Antidepressivum

Synonyme im weiteren Sinne

  • depressive Symptome
  • Antidepressiva,
  • Depressionen
  • bipolare Erkrankung
  • Schwermut
  • Therapie der Depression

Einleitung

In der Regel sind es nicht Medikamente alleine, die zu einer Besserung depressiver Symptomatik führen (s. hierzu Therapie der Depression). Nichtsdestotrotz gehört heutzutage der medikamentöse Ansatz in das Behandlungskonzept der Depression dazu. Wie bei vielen Medikamenten, die in der Behandlung psychischer Störungen eingesetzt werden, gehören auch Antidepressiva in ein Gesamtkonzept, welches sich aus verschiedenen Säulen zusammensetzen sollte. Wichtig hierbei ist vor allem auch eine Aufklärung des Patienten über Wirkung und Nebenwirkung der Medikamente, aber auch das therapeutische Vermitteln des Schweregrades der Depression. Mit Veränderung dieses Schweregrades, wird sich in den meisten Fällen auch die medikamentöse Behandlung im Verlauf ändern. Man muss hierbei, ähnlich wie z.B. in der Behandlung der Schizophrenie, unterscheiden zwischen der akuten, der erhaltenden oder der vorbeugenden Therapie.

Auch hängt vom Schweregrad der Störung die Dringlichkeit einer medikamentösen Therapie ab. Es ist recht einleuchtend, dass ein Patient mit konkreten Selbstmordabsichten sehr viel schneller Entlastung braucht, als z.B. jemand mit einer „Winterdepression“.

Im Folgenden nun einige allgemeine Informationen zu(m) Antidepressivum / Antidepressiva.

  • Indikationen (wann sind Antidepressiva / Antidepressivum angebracht und notwendig) für den Einsatz von Antidepressiva.
  • Wirkungseintritt
  • Wie lange muss ein Antidepressivum einnehmen?

Medikamentöse Therapie

Indikationen für den Einsatz von einem Antidepressivum

Dem Namen entsprechend finden Antidepressiva (Antidepressivum) natürlich Anwendung bei der sog. depressiven Episode. In der Literatur finden sich hierzu Empfehlungen, welche jedoch nur als solche verstanden werden sollten, d.h. man muss stets den individuellen, einzigartigen Patienten sehen und nicht nur die Diagnose.

  1. schwere depressive Episode: Hier empfehlen sich Medikamente, welche mehr als nur einen Botenstoff beeinflussen (z.B. Venlafaxin als SNRI) eher als Medikamente, die nur einen Botenstoff beeinflussen wie z.B. die SSRI (z.B. Fluoxetin)
  2. wenn die Depression in hohem Maße mit Angst einhergeht, empfiehlt sich ein Medikament, welches zusätzlich noch einen dämpfenden Effekt hat.
  3. Bei der Dysthymie, also der leichten aber dafür dauerhaften depressiven Stimmungslage sind im besonderen SSRI zu empfehlen, da sie zum einen gut verträglich sind und zum anderen schon bei geringen Mengen einen nachweisbaren Besserungseffekt haben.
  4. Bei der jahreszeitabhängigen Depression z.B. der Winterdepression vermutet man auch besonders eine Störung des Serotonin Botenstoffes. Aus diesem Grund geht die Empfehlung in Richtung der SSRI.
  5. Bei der Depression des alten Menschen (Altersdepression) sollte man möglichst auf die Anwendung von trizyklischen Antidepressiva verzichten, da sie bekanntermaßen das Herz beeinflussen können. Von daher sollte man heute auch in diesem Anwendungsgebiet primär auf SSRI zurückgreifen.

Lesen Sie mehr zu diesem Thema: Die Rolle von Serotonin/Neurotransmittern in einer Depression

Auch im Rahmen des prämenstruellen Syndroms können sich starke Stimmungseinbrüche oder depressive Verstimmungen zeigen. Bei länger andauernden Stimmungstiefs kann eine Therapie mit Antidepressiva in Betracht gezogen werden. Lesen Sie hierzu unseren Artikel: So wird ein prämenstruelles Syndrom behandelt

Gut nachweisbare Therapieerfolge durch Anwendung von Antidepressiva / Antidepressivum können auch in der medikamentösen Behandlung von Angststörungen nachgewiesen werden.

