Ursachen des ADHS

Synonyme im weiteren Sinne

Hyperaktivität, Aufmerksamkeitsdefizithyperaktivitätssyndrom, ADHS, Aufmerksamkeitsdefizitstörung mit Hyperaktivität, Zappelphilipp - Syndrom, Aufmerksamkeitsdefizit - Hyperaktivitätsstörung. , Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, Psychoorganisches Syndrom (POS), Hyperkinetisches Syndrom (HKS), Verhaltensstörung mit Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörung.

Englisch: Attention-Deficit-Hyperactiv-Disorder (ADHD), minimal brain syndrome, Attention - Deficit - Hyperactivity - Disorder (ADHD), Fidgety Phil.

ADHS, Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, Hans-guck-in-die-Luft, Attention-Deficit-Disorder (ADD)

Definition

Im Gegensatz zum Aufmerksamkeits - Defizit - Syndrom (ADS) umfasst das Aufmerksamkeits - Defizit - Hyperaktivitäts - Syndrom (ADHS) ein unter Umständen sehr stark ausgeprägtes unaufmerksames, impulsives und hyperaktives Verhalten. Dies ist der Grund, weshalb ADHS - Kinder häufig auch als Zappelphilipp bezeichnet oder gelten aus Unwissenheit sehr schnell als unerzogen.
Nach dem derzeitigen Forschungsstand gilt eine fehlerhafte Informationsweiterleitung und -verarbeitung zwischen den beiden Hirnabschnitten (Hirnhälften) als Ursache für die Ausbildung eines ADHS.
Die Gründe für die Ausbildung einer fehlerhaften Informationsweiterleitung können wiederum verschiedene Ursachen haben und schon pränatal, also vorgeburtlich begründet sein.
Aufgrund der unterschiedlichen, teilweise stark beeinträchtigenden Symptome eines Aufmerksamkeitsdefiztisyndroms mit Hyperaktivität, entstehen sehr häufig im privaten und vor allem auch im schulischen Bereich Probleme. Auch bei normaler oder manchmal gar überdurchschnittlicher Intelligenz, lassen sich Wissenslücken und Defizite nur schwer verhindern, sodass das ADHS oftmals gepaart mit anderen Lernproblemen, beispielsweise mit einer Lese- Rechtschreibschwäche oder Rechenschwäche, in Erscheinung tritt.

Prinzipiell sind auch Teilleistungsstörung, beispielsweise im Sinne einer Legasthenie oder Dyskalkulie, nicht auszuschließen. Auch weitere psychische Erkrankungen treten oftmals in Kombination mit dem ADHS in Erscheinung. Als Beispiele seien hier erwähnt: Depressionen, Tics, Tourette - Syndrom, etc.

Ursachen des ADHS

Wie bereits angedeutet, geht man nach derzeitigem wissenschaftlichen Forschungsstand davon aus, dass bei der Reizweiterleitung im Gehirn ein Ungleichgewicht der Botenstoffe Serotonin, Noradrenalin und Dopamin vorliegt.

Diese Botenstoffe, auch Neurotransmitter genannt, beeinflussen die menschlichen Verhaltensweisen in besonderer Weise. Serotonin beeinflusst beispielsweise die Stimmung in besonderer Weise, während sich Dopamin eher auf die körperliche Aktivität auswirkt und Noradrenalin die Fähigkeit zur Aufmerksamkeit beeinflusst. Bei Menschen, die unter einem ADHS leiden, ist dieses Gleichgewicht gestört, sodass die Reizweiterleitung im Gehirn nicht in gewohnter Weise erfolgen kann. Durch dieses Ungleichgewicht werden die typischen ADHS - Verhaltensweisen letztlich ausgelöst.

Die Reizweiterleitung im Gehirn ist sehr komplex. Generell werden im Gehirn eintreffende Reize von Nervenzellen aufgenommen und weitergeleitet. Um zu vermeiden, dass im Gehirn eine Reizüberflutung entsteht, sind die Nervenzellen (hier: rosa und blau) nicht direkt miteinander verbunden sondern verfügen über einen winzigen, minimalen Zwischenraum, den so genannten synaptischen Spalt.

Wenn ein Reiz an Nervenzelle 1 (rosa) eintrifft, leitet diese die Information an die Nervenzelle 2 (blau) weiter, indem sie Botentstoffe in den synapitschen Spalt freisetzt. Diese Botenstoffe versuchen nach ihrer Freisetzung im synaptischen Spalt, an der Nervenzelle 2 eine spezifische Bindestelle (= Rezeptor) zu finden. Ist dies geschehen, binden sie sich am Rezeptor an und leiten dadurch die Information weiter.

