Therapie des ADHS

Synonyme im weiteren Sinne

Aufmerksamkeitsdefizithyperaktivitätssyndrom, Zappel - Philipp - Syndrom, Zappelphilipp, Psychoorganisches Syndrom (POS), Hyperaktivitätssyndrom, Hyperkinetisches Syndrom (HKS), Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, ADHS, Attention - Deficit - Hyperactivity - Disorder (ADHD), minimal brain syndrome, Verhaltensstörung mit Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörung, Fidgety Phil, ADS.

Definition

Es gibt drei verschiedene Formen des Aufmerksamkeits - Defizit - Syndroms. Diese sind:

  • Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ohne Hyperaktivität: ADS
  • Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität: ADHS
  • einer Mischform aus den beiden erstgenannten Formen des Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms

Das Aufmerksamkeits - Defizit - Hyperaktivitäts - Syndrom umfasst ein ausgeprägt unaufmerksames, impulsives Verhalten, das sich über einen längeren Zeitraum (etwa sechs Monate) hinweg in mehreren Lebensbereichen (Kindergarten / Schule, zu Hause, Freizeit) zeigt. 
Aufgrund der sehr wechselhaften und streckenweise unterdurchschnittlichen Fähigkeit Aufmerksamkeit aufzubauen, sind von schulischen Problemen häufig auch andere Bereiche (Deutsch und / oder Mathematik) betroffen. Viele ADHS - Kinder entwickeln eine Lese- Rechtschreibschwäche LRS und / oder Rechenschwäche. Darüber hinaus können ADHS - Kinder auch eine Hochbegabung aufweisen.

So individuell wie die Symptome eines ADHS sein können, muss auch die Therapie ausgerichtet werden. Es gibt unterschiedliche therapeutische Ansätze, die im Falle eines eindeutig diagnostizierten Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität zum Einsatz kommen können.

Therapeutische Ansätze

Es gibt unterschiedliche Therapieformen, die im Hinblick auf das ADHS ihre Anwendung finden können. Wie bereits mehrfach erwähnt, ist es individuell unterschiedlich, welche Therapie im Einzelfall anzustreben ist. Bewährt hat sich in vielerlei Hinsicht eine multimodale Therapie, also eine durch viele verschiedene Faktoren zusammengesetzte, auf den Einzelfall bezogene Therapie.

Prinzipiell unterscheidet man drei verschiedene Therapieformen:

  • Die medikamentöse Therapie
  • Die psychotherapeutische und heilpädagogische Therapie mit ihren unterschiedlichen Möglichkeiten
  • Die Ernährungstherapie mit ihren unterschiedlichen Möglichkeiten.

Eine Therapie kann niemals nur eine Sache von “zweimal eine Stunde Therapie pro Woche” oder ähnlichem sein. Die Therapiestunden, welche durch Fachleute organisiert und durchgeführt werden, sind lediglich “Stützen”. Das jeweils neu “erlernte” und besprochene muss zu Hause weitergeführt und weiterentwickelt werden. Somit ist eigentlich bei allen drei genannten Therapieformen jeweils die Förderung des ADHS - Kindes im häuslichen Umfeld hinzuzufügen. Nur in der Gemeinschaft und Kooperation zwischen ADHS - Kind, seinen Eltern (Familie), dem Therapeuten kann eine Therapie gelingen. Wichtig ist auch, das schulische Umfeld (Klassenlehrer, Lehrer, ...) von den einzelnen Therapieschritten zu unterrichten, damit möglichst ganzheitlich vorgegangen werden kann.
Die Beschreibung möglicher ADHS - Therapien soll zum einen Einblicke in die Vielfältigkeit ermöglichen, zum anderen auch über die einzelnen Möglichkeiten aufklären, damit im Interesse Ihres Kindes der passende therapeutische Weg gefunden werden kann. Die Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Die medikamentöse Therapie

Die wohl umstrittenste Therapieform in Bezug auf das ADHS stellt wohl die medikamentöse Therapie dar und dies obwohl mit Hilfe bestimmter Medikamente bei vielen ADHS - Patienten gute Erfolge erzielt werden. Begründet liegt diese kritische Haltung oftmals in der Tatsche, dass es sich bei den ADHS - Medikamenten um Psychopharmaka handelt, in der Regel um Stimulanzien, die die psychischen Funktionen beeinflussen. Sie wirken sich demnach sowohl auf die Stimmung, die Affektivität und Emotionalität und somit auch auf die Aufmerksamkeitsfähigkeit, die Impulsivität und den (inneren) Antrieb aus.