  • Generalisierte Angststörung: Hier gibt es belegte Studien, dass besonders Venlafaxin (SNRI) geeignet zur Behandlung der oft mit der Angststörung einhergehenden depressiven Symptome ist.
  • Panikstörung / Panikattacke: Auch bei der Panikstörung finden sich häufig depressive Symptome, die jedoch gut mit SSRI behandelbar sind. Die Empfehlung erfolgt primär wegen der guten Verträglichkeit.
  • Phobien: Generell ist bei der Phobie zwar die Psychotherapie das Mittel der Wahl, doch gibt es viel versprechende Studien, in denen für die soziale Phobie eine gute Wirksamkeit von SSRI und MAO-Hemmern nachgewiesen wurde.
  • Zwangsstörung: Auch bei der Zwangsstörung konnte die gute Wirksamkeit der SSRI nachgewiesen werden. Probleme hierbei sind jedoch, dass es erst nach Monaten zu einer Besserung kommt und dass zum Erzielen eines dauerhaften Erfolges oft eine mehrjährige Behandlung erforderlich ist.
    Weitere Informationnen erhalten Sie auch unter unserem Thema. Zwangsstörung.

Lesen Sie mehr zum Thema: Medikamente gegen Angst

Auch in der Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung empfiehlt sich neben der psychotherapeutischen Begleitung eine Gabe von SSRI. Auch hier gehen die Empfehlungen in die Richtung, dass eine Behandlung über mehrere Jahre sinnvoll sein kann.

Schmerzen: bei fast jedem Antidepressivum scheint es schmerzlindernde Wirkmechanismen zu geben. Aus diesem Grunde finden sie in der heutigen Schmerzmedizin (z.B. bei Kopfschmerzen bzw. Migräne) auch gehäuft Anwendung. Hierbei scheinen die trizyklischen Antidepressiva den SSRI überlegen zu sein. Es scheint dabei keinen Zusammenhang zwischen der tatsächlichen antidepressiven Potenz und der schmerzlindernden Wirkung zu geben. Eine weitere positive Eigenschaft ist die Tatsache, dass man in der Schmerzbehandlung oft nur sehr geringe Mengen des Medikamentes braucht, was natürlich das Risiko von Nebenwirkungen reduziert.

Essstörung: es gibt einige Studien, die bei Essstörungen auf eine Wirksamkeit von Antidepressiva schließen lassen, beispielsweise in der Behandlung von Bulimie und Binge-Eating.

Prämentruelles-dysphorisches Syndrom (PMDS / PMS): Bei diesem für viele Frauen sehr quälenden Symptomkomplex, kommt es zu körperlichen und psychischen Veränderungen. Diese Veränderungen hängen direkt vom Menstruationszyklus. Zur Behandlung hat sich im Besonderen das SSRI Sertralin (z.B. Zoloft) empfohlen. Auch hier sind niedrige Dosierungen oft ausreichend. Die Medikation kann auch zur Vorbeugung, also vor dem Auftreten eines erneuten PMR-„Schubes“ gegeben werden.

Lesen Sie mehr zum Thema: Das Prämenstruelle Syndrom und Depression.

Wirkungseintritt der antidepressiven Therapie

Der Wirkungseintritt eines Antidepressivums ist typischerweise ein langsamer, stetig ansteigender. Um einen möglichst schnellen Therapieerfolg zu erzielen, ist jedoch eine dauerhafte und regelmäßige Medikamenteneinnahme notwendig. Wenn diese Voraussetzung gegeben ist, sollte innerhalb von 14 Tagen eine langsame, leichte Besserung der Symptomatik erfolgen. Echte klinische Verbesserungen treten in der Regel erst nach etwa 4 Wochen auf. Wenn sich in der Zeit zwischen der 2. und 4. Woche jedoch keinerlei Tendenz zur Besserung der Symptomatik zeigt, sollte überdacht werden, ob es sich um das richtige Medikament für diesen speziellen Patienten handelt. Bei den Antidepressiva ist es nämlich nicht anders, als bei nahezu allen therapeutischen Maßnahmen in der Medizin. Nicht jeder Mensch ist gleich und somit kann es vorkommen, dass ein bei Depression gut erforschtes Medikament 100 Patienten hervorragend wirkt und beim 101. der Therapieerfolg zur Gänze ausbleibt. Diese Möglichkeit müssen Therapeut und Patient kennen. Grundsätzlich ist nicht dramatisch, da es heutzutage viele Alternativmöglichkeiten in der Therapie der Depression gibt.