Nach der Informationsweiterleitung lösen sie sich wieder von der Bindestelle und wandern zurück in den synaptischen Spalt. Dort werden sie von der ursprünglichen Nervenzelle (Nervenzelle 1) wieder aufgenommen.

Im Falle eines ADHS laufen die oben beschriebenen Reizweiterleitungsprozesse in veränderter Form ab. Durch diese Veränderung entsteht ein Ungleichgewicht der Botenstoffe Serotonin, Dopamin und Noradrenalin im Gehirn. Man geht davon aus, dass im Falle eines ADHS sowohl das Transportergen als auch die Aufnahmestellen der reizaufnehmenden Nervenzelle für Dopamin und / oder Noradrenalin von der Norm abweichen, also anders aufgebaut sind.

Ursachen in der Erziehung

ADHS verursachen kann auch eine schlechte Erziehung nicht ohne andere begünstigende Faktoren. Hat das Kind jedoch eine genetische Disposition, also die erbliche Veranlagung zu ADHS, kann eine unzureichende Erziehung das Auftreten von Symptomen begünstigen.
Das bedeutet nicht, dass die Eltern ihren Nachwuchs schlecht behandelt haben müssen. Kinder mit ADHS haben ganz besondere Anforderungen und brauchen mehr Aufmerksamkeit und Geduld als gesunde Altersgenossen. Zudem fühlen sie sich schneller vernachlässigt und ungeliebt, auch wenn sie ausreichend Zuneigung erfahren. Betroffene Kinder tun sich außerdem deutlich schwerer im Alltag und in der Schule, wenn zuhause klare Strukturen und Regeln fehlen. Konzentrationsprobleme werden somit durch ungeordnete Verhältnisse zuhause begünstigt. Wurden in der Kindheit erste Anzeichen der Aufmerksamkeitsstörung übersehen, erhöht sich desweiteren das Risiko für spätere Begleiterscheinungen, da die Patienten nicht früh genug gefördert wurden. Versäumnisse in der Erziehung sind daher nicht allein verantwortlich für ADHS, können aber Symptome verstärken und zugehörige Probleme begünstigen.

Ursachen in der Schwangerschaft

Verschiedene Untersuchungen berichten von einem Zusammenhang zwischen der Einnahme von Medikamenten oder Risikoverhalten in der Schwangerschaft und dem Auftreten von ADHS-Symptomen beim Kind.

Überdurchschnittlich oft scheinen Kinder mit ADHS während der Schwangerschaft verschiedenen Einflüssen und Giften ausgesetzt gewesen zu sein, wenn die Mutter beispielsweise geraucht oder Alkohol getrunken hat. Auch das beliebte Schmerzmittel Paracetamol wird momentan auf seine möglichen ADHS-fördernden Nachwirkungen geprüft. Einen Beweis für das Auftreten der Erkrankung aufgrund eines Ereignisses in der Schwangerschaft gibt es jedoch nicht.

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Da ADHS eine multifaktorielle Erkrankung ist, also viele verschiedene Ursachen zusammen die Symptome auslösen, reicht eine alleinige Schädigung während der Schwangerschaft als Grund nicht aus. Besteht jedoch eine erbliche Veranlagung, können negative Einflüsse in den Schwangerschaftsmonaten das Risiko für ADHS erhöhen. Eine gesunde Lebensweise wird werdenden Müttern aber ohnehin empfohlen, um die viel häufigeren Erkrankung durch Alkoholkonsum oder ähnliches zu vermeiden. Außer diesen allgemeinen Vorschriften müssen also nach aktuellem Stand der Forschung keine weiteren Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden, um ADHS zu vermeiden.

Welche Auswirkungen hat die Ernährung?

Während ein gesunder Lebensstil mit ausgewogener Ernährung nachgewiesenermaßen vielen ADHS-Patienten hilft, können ungesunde Speisen die Symptome hingegen negativ beeinflussen. Wie genau die Nahrungsmittel dabei auf den Patienten wirken, ist noch nicht geklärt. Dass eine schlechte Ernährung allein ADHS auslöst, ist aber höchst unwahrscheinlich. Beim Vorliegen mehrerer Risikofaktoren, z.B. in Kombination mit der erblichen Veranlagung, kann ein ungesunder Lebensstil aber zur Ausprägung der Symptome beitragen. Nicht selten treten neben den typischen ADHS-Merkmalen noch andere körperliche Symptome auf, wie z.B. Bauchschmerzen oder Unverträglichkeiten usw., die die Verhaltensstörung verschlimmern. Hier kann eine angepasste Ernährung helfen. Spezielle ADHS-Diäten, wie sie von manchen Anbietern angepriesen werden, sind aber meistens nicht sinnvoll.