Erfahren Sie hier mehr über die medikamentöse Therapie des ADHS: ADHS Medikamente.

Ritalin

Ritalin ist eines der gängigsten Medikamente in der ADHS-Therapie. Sein Wirkstoff ist das sogenannte Methylphenidat, ein Amphetamin-ähnlicher Stoff, der zur Gruppe der Stimulantien gehört. Es handelt sich daher um eine Substanz, die die Nervenzellen im Gehirn stimulieren, also anregen, soll, um die geistige Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Bei einem Großteil der Patienten kann mit Ritalin eine Besserung der Symptome erzielt werden.
Wie bei jedem Medikament treten gelegentlich Nebenwirkungen auf. Bei Ritalin sind diese sehr vielfältig und leider auch recht häufig. Allerdings handelt es sich in den meisten Fällen um leichte psychische Beschwerden, die nach einiger Zeit verschwinden. Typisch sind z.B. Appetitverlust, Schlafstörungen, depressive Verstimmung, Angstgefühle, Unruhe, Nervosität usw. Es ist nicht immer leicht, diese Nebenwirkungen von den eigentlichen ADHS-Symptomen abzugrenzen. Der Arzt muss also bei Beginn der Medikation gezielt auf diese unerwünschten Wirkungen aufmerksam machen, damit der Patient sie als solche erkennt und beobachten kann, ob sie wieder verschwinden. Sollte Ritalin nicht vertragen werden, gibt es noch eine Vielzahl weiterer Medikamente mit ähnlichem Wirkmechanismus und anderem Nebenwirkungsprofil.

Lesen Sie mehr zum Thema unter: Ritalin

Antidepressiva

Antidepressiva sind Medikamente, die stimmungsaufhellend wirken. Da sie ihre Wirkung unabhängig von der Ursache der Verstimmung entfalten, finden sie nicht nur bei Depressionen, sondern bei sehr vielen psychiatrischen Erkrankungen Verwendung. Auch bei ADHS werden sie gelegentlich eingesetzt, weil diese Medikamente über andere Wirkmechanismen ebenfalls die Signalübertragung im Gehirn verbessern.
Aufgrund der zahlreichen Nebenwirkungen und der verträglicheren und wirkungsvolleren Alternativen wie z.B. Methylphenidat sind die Antidepressiva aber nicht das Mittel der Wahl in der ADHS-Therapie.
Leiden die Patienten allerdings zusätzlich an Depressionen, die bei ADHS überdurchschnittlich oft auftreten, können Antidepressiva trotzdem indiziert sein. Aufgrund der problematischen Eigenschaften der Medikamente ist jedoch eine strenge Überwachung der Therapie durch einen Arzt notwendig. So treten nicht nur häufig Nebenwirkungen auf, auch die Wirkung tritt bei jedem Patienten unterschiedlich schnell und stark ein. Eine dauerhafte Medikation mit diesen Arzneimitteln muss also gut überlegt sein.

Lesen Sie mehr zum Thema unter: ADHS und Antidepressiva

Welche Therapieansätze ohne Medikamente gibt es?

