom Nerven versorgten Gebiet führt. Zu den Nervenengpasssyndromen zählt zum Beispiel auch das häufiger bekannte Karpaltunnelsyndrom.

Symptome

Das Bernhardt-Roth-Syndrom äußert sich durch Missempfindungen bis hin zu brennenden, kribbelnden, nadelstichartigen Schmerzen am vorderen und seitlichen Oberschenkel. Da es sich um die Schädigung eines rein sensiblen Nervens handelt, sind ausschließlich Gefühlsempfindungen, z.B. von der Haut, betroffen. Muskelbewegungen sind nicht beeinträchtigt.

Diese Nervenschädigung kann auch im Verlauf der Krankheit zu einer generell gesteigerten Empfindlichkeit (Hyperaesthesie) führen, durch die sogar das Tragen von Kleidung oder leichte Berührungen unerträglich werden.
Desweitern kann auch eine verminderte Empfindlichkeit (Hypaesthesie) – der Bereich des Beines fühlt sich taub oder pelzig an - daraus entstehen. Kennzeichnend ist, dass sich die Symptomatik bei Hüftgelenksbeugung (beispielsweise im Sitzen) lindert. Bei einer sehr starken Beeinträchtigung sind vegetative Störungen, wie zum Beispiel Haarausfall oder Hautveränderungen, möglich. Das vegetative (autonome) Nervensystem steuert die unbewussten körperlichen Vorgänge, die nicht willentlich beeinflusst werden. 10 bis 20 Prozent der Patienten sind beidseitig und Männer sind bis zu drei Mal häufiger vom Berhardt-Roth-Syndrom betroffen als Frauen.

Ursachen

Das Bernhardt-Roth-Syndrom wird vor allem durch Druck auf den Nervus cutaneus femoris lateralis im Bereich des Leistenbandes hervorgerufen. Hier ist der Nerv besonders gefährdet, da der Verlauf von einer zunächst waagrechten in eine senkrechte Richtung verläuft und somit ein Knick entsteht.

Eine weitere Möglichkeit sind Zugkräfte, die auf den Nerv einwirken. Auch eine Komplikation durch operative Verfahren wie zum Beispiel bei einer Punktion des Beckenkamms zur Entnahme von Knochenmark und selten nach komplizierten Bauchoperationen oder Hüftgelenksoperationen ist als Ursache der Bernhardt-Roth-Syndroms zu bedenken.

Desweiteren können allgemein Infektionen (z.B. Syphilis) oder Alkoholismus und andere Nervengifte zu Nervenschädigungen führen. Ein erhöhter Druck auf den Nerven kann durch enge Kleidung (Jeans, Gürtel), durch Übergewicht (Adipositas), Schwangerschaft, forciertes Krafttraining im Bereich des Oberschenkels, der Hüfte und des Bauches oder auch langer stehender Tätigkeit mit sehr gestrecktem Hüftgelenk entstehen. Doch auch eine schnelle Gewichtsabnahme kann zu den genannten Beschwerden führen, da hier das umgebende Bindegewebe und Fett schwindet und dies somit zu Irritationen führen kann.

Diagnose

Grundlage der Diagnose eines Bernhardt-Roth-Syndroms ist eine umfassende medizinische Befragung (Anamnese), körperliche und neurologische Untersuchung. Hier fällt vor allem die verminderte Empfindung im Bereich der seitlichen Oberschenkelaußenseite. Bei Überstreckung des Hüftgelenks bei gestrecktem Bein werden Schmerzen im Versorgungsgebiet des eingeklemmten Nerven provoziert. Außerdem ist die Stelle an der der Nerv unter dem Leistenband hindurch läuft vermehrt druckschmerzhaft. Dieser Ort befindet sich etwa zwei Querfinger medial (d.h. zur Körpermitte hin) des oberen Beckenkammvorsprungs.

Durch ein MRT (Magnetresonanztomographie) können veränderte anatomische Lagebedingungen oder tumoröse Raumforderungen beurteilt werden. Durch das Einspritzen eines örtlichen Betäubungsmittels (Lokalanaesthetikum) am Leistenband und eine darauffolgende Besserung der Beschwerden kann den Verdacht auf ein Bernhardt-Roth-Syndrom erhärten.
Ein Verdacht auf Wurzelkompressionssyndrom, d.h. eine mechanische Reizung eines Nervs im Bereich der Wirbelsäule, dort wo die Nerven aus dem Rückenmark austreten, sollte in der Diagnostik ausgeschlossen werden. Im Unterschied zum Bernhardt-Roth-Syndrom sind hierbei oft Muskellähmungen, Reflexabschwächung bestimmter Kennmuskeln des Beines (z.B. der Patellasehnenreflex – Reflex des vorderen großen Oberschenkelmuskels) und Missempfindungen an weiteren Hautgebieten des Ober- und Unterschenkels auffällig.

Therapie

Zunächst sollte eine Aufklärung des Patienten über die Harmlosigkeit seiner Beschwerden erfolgen. Da die Hauptauslöser des Bernhardt-Roth-Syndroms Übergewicht oder zu enge Kleidung sind, sollte zunächst das Gewicht durch Ernährungsumstellung und vermehrtem Ausdauersport normalisiert werden. Denn die Hauptursache von Übergewicht sind falsche Ernährung und zu wenig körperliche Betätigung. Sinnvoll ist hier unter anderem der Verzicht auf täglichen Fleischkonsum. Zudem sollte Fett in möglichst geringen Mengen zu sich genommen werden und stattdessen ein erhöhter Anteil von Gemüse und Obst zu sich genommen werden. Eine umfassende Ernährungsberatung sollte jedoch in Anspruch genommen werden.

Darüber hinaus sollte auf lockere Kleidung (vor allem im Bereich des Leistenbandes und des Oberschenkels) geachtet werden. Ein Vermeiden von langem Stehen in gestreckter Haltung ist schon förderlich. Gewöhnliche Schmerzmittel wie Ibuprofen führen oft zu einer Linderung der Beschwerden. Bessern sich die Schmerzen dadurch nicht, kann eine spezielle Schmerztherapie mit einem Cortisonpräparat oder eine Nervenblockade mit einem lokalen Betäubungsmittel erfolgen.

OP

Ist die Symptomatik sehr schwer und dauerhaft anhaltend kann eine Neurolyse (OP des Nerven) durchgeführt werden.
Lesen Sie hierzu unser Thema: OP eine Meralgia paraesthetica

Prognose

Die Prognose des Bernhardt-Roth-Syndroms ist vergleichsweise gut, da es durch die Behandlung bei neun von zehn Patienten zu einer Linderung der Symptomatik kommt. Die Ursachen lassen sich in der Regel leicht beheben (beispielsweise zu eng sitzende Kleidung). Auch kommt es zu einer spontanen Rückbildung der Missempfindungen bei jedem Viertem Patienten, sodass die Beschwerden von selbst verschwinden.

Weiterführende Informationen

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 04.12.2015 - Letzte Änderung: 13.04.2024