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Welchen Einfluss hat Doping auf ADHS?

Leistungsfördernde Substanzen, wie sie manche Sportler nutzen, um sich einen illegalen Vorteil in Wettkämpfen zu verschaffen, haben viele psychische und körperliche Nebenwirkungen. Unter anderem können ADHS-ähnliche Symptome auftreten.

Doping allein kann die Erkrankung aber nicht auslösen. Allerdings handelt es sich beim gängigsten Wirkstoff zur Behandlung von ADHS, wie er beispielsweise in Ritalin vorkommt, um ein Amphetamin-ähnlichen Stoff. Dieser kann aufputschend wirken und steht auf der verbotenen Liste für Sportler, zählt also als Doping.

Patienten, die diesen Wirkstoff einnehmen, brauchen daher eine Sondergenehmigung bei sportlichen Wettkämpfen. Nicht selten versuchen Sportler, durch eine vermeintliche ADHS-Erkrankung die Medikation verschrieben zu bekommen und somit ihre Leistung zu verbessern. Leider nehmen sie dabei die häufigen Nebenwirkungen des Arzneimittels in Kauf. Werden dann noch weitere Mittel eingenommen, können diese schwere Wechselwirkungen mit dem ADHS-Medikament verursachen. Während Doping also bereits bei gesunden Sportlern große Probleme verursachen kann, birgt es bei ADHS-Patienten noch größere Risiken.

Neurologische Ursachen

Zur Entstehung von ADHS tragen viele Faktoren bei, unter anderem Veränderungen im Gehirn. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Signalübertragung mittels verschiedener Botenstoffe, z.B. Dopamin, bei ADHS-Patienten gestört ist. Das liegt unter anderem an einer Störung der Rezeptoren und Transporter dieser Stoffe, die vererbbar ist. Außerdem lassen sich bei vielen Patienten eine verminderte Durchblutung oder eine reduzierte Größe verschiedener Hirnregionen nachweisen. Wie genau diese Veränderungen die Symptome auslösen, ist allerdings noch nicht ausreichend geklärt.

Minimale cerebrale Dysfunktion (MCD)

Die Abkürzung MCD (= minimale cerebrale Dysfunktion) steht für sämtliche Störungen im Bereich der Hirnfunktion, die aufgrund unterschiedlicher Ursachen vor, während oder nach der Geburt (= prä-, peri- und postnatal) entstanden sind.

Speziell in den siebziger Jahren wurden minimale cerebrale Dysfunktionen als Sammelbegriff übermäßig häufig als Ursache von Lernproblemen anerkannt. Frühkindliche minimale Hirnschädigungen können pränatal, also vorgeburtlich beispielsweise durch Infektionskrankheiten der Mutter, durch Blutungen oder durch Fehler in der Ernährung während der Schwangerschaft entstehen. Hierzu zählt in besonderer Weise regelmäßiger Alkohol-, bzw. Nikotinkonsum der werdenden Mutter, wodurch das Stammhirn (Thalamus) gefährdet ist, sich nicht vollständig ausprägen zu können.

Unter den Sammelbegriff MCD fallen aber auch sämtliche frühkindlichen Hirnschädigungen, die während des Geburtsvorgang (= perinatal) eintreten. Dazu zählt in besonderer Weise der Sauerstoffmangel während der Geburt, oder auch diverse Geburtsverzögerungen infolge von Lageanomalien.

Zu den typischen postnatalen Ursachen für die Ausbildung minimaler cerebraler Dysfunktionen zählen typischerweise Unfälle, Infektionskrankheiten oder Stoffwechselerkrankungen des Kindes im Säuglings- und Kleinkindalter.

Darüber hinaus zeigen verschiedene Untersuchungen, dass zu früh geborene Kinder (= Frühchen) mit einem zu geringen Geburtsgewicht häufiger ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ausbilden als Kinder mit normalem Geburtsgewicht. Vermutet wird auch hier ein Zusammenhang mit der erhöhten Wahrscheinlichkeit minimaler, cerbraler Hirnreifestörungen bei zu früh geborenen Kindern.

