Therapie von ADS mit Antidepressiva

Synonyme im weiteren Sinne

Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, Zappel - Philipp - Syndrom, Zappelphilipp, Psychoorganisches Syndrom (POS), Hyperkinetisches Syndrom (HKS), Aufmerksamkeitsdefizit-Störung, ADS, ADHS, Attention - Deficit - Disorder (ADD), minimal brain syndrome, Verhaltensstörung mit Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörung, Fidgety Phil, Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, ADHD, Träumer, “Hans-guck-in-die-Luft”, Träumerle.

Definition

Um das nach derzeitigem Forschungsstand ursächliche Problem des Botenstoff - Ungleichgewichtes von Serotonin, Dopamin und Noradrenalin im Gehirn ausgleichen zu können und somit die Informationsweiterleitungen zwischen den Nervenzellen einzelner Hirnbereichen zu regulieren, findet im Rahmen der ADS - Therapie, bzw. der ADHS - Therapie die medikamentöse Therapie ihre Begründung.
In Frage kommen dabei medikamentöse Therapien mit Medikamenten der Psychopharmaka - Sparte, so zum Beispiel:

  1. Stimulanzien (Methylphenidat- Präparate, Stimulanzien)
  2. Antidepressiva

Generell zielen Psychopharmaka darauf ab, die Aktivität und Funktion des zentralen Nervensystems (= ZNS) zu beeinflussen um sich auf die Emotionalität, Stimmung und Affektivität (= Gefühlslage) auszuwirken. So kann durch Antidepressiva eine Antriebssteigerung und Stimmungsaufhellung genauso bewirkt werden, wie eine Dämpfung. Dies ist möglich, da verschieden Gruppen unterschieden werden müssen, die sich unterschiedlich auf die Botenstoffe auswirken. Unterschieden wird derzeit zwischen:

  • MAO - Hemmern
  • RIMA (Reversible Monoaminooxdase Hemmer)
  • Tri- und tetrazyklischen Antidepressiva
  • SSRI (Selektive - Serotonin - Wiederaufnahme - Inhibitoren)
  • NARI (Noradrenalin - Wiederaufnahme - Inhibitoren)
  • SNRI (Serotonin - Noradrenalin - Wiederaufnahme - Inhibitoren)

Medikamentöse Behandlung bei Kindern

Hinsichtlich der medikamentösen Behandlung des ADS und des ADHS kann Folgendes festgehalten werden:

  • Medikamentöse Therapie nur in eindeutigen Fällen.
  • Medikamentöse Therapie nicht unter sechs Jahren!
  • Nebenwirkungen können individuell auftreten und sind in besonderer Weise abhängig vom verordneten Medikament.
  • Die Dosis und der Einnahmezeitpunkt sind individuell unterschiedlich. Beides muss in gewisser Weise “ausgetestet” werden. Der behandelnde Arzt kann aufgrund des zugrunde liegenden Körpergewichtes eine Annäherung an die richtige Dosierung erreichen und Dosierungsempfehlungen aussprechen.

Medikamentöse Behandlung bei Erwachsenen

Da es das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom auch bei Erwachsenen gibt, kann auch bei ihnen medikamentös therapiert werden. Die Wahl des passenden Medikamentes gestaltet sich beim Erwachsenen aber schwieriger. Dies liegt unter anderem auch daran, dass die Verstoffwechslung beim Erwachsenen schneller erfolgt und der Hormonhaushalt unterschiedlich zusammengesetzt wird. Genau wie bei Kindern sind auch hier Stimulanzien die Medikamente der ersten Wahl. Zurückgegriffen wird häufig auch auf trizyklischen Antidepressiva, bzw. eine Mischkombination. Nur selten werden derzeit selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer eingesetzt. Problematisch gestaltet sich die Tatsache, das unseres Wissens derzeit kein Medikament auf Basis von Methylphenidat für Erwachsene zugelassen ist. Es kann im Rahmen einer so genannten Off-label-Verordnung vom Arzt verordnet werden. Die Kosten werden von Krankenkassen nur selten und somit in der Regel nicht übernommen.

Einige Erfahrungsberichte von Erwachsenen, die sich für eine medikamentöse Therapie entschieden haben, berichten davon, dass die Wirkung der Medikamente nicht sofort eintritt, sondern dass es bis zu einem halben Jahr dauern kann bis sich die erwartete Wirkung einstellt. Da eine medikamentöse Therapie in Deutschland gewissen Auflagen unterliegt (siehe oben), sind Erfahrungsberichte recht selten. Ebenso beziehen sich Studien meist auf Kinder und Jugendliche. Erwachsenenstudien zur Thematik weisen häufig unterschiedliche und uneinheitliche Ergebnisse auf.

