Hochbegabung beim Erwachsenen

Definition

Von Hochbegabung wird gesprochen, wenn die intellektuelle Auffassungsgabe eines Menschen, seine Kombinationsfähigkeit und Merkfähigkeit so groß sind, dass sie dem Durchschnitt der Menschen überlegen sind. Hochbegabungen im Erwachsenenalter treten bei etwa 2-3% auf, wobei man sagen muss, dass über 80% der im Erwachsenenalter diagnostizierten Hochbegabungen bereits in der Jugend oder als Kind festgestellt wurden.

Meistens fallen Kinder in der Schule auf indem sie dem Unterricht nur desinteressiert folgen, aber trotzdem herausragende Noten schreiben. In einigen Fällen kann sich eine Hochbegabung aber auch so äußern, dass Kinder im schulischen Unterricht unterfordert sind, gedanklich abschweifen und dann auch schlechte Noten schreiben. In diesem Fall ist eine Hochbegabung äußerst schwierig zu diagnostizieren und wird meistens übersehen. Hochbegabung ist keine Krankheit, es ist eine Fähigkeit, die es intensiv zu fördern gilt.

Hochbegabung testen

Die Testung ob eine Hochbegabung vorliegt kann schon ab dem 3. Lebensjahr durchgeführt werden. Hochbegabung wird oftmals mit dem Begriff "Intelligenzquotient" verbunden und tatsächlich scheint ein Zusammenhang von der Hochbegabung im herkömmlichen Sinne mit dem durch psychologischer Testung ermitteltem IQ zu bestehen.

Es darf aber in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden, dass Hochbegabung weitaus mehr ist als Geschichtsdaten zu kennen und allgemeinbildende Informationen parat zu haben. Hochbegabung bedeutet auch Probleme frühzeitig zu erkennen und einzuschätzen, Zusammenhänge herzustellen und soziale Kompetenzen aufzubauen. Diese Komponenten fließen nicht in den klassischen IQ Test ein. Es gibt einen Hinweis, dass eine gewisse Hochbegabung auch vererbt werden kann. So konnte herausgefunden werden, dass Hochbegabung wesentlich häufiger bei Kindern vorkommt, wenn Verwandte wie Tante oder Onkel bereits diese Gabe hatten. Ob und wie weit sich eine Hochbegabung bei einem Kind dann ausprägt und ausbildet hängt aber dann im wesentlichen von der frühen Erkennung und von der Förderung des Kindes ab.

Von einer Hochbegabung spricht man, wenn bei einer psychologischen Testung ein Intelligenzquotient von mindestes 130 herauskommt. Das sind in Deutschland etwa 400.000 Kinder und 1,8 Mio Erwachsene, die damit als hochbegabt eingestuft werden. 10% aller Menschen werden als überdurchschnittlich intelligent bezeichnet. Sie erreichen in den Testungen ein IQ Ergebnis von 120. Bei der Hochbegabung von Erwachsenen unterscheidet man noch verschiedene Bereiche. So können z.B, mathematische Fähigkeiten stärker ausgeprägt sein als sprachliche. Die Tatsache, dass jemand hochbegabt ist, bedeutet nicht, dass er in allen Bereichen herausragende Leistungen erzielen würde.

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Testarten

Zur Diagnose einer Hochbegabung haben sich heute einige Tests durchgesetzt, die je nach Alter in ihrem Aufbau variieren. Im Vergleich zu durchschnittlichen Intelligenztests ist die Schwierigkeitsstufe bei Hochbegabtentests so gewählt, dass durch eine optimale Ausschöpfung der Testbreite relativ sicher eine Hochbegabung herausgefunden werden kann.