Im Bereich der Diagnosestellung bei den verschiedenen Varianten des Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms, wird daher auch auf diese zeitlichen Bereiche eingegangen. Es empfiehlt sich daher, bei der Diagnosestellung sowohl den Mutterpass als auch die Untersuchungsergebnisse der U-Untersuchungen des Kindes bereit zu stellen, da sie wichtige Aussagen im Hinblick auf die Entwicklung und Ursachenabgrenzung liefern können.

Vererbung und Umwelteinflüsse

Oftmals fällt auf, dass ADHS - Probleme sich nicht nur auf ein Mitglied einer Familie beschränkt, sondern dass - diagnostiziert oder nicht - auch bei anderen Familienmitgliedern typische, extreme Verhaltensweisen zu erkennen sind.
Diese Tatsache lässt zwei Hypothesen zu:

  • Kann ADHS genetische Ursachen haben, also vererbt werden?

oder

  • Entstehen diese typischen Verhaltensweisen durch Umwelteinflüsse, wie beispielsweise die Erziehung, etc.

Diese zwei Fragestellungen lassen sich nicht eindeutig beantworten. Man weiß mittlerweile, dass die Anlagen zur Ausbildung eines ADHS durchaus genetisch vererbt werden können. Darüber hinaus wird bestätigt, dass die Umwelteinflüsse alleine nicht die Ausbildung eines ADHS bedingen können.

ABER: Man weiß auch, dass die Umwelteinflüsse in entscheidendem Maße die Ausprägung eines ADHS beeinflussen können.

Dies bedeutet:

  1. Die Erziehung selbst ist für die Ausbildung eines ADHS in der Regel nicht alleine verantwortlich. Zwar können durch inkonsequente Erziehungsstile durchaus auch ADHS-ähnliche Verhaltensweisen ausgebildet werden, die Reizweiterleitungsstörungen werden durch Erziehung allerdings nicht hervorgerufen.
  2. Inkonsequente Erziehungsstile und demzufolge auch weitere unvorteilhafte Umwelteinflüsse können allerdings in besonderer Weise die Art und Weise der Ausprägung eines ADHS beeinflussen. Liegen Reizweiterleitungsstörungen des Gehirns vor, spielt die Erziehung eine zentrale Schlüsselrolle im Leben eines ADHS - Kindes. Aus diesem Grund wird auch im Bereich der Therapie viel Wert auf konsequente Erziehung gelegt und Eltern in besonderer Weise in die Therapie miteingebunden.

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Allergien und ADHS

Die Allergie stand und steht immer wieder im Verdacht, ursächlich für die Ausbildung eines ADHS in Frage zu kommen. Die Tatsache, dass sehr viele Menschen unter Allergien leiden, zeigt bereits, dass nicht jeder gleichzeitig auch unter einem ADHS leidet. Dass unter den vielen Menschen mit Allergien auch Menschen sind, die unter einem ADHS leiden, scheint plausibel.

Darüber hinaus weiß man, dass eine Allergie im Körper eine Stressituation auslöst, durch die der Körper, bzw. die Nebennierenrinde eine Adrenalinausschüttung veranlasst und schließlich mit einer erhöhten Cortisolproduktion antwortet. Cortisol gehört zu der Gruppe der so genannten Glukokortikoide. Durch die Ausschüttung des Cortisols wird im Körper ein Abfall des Serotoninspiegels verursacht. Serotonin wiederum beeinflusst die Stimmung und die Aufmerksamkeit eines Menschen und gerade diese Aufmerksamkeits- und Stimmungsschwankungen machen sich beim Kind bemerkbar.

Es gibt einige therapeutische Maßnahmen, die so genannten ernährungstherapeutischen Maßnahmen, die auf eine Allergie als Ursache eines ADHS eingehen. Lesen Sie dazu mehr unter: ADHS Ernährung. Ein Zusammenhang zwischen ADHS und Allergien scheint im Einzelfall - wie oben bereits erwähnt - durchaus möglich, doch zeigen Untersuchungen, dass Allergien und insbesondere Nahrungsmittelallergien nur selten wirklich als Ursache für die Ausbidlung eines ADHS in Frage kommen.

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Autor: Dr. N. Gumpert Veröffentlicht: 12.05.2007 - Letzte Änderung: 02.03.2022