Eine medikamentösen Therapie sollte - wie bei Kindern und Jugendlichen auch - nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn eine eindeutige Diagnose gestellt werden konnte. Dazu gehört auch die differenzialdiagnostische Abgrenzung anderer Persönlichkeitsstörungen(Borderline, Depressionen, Tourette - Syndrom, ...).

verschiedene Antidepressiva

Die unterschiedlichen Ungleichgewichte der Botenstoffe beanspruchen unterschiedliche Medikamentengruppen für sich, die gezielt am Ungleichgewicht ansetzen und Symptome lindern, bzw. mildern sollen. Alle nachfolgend genannten Medikamentengruppen zählen zu den so genannten Psychopharmaka. Diese Medikamentengruppe umfasst generell alle Medikamente, die psychoaktiv wirken und sich somit auf die Aktivität des ZNS (= zentralen Nervensystems) auswirken. Sie wirken an der Synapse / am synaptischen Spalt, also genau dort, wo Botenstoffe zur Reizweiterleitung von Nervenzelle zu Nervenzelle genutzt werden. Nähere Informationen finden Sie unter Ursachen des ADS auf der ADS - Hauptseite.
Folgende Medikamentengruppen werden im Falle eines Botenstoff - Ungleichgewichtes eingesetzt:

  1. MAO - Hemmer
  2. NARI (Selektive Noradrenalin - Wiederaufnahme Hemmer)
  3. RIMA (Reversible Monoaminooxdase Hemmer)
  4. SNRI (Serotonin - Noradrenalin - Wiederaufnahme Hemmer)
  5. SSRI (Selektive Serotonin - Wiederaufnahme Hemmer)
  6. Stimulanzien
  7. trizyklische Antidepressiva (Neurotransmitter - Wiederaufnahme - Hemmer)

Je nach Notwendigkeit und Art des Ungleichgewichtes wird der behandelnde Arzt Medikamente aus der entsprechenden Gruppe verordnen.
Im Falle eines AD(H)S werden primär Stimulanzien eingesetzt. Im Rahmen der Therapie beim AD(H)S - Erwachsenen kann darüber hinaus auch der Einsatz trizyklischer Antidepressiva angeraten sein.

Behandlung von ADS, bzw. ADHS mit Antidepressiva

Die Tabelle beschränkt sich auf wesentliche Medikament der ADS -/ bzw. ADHS - Therapie mittels Antidepressiva. Die Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und entspricht unserem Wissensstand. Eventuelle Abweichungen sind möglich.

 

Name Wirkstoff Medikamentengruppe Für wen?
Strattera® Atomoxetin Selektiver Noradrenalin Wiederaufnahme Hemmer (NARI) Kinder ab 6 Jahren, Jugendliche und Erwachsene mit einer eindeutigen ADS Diagnose
Tofranil® Imipramin - neuraxpharm® Imipramin Trizyklisches Antidepressiva (TZA) Kinder ab 6 Jahren, Jugendliche und Erwachsene mit einer eindeutigen ADS Diagnose
Petylyl® - Dragees Desipramin Trizyklisches Antidepressiva (TZA) Erwachsene
Trevilor® Venlaflaxin Serotonin-Noradrenalin Wiederaufnahme Hemmer (SNRI) nicht für Kinder und Jugendliche (<18 Jahre)
Aurorix® Moclix® Tofranil trizyklisches Antidepressivum Erwachsene

Klassische Antidepressiva

Klassische Antidepressiva stehen synonym für trizyklische Antidepressiva, deren Name auf die chemische Struktur rückschließen lässt. Antidepressiva wirken wiederaufnahmehemmend in Bezug auf mehrere Botenstoffsysteme, wirken also nicht so spezifisch auf bestimmte Neurotransmitter.
Unter anderem deshalb kommen sie in der Regel erst dann zum Einsatz, wenn die Medikamente der ersten Wahl (Stimulanzien), sowie NARI nicht entsprechend wirken oder aber zum Erkrankungsbild Depressionen hinzu kommen.

Monoaminooxidase (= MAO) - Hemmer

Die drei Buchstaben der MAO - Hemmer stehen für Monoaminooxidase. Dies ist ein Enzym, welches für den Abbau der Transmitter im zentralen Nervensystem sorgt. Durch die Hemmung dieses Enzyms wird somit auch der Abbau der Neurotransmitter gehemmt. Dies hat zur Folge, dass im synaptischen Spalt zeitweise eine größere Menge an Transmittern zur Verfügung steht.
Im Falle eines ADS ist es der Wirkstoff Moclobemid, welcher beispielsweise in Form von Aurorix® oder Moclix® verschrieben wird. Ebenso wie trizyklische Antidepressiva wird auf MAO - Hemmer erst dann zurückgegriffen, wenn Medikamente der ersten Wahl nicht wirken oder kontraindiziert sind.

Nebenwirkungen

Neben den erwünschten Wirkungen von Medikamenten sind auch immer Nebenwirkungen, bzw. Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten möglich. Auch gewisse individuelle Begebenheiten (Allergien, gesundheitliche Beschwerden) können manchmal dafür sorgen, dass gewisse Medikamente nicht zum Einsatz kommen können, bzw. sollten. Man spricht von einer Kontraindikation.

Bitte besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt mögliche Nebenwirkungen, die - je nach Medikament - unterschiedlich sein können. Er kennt Sie genau und kann Ihnen auch sagen, weshalb spezifische Medikamente bei Ihnen eventuell kontraindiziert sein könnten.

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Autor: Dr. N. Gumpert Veröffentlicht: 18.05.2007 - Letzte Änderung: 02.03.2022