Drei Tests haben sich zur Hochbegabtentestung bis jetzt durchgesetzt und werden als Spezialdiagnostikum heute eingesetzt:

  1. MHBT-P Test für die Grundschule
  2. MHBT-S für die Sekundarstufe
  3. BIS HB Test

Diese aus verschiedenen Abschnitten bestehende Tests, umfassen die Punkte Merkfähigkeit, Einfallsreichtum und Leistungsgeschwindigkeit sowie Umgang mit numerisch und verbalen Materialien. Insgesamt besteht der Test aus 45 verschiedenen Aufgabengruppen. Den Test kann man als Kurzform oder auch als Langform bearbeiten, wobei die längere Ausgabe eine höhere Testgenauigkeit hat. Der Test sollte gemeinsam mit einem Psychologen durchgeführt werden. Der BIS HB wurde aus einer stichprobenartigen Befunderhebung von 500 hochbegabten Menschen hergestellt und ist aus diesem Grund für die Ermittlung einer Hochbegabung bestens geeignet.

Symptome einer Hochbegabung

Schon früh -meistens im Schulalter- gibt es Merkmale, die auf eine Hochbegabung hindeuten können. Wichtig ist zu beachten, dass aber nicht alle hochbegabten Menschen diese „Symptome“ aufweisen.

Zu nennen wäre:

  • Exploration: Der Betroffene ist besonders aufmerksam und hat die Lust möglichst viele neue Sachen zu entdecken. Das Bedürfnis vor allem visuell die Umwelt zu entdecken und schnell Sprachen zu erlernen ist ausgeprägt
  • Die typische „Babysprache“ als Werkzeug zum Erlernen der richtigen Sprache wird meistens nur ganz kurz durchlebt
  • Interesse an Symbolen oder Zahlen. Betroffene Kinder bringen sich oft selbst das Lesen bei bevor sie in den Kindergarten kommen.
  • Entwicklung von Interessen, die nicht altersgerecht sind, z.B. das Lesen der Börsendaten oder Auswendiglernen von geschichtlichen Daten
  • stark ausgebildeter Perfektionismus
  • Fähigkeit sich schnell Dinge zu merken
  • hohe Empfindlichkeit gegen Lärm oder andere Geräuschpegel
  • starker Eigensinn und manchmal auch Probleme mit Autoritätspersonen
  • geringes Schlafbedürfnis

Im Erwachsenenalter sind diese Merkmale häufig verwässert und nicht mehr so deutlich. Bei Erwachsenen, bei denen eine Hochbegabung noch nicht festgestellt wurde, fällt aber oftmals auf, dass sich diese Personen schlecht in das soziale Umfeld integrieren können, dass sie wenige Freunde haben und dass sie mit alltäglichen Dingen des Lebens (z.B. der Organisation des Haushaltes etc) große Probleme haben. Auch die Spezialinteressen, die hochbegabte Erwachsene haben, sind oftmals ein Anhaltspunkt für diese Fähigkeiten.

Ein Großteil der hochbegabten Erwachsenen ist ungetestet, das heißt die Betroffenen wissen meistens selbst, dass ihnen Lernen einfacher fällt als anderen, als hochbegabt sehen sich diese Menschen selbst allerdings nicht. Weitere Anzeichen, die bei hochbegabten Menschen auftreten können aber nicht müssen sind:

  • beobachtendes Verhalten
  • der Hang zu Farben und optisch schönen Dingen
  • als Kind eher keinen Drang zum Toben gehabt zu haben
  • Rennen oder Sport
  • oftmals zurückgezogene und ruhige Charaktere

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Nicht immer bedeuten diese Symptome, dass eine Hochbegabung bei Erwachsenen vorliegt:

Von der Hochbegabung ist der Autismus stark abzugrenzen. Zwar wird in den Medien und Filmen oft ein Zusammenhang zwischen beiden Begriffen gesehen, allerdings muss beachtet werden, dass es sich bei Autismus um ein psychiatrisches Krankheitsbild handelt, deren Betroffenen nicht immer über eine Hochbegabung verfügen. Führend ist bei diesem Krankheitsbild die Unfähigkeit sich im sozialen Leben durchzusetzen. So können Dinge wie das Schuhe binden oder das Anziehen einem autistischen Menschen besonders schwer fallen.