Aufgabe des Arztes ist die Balance zu finden zwischen rascher, aber nicht zu rascher Aufdosierung. Wenn man zu Beginn der Therapie zu zurückhaltend die Dosis auf das notwendige Maß erhöht, kann es zur Verzögerung bis zum Wirkeintritt kommen. Wenn man hingegen zu schnell aufdosiert, können natürlich mehr Nebenwirkungen auftreten.

In der Regel sind jedoch zu den einzelnen Präparaten die Richtwerte nach denen man aufdosieren sollte gut bekannt.

Ebenfalls wichtig in der medikamentösen Therapie ist das Verständnis der Depression als Symptomkomplex, also eine Ansammlung von mehreren Leiden (z.B. Schlafstörung, schlechte Stimmung, Appetitlosigkeit usw.). Antidepressiva beeinflussen in der Regel nicht alle Symptome gleichzeitig, sondern nach und nach. Manche beeinflussen zunächst den Schlaf, andere den Antrieb. Wichtig ist, dass der Patient sich mit dem verschreibenden Arzt nicht nur über Nebenwirkung, sondern auch über Wirkungserwartung unterhält.

Einnahmedauer eines Antidepressivums

Das Ziel einer antidepressiven Therapie muss immer die vollständige psychische und körperliche Wiederherstellung des Patienten sein (Remission). Es ist belegt, dass Antidepressiva dies leisten können. Leider ist es auch erwiesen, dass ein Patient, der eine depressive Episode überstanden hat ein nahezu 50%es Risiko eines Rückfalls hat. Aus diesem Grunde ist eine Fortführung der medikamentösen Therapie auch nach Abklingen der akuten Symptome unbedingt anzuraten. Hierbei kommt besonders dem weiterbehandelnden Arzt die Aufgabe einer umfassenden Aufklärung zu. Man muss dem Patienten nämlich klar machen, dass er weiter seine “Pillen” schlucken muss, obgleich er keine Symptome der Krankheit mehr verspürt.

Die Empfehlung zur Weiterbehandlung mit einem Antidepressivum / Antidepressiva zur Vermeidung eines Rückfalls (also dem erneuten Auftreten von Symptomatik in der gleichen Episode) schwanken zwischen 6 und 12 Monaten.

Wenn jedoch bereits weitere Episoden in der Krankheitsgeschichte bekannt sind, geht es nicht mehr nur um die Vermeidung eines Rückfalls, sondern vielmehr um die Vermeidung des Auftretens einer neuen Episode (Rezidivprophylaxe). Die Empfehlungen schwanken hier zwischen Jahren bis lebenslang.

Generell muss eine Beendigung einer medikamentösen Therapie mit dem verschreibenden Arzt abgesprochen werden. Falls es zu einer Beendigung kommen sollte, ist es wichtig die Medikation nicht abrupt abzusetzen, sondern sie über mehrere Wochen auszuschleichen, da es sonst zu Absetzeffekten kommen kann. Bei diesen Effekten handelt es sich typischerweise um das Auftreten von Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Schlafstörungen und Konzentrationsstörungen. Beim Ausschleichen, also dem langsamen Absetzen der Medikamente können diese Effekte vermieden werden. Wichtig an dieser Stelle scheint mir noch einmal darauf hinzuweisen, dass diese Medikamente, trotz der beschriebenen Absetzphänomene, nicht süchtig machen, obgleich es manche Parallelen zum Entzug gibt. Per Definition muss ein Medikament welches als Sucht erzeugend gilt auch die Tatsache der Toleranzentwicklung erfüllen. Toleranz bedeutet, dass man um gleiche positive Effekte zu erlangen eine stetige Steigerung der Dosis benötigt. In der antidepressiven Therapie wird das Medikament aufdosiert auf ein therapeutisches Maß und nicht weiter.

Autor: Christoph Barthel Veröffentlicht: 18.05.2007 - Letzte Änderung: 22.10.2021