  • Aufklärung und Verhaltenstherapie der Betroffenen
    Zum Verständnis der Erkrankung, Anleitung zum richtigen Umgang mit den Symptomen und zur Steigerung der Aufmerksamkeit

  • Psychotherapie
    Zur Stärkung des Selbstwertgefühls und der Selbstkompetenz, um Schwächen selbstständig auszugleichen, und zur Behandlung psychischer Begleitprobleme

  • Ernährung und Lebensstil, körperliche Aktivität
    Klare Strukturen und Regelmäßigkeit zur Erleichterung des Alltags, körperliche Gesundheit zur Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit, Bewegung zum Ausgleich der Hyperaktivität

  • Talente fördern
    Nutzung der Kreativität und anderer Fähigkeiten, um die Konzentration zu fördern und eine erfolgreiche Teilnahme am Schul- und Arbeitsleben zu ermöglichen

  • Homöopathie
    Beruhigende und leistungsfördernde Substanzen wie z.B. Bachblüten zur Unterstützung der anderen Therapieansätze

  • Viele weitere neue Ansätze, z.B. Ergotherapie, Neurofeedback, Meditation…

Psychotherapie und Heilpädagogik bei ADHS

Psychotherapeutische Therapieformen des ADHS sollen dem Kind helfen, durch verschiedene Ansätze sich selbst besser zu verstehen und das eigene Handeln besser beeinflussen zu können. Das kindliche Verhalten wird oftmals indirekt und unbemerkt beeinflusst. Lesen Sie hier mehr zum Thema ADHS und Psychotherapie.

Auf unserer Unterseite finden Sie wichtige Hinweise zu folgenden psychotherapeutischen Therapieformen:

Darüber hinaus kommen verschiedene Entspannungstechniken, wie beispielsweise:

zum Einsatz, die Ihnen durch Klicken auf den jeweiligen Link näher erläutert werden.

Heilpädagogische Therapieformen zielen darauf ab, Erziehung positiv zu beeinflussen, die durch verschiedene Ursachen nur noch erschwert stattfinden kann. Die Heilpädagogik stellt somit einen Teilbereich der Pädagogik dar und versucht mit ihren verschiedenen Methoden und Ansätzen, problemorientiert und somit individuell auf die einzelnen Problembereiche einzugehen und sie Schritt für Schritt zu verbessern.

Nähere Einzelheiten erfahren Sie hier: ADHS und Heilpädagogik sowie unter Psychotherapie bei ADHS

Ernährungstherapie

Einige therapeutische Ansätze sehen einen Zusammenhang zwischen Allergien, der Ernährung und der Ausbildung ADHS - typischer Symptome.
Diese Ansätze erläutern wir Ihnen näher auf unserer Unterseite: ADHS Ernährung.
Oftmals handelt es sich hierbei um alternative Behandlungsformen, deren Wirksamkeit entweder noch nicht ausreichend überprüft wurde, oder aber als fraglich eingestuft wird.

Neurofeedback

Beim Neurofeedback werden dem Patienten mittels EEG-Elektroden die eigenen Hirnströme auf einem Bildschirm dargestellt, die unter anderem die momentane Aufmerksamkeit und Konzentration zeigen.
Zum besseren Verständnis sieht der Patient die Signale nicht als EEG-Wellen, sondern z.B. als Formen und Figuren, die sich durch Konzentration verändern und bewegen lassen. Ein solches Training kann somit als Spiel aufgebaut sein und gerade bei Kindern eine unbeschwerte Form des Aufmerksamkeitstrainings darstellen.

Ergotherapie

Bei der Ergotherapie wird nicht wie bei der Physiotherapie die allgemeine Bewegungsfähigkeit gesteigert, sondern ganz konkrete Handlungsabläufe trainiert. Bei ADHS-Patienten sind dies Aktivitäten aus dem Alltag und gestalterische Aufgaben, die die allgemeine Handlungsfähigkeit steigern und die Bewältigung der alltäglichen Anforderungen erleichtern sollen. Durch die Durchführung zielgerichteter Aktionen soll somit das organisierte und planvolle Handeln erlernt werden.

Homöopathie

Homöopathische Substanzen können in manchen Fällen ähnliche Therapieerfolge wie die sonst üblichen Medikamente erzielen, ohne die ungewünschten Nebenwirkungen auszulösen. Die Wirksamkeit homöopathischer Mittel ist jedoch komplex und nicht immer belegt. Außerdem handelt es sich auch hier um Wirkstoffe, die ebenso gravierende Nebenwirkungen aufweisen können wie schulmedizinische Substanzen. Bei einer Unverträglichkeit von z.B. Ritalin stellen sie bei verantwortungsvollem Gebrauch aber eine gute Alternative dar.