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Von den Autisten ist die sogenannte Inselbegabung abzugrenzen. Darunter versteht man, dass die Fähigkeit bestimmter Teilbereiche besonders gut ausgeprägt ist, andere wiederum nicht. Eine Inselbegabung wäre beispielsweise über eine Stadt wie Rom mit einem Hubschrauber zu fliegen und danach den Stadtpaln aus dem Kopf aufzuzeichnen. Der Hintergrund, warum es zu dieser Inselbegabung kommt ist der, dass bei diesen Menschen ein Mangel an hemmenden Arealen des zentralen Nervensystems vorhanden ist beziehungsweise diese anders verteilt sind. So würde ein Nicht-Inselbegabter über die Stadt Rom fliegen, wäre aber nicht in der Lage die Straßenzüge so aufzunehmen, um danach eine Karte anfertigen zu können. Das liegt daran, dass er während des Fluges auch Dinge wahrnimmt wie Geräusche und Gerüche, er nimmt Einschätzungen von Gefahr, Flughöhe, Flugdauer etc. vor. Ein Inselbegabter hingegen blendet all diese Dinge aus und konzentriert sich gewollt oder ungewollt nur auf die Straßenzüge der Stadt. Warum die Fähigkeiten von jedem Inselbagabten unterschiedlich sind ist noch nicht geklärt.

Depression bei Hochbegabten

Viele Hochbegabte bemerken ihre Begabung erst, wenn Begleitsymptome auftreten. Ein eher sozialmedizinisches Problem von hochbegabten Menschen ist die ständige und schon in jungen Jahren auftretende Ablehnung.

So werden Kinder, die hochbegabt sind oft von ihren Mitschülern als „anders“ eingestuft und gemieden. Gerade in der Prägungszeit in jungen Jahren kann das schwerwiegende Folgen haben. Bei Kindern würde sich eher eine Schulangst, mit damit verbundenen psychosomatischen Beschwerden, wie Bauchschmerzen, Kopfschmerzen etc einstellen.

Bei Erwachsenen wäre ein begleitendes Krankheitsbild zur Hochbegabung die Depression. In der heutigen Gesellschaft sind zwar Hochbegabte aufgrund der besseren Diagnostik und Testungsmöglichkeiten wesentlich besser integriert als vor 30 Jahren, jedoch werden Hochbegabte immer noch als etwas außergewöhnliches (was sie ja auch sind) und etwas „verrückt“ angesehen. Eine Depression entsteht meistens dann, wenn die Reaktionen des Umfeldes auf einen komplett wahrgenommen und nachempfunden werden können, aber die Gründe weshalb andere Menschen auf einen so reagieren nicht gesehen werden. Hochbegabte sehen ihre Fähigkeit nicht unbedingt als etwas „besonderes“ an, und so denken sie, sie unterscheiden sich nicht von ihrem Umfeld. Die Diskrepanz zwischen Ursache und Wirkung ist also Hauptauslöser von Depressionen bei Hochbegabten.
Eine weitere Möglichkeit wie es zu Depressionen bei Hochbegabten kommen kann ist, wenn die eigene Fähigkeit zwar erkannt und auch gesehen wird, dass man anders ist als andere, aber keinen adäquaten Austausch mit anderen finden kann. Ein Hochbegabter wird sich unter normal begabten Menschen oft einsam und unterfordert fühlen.

Es kommt nicht selten vor, dass Depressionen, die zunächst behandelt werden, als Symptom einer Hochbegabung entstehen. Viele hochbegabte Menschen kommen zum ersten Mal mit dem Begriff Hochbegabung in Kontakt, wenn sie versuchen, die Ursache ihrer Depression herauszufinden. Psychologen führen dann meistens einige Testungen durch und kommen dann auf die Diagnose „Hochbegabung“. Richtig müsste es aber in diesem Fall heißen: „unerfüllte“ Hochbegabung, denn nur die nicht geförderte Hochbegabung hat auch einen psychologisch medizinischen Krankheitswert.

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Probleme mit der Förderung von Hochbegabten

Ist die Diagnose einer Hochbegabung gestellt, muss beachtet werden, dass es sich dabei nicht um eine Erkrankung sondern um eine Fähigkeit handelt. Aus diesem Grund muss nicht in Richtung Heilung oder Behandlung gedacht werden, sondern in Richtung Förderung. Denn die richtige Auslastung der kognitiven Fähigkeiten des Hochbegabten führt letztendlich zu einer gesunden Weiterentwicklung der Fähigkeit und zu einem besseren Gleichgewicht im Leben. Sowohl mentale Erkrankungen wie Depressionen als auch somatische Erkrankungen werden bei hochbegabten Menschen reduziert, wenn ihnen möglichst frühzeitig eine Hochbegabtenförderung zugänglich gemacht wird.

Für Kinder und Jugendliche gibt es einige Schulen, die sich speziell auf die Förderung der überdurchschnittlich hohen Gedächtnisleistungen spezialisiert haben. Eltern, die eine Hochbegabung bei ihren Kindern feststellen, sollten diese auf keinen Fall versuchen auszubremsen, um die Fähigkeiten und Leistungen gleichaltrigen Kindern anzupassen. Wenn das Kind lesen oder rechnen will, dann soll es dies tun. Fragen, auch wenn sie noch so kompliziert sind, sollten beantwortet werden. Das Gehirn sollte so gut es geht ausgelastet sein.
Neben den wenigen Hochbegabtenzentren in Deutschland, in denen hochbegabte Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden können, besteht auch noch die Möglichkeit einer speziellen Förderung in herkömmlichen Schulen. Eines der Hauptprobleme von Hochbegabten ist die schnelle Unterforderung. So macht es Sinn die Geschwindigkeit der Stoffvermittlung zu beschleunigen. Am einfachsten geschieht dies, wenn das Kind nach einer ausreichenden Testung eine Klasse überspringt. Weiterhin kann auch der zu vermittelnde Schulstoff, der gerade in der Klasse durchgenommen wird, für den speziellen Schüler stark vertiefend und intensiv aufbereitet werden.

In der Erwachsenenbildung von Hochbegabten gibt es einige Vereinigungen, die sich mit Hochbegabten beschäftigen. Dabei handelt es sich im klassischen Sinne um ein Art Selbsthilfegruppe. Die Betroffenen sind alle hochbegabt und tauschen sich in regelmäßigen Treffen aus. Weiterhin gibt es Hochbegabten Universitäten, die sich ebenfalls auf die Förderung von hochbegabten Erwachsenen spezialisiert haben. Zahlreiche Stipendien fördern auch Hochbegabte.

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Ein Problem, das eine Förderung von Hochbegabten mit sich bringt, ist unter anderem die Stigmatisierung. So sind Hochbegabte in speziellen Einrichtungen fernab vom Bevölkerungsdurchschnitt. Was auf der einen Seite eine ausreichende Förderung ist, stellt auf der anderen Seite auch die Gefahr einer Entsozialisierung dar. In den USA wird die Hochbegabtenförderung wesentlich intensiver betrieben. Hauptgrund ist der, dass hochbegabten Menschen die Möglichkeit gegeben werden soll durch kognitive Hochleistung eine Karriere in der Forschung oder Wissenschaft zu machen. Unter besten Bedingungen werden schon junge, hochbegabte Menschen in speziellen Schulen und Universitäten gefördert, um sie dann auf eigene Forschungsprojekte anzusetzen. Solche Art der Hochbegabtenförderung ist in Deutschland schon alleine wegen zu hoher Kosten und zu geringer Forschungsbreite eher nicht zu realisieren.

Unerkannte Hochbegabung

Sehr häufig wird sowohl im Kindesalter, als auch im Erwachsenenalter eine Hochbegabung nicht oder sehr spät erkannt. Unerkannte Hochbegabung, die nicht gefördert wird, macht die Betroffenen nicht nur unglücklich sondern führt auch zu einem erhöhten Risiko an Herzkreislauferkrankungen etc. zu erkranken. Ein Zusammenhang zwischen einer unerkannten Hochbegabung und der Ausbildung einer schweren Depression ist mittlerweile auch wissenschaftlich gut erforscht. Man geht davon aus, dass es in Deutschland noch eine große Anzahl von undiagnostizierten Hochbegabungen gibt.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 17.11.2016 - Letzte Änderung: 01.03.2022