Sport als Therapie

Gerade bei einer ausgeprägten Hyperaktivität im Rahmen des Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms kann sportliche Betätigung effektiv die Symptome mindern und das Wohlbefinden steigern. Zudem steigert Sport nicht nur die geistige Leistungsfähigkeit, sondern auch das Selbstwertgefühl, das bei vielen Patienten durch die Begleitprobleme des ADHS vermindert ist. Viele Ärzte empfehlen daher regelmäßige Sporteinheiten. Manche Patienten laufen jedoch Gefahr, sich übermäßig zu verausgaben und der Sport wird zur Sucht. Als alleinige Therapie ist die körperliche Aktivität daher nicht geeignet.

Therapie mit Tieren

Werden Tiere in die Therapie einbezogen, wirken sie entspannend auf den Patienten und erhöhen dessen Motivation. Die Arbeit mit beispielsweise einem Hund oder einem Pferd im Rahmen eines Konzentrationstrainings soll Spaß machen und das Bewältigen der Aufgaben erleichtern.
Auch das Halten eines Kleintieres kann vor allem Kindern helfen, Verantwortung zu übernehmen und das Trainieren des Haustiers erhöht dabei die eigene Aufmerksamkeitsfähigkeit ganz ohne Zwang. Allerdings ist nicht jedes Tier geeignet und hat seine ganz eigenen Ansprüche, weswegen die Anschaffung nicht leichtfertig erfolgen sollte.

Förderung im häuslichen Umfeld

Die Förderung im häuslichen Umfeld stellt einen wesentlichen Teil der eigentlichen Therapie des ADHS dar. Hier laufen alle therapeutischen Maßnahmen zusammen. Sie müssen hier in die tägliche Erziehung und somit in den Alltag integriert werden, denn nur so werden neu erlernte Verhaltensweisen nachhaltig beeinflusst. Dass dies zu einer enormen Belastung der Eltern und der gesamten Familie ausarten kann, ist denkbar.

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Wie sind die therapeutischen Erfolgsaussichten?

Bei der richtigen Behandlung sind die therapeutischen Erfolgsaussichten sehr hoch. Durch die vielen verschiedenen Therapiemöglichkeiten gibt es für fast jeden Patienten eine Methode, die ihm beim Umgang mit den Symptomen hilft und die Prognose verbessert. Zeigt eine Therapie also keinen Erfolg, sollte eine andere Art der Behandlung ausprobiert werden, bis eine Besserung des Erscheinungsbildes erzielt wird. Ein einziger Arzt kann nicht Spezialist für alle verfügbaren Therapieansätze sein, weswegen die Behandlung durch ein Team verschiedener Fachleute bessere Erfolge erzielt.
Die optimale, auf den Betroffenen individuell zugeschnittene Behandlung ist komplex und muss regelmäßig angepasst werden. Leider gibt es nach wie vor viele Patienten, die Medikamente trotz massiver Nebenwirkungen einnehmen oder Trainingseinheiten ohne ausreichenden Effekt absolvieren. Doch auch die Mitarbeit des Patienten und seines Umfelds sind enorm wichtig für die Therapie. Nicht jedes Training macht Spaß und zeigt sofort Wirkung, weswegen die Umsetzung langfristiger Verhaltensänderungen nicht leicht ist. Für den Erfolg einer Therapie sind also der richtige Behandlungsansatz und die Motivation des Patienten entscheidend.

Wer trägt die Kosten für die Therapie?

Die meisten Therapien durch einen approbierten Arzt oder Psychotherapeuten zahlt die Krankenkasse. Manche Behandlungsformen, wie zum Beispiel verschiedene Verhaltenstrainings, müssen im Vorhinein mit der Kasse abgesprochen werden, um die Kostenübernahme zu gewährleisten. Experimentelle Ansätze und einige homöopathische Maßnahmen werden jedoch je nach Kasse nicht übernommen und müssen selbst gezahlt werden.

Autor: Dr. N. Gumpert Veröffentlicht: 12.05.2007 - Letzte Änderung: 02.03.2022