SSRI

Was sind SSRI?

SSRI steht als Abkürzung für selektive Serotonin Reuptake Inhibitoren. Dabei handelt es sich um Medikamente, die die Wiederaufnahme von Serotonin verhindern. Serotonin ist ein körpereigener Überträgerstoff, welcher aus der Aminosäure Tryptophan vor allem im Zentralesnervensystem und im Magen-Darm-Trakt hergestellt wird.

 

Einleitung

Als Transmitter vermittelt Serotonin wichtige Funktionen im Körper. Ein nicht funktionierender Serotoninstoffwechsel hat massive Auswirkungen auf die Gesundheit. So stehen psychische Krankheiten wie Angststörungen, Zwangserkrankungen oder Essstörungen mit einer Serotoninfehlfunktion in Verbindung. Aber auch rein körperliche Symptome wie etwa Migräne, Übelkeit und Erbrechen können durch eine fehlerhafte oder ausbleibende Herstellung von Serotonin entstehen.
Medikamente der Gruppe der Selektiven Serotonin Reuptake Inhibitoren werden eingesetzt, wenn zu wenig Serotonin vorhanden ist.

Neurone, die Serotonin produzieren, bestehen aus einer Präsynapse (prä = vor), einer Postsynapse (post = nach) sowie einem dazwischen liegenden synaptischen Spalt. Die Übertragung von Botenstoffen an einer Synapse folgt stets dem gleichen Prinzip. An der Präsynapse setzen kleinste, mit dem Botenstoff gefüllte Transportbläschen (Vesikel) den entsprechenden Stoff frei. Dieser befindet sich dann im synaptischen Spalt und aktiviert von dort aus die Postsynapse, sodass sich das Signal weiter verbreiten kann. Danach wird der Überträgerstoff aus dem synaptischen Spalt wieder in die Präsynapse aufgenommen, der Vorgang kann erneut ablaufen.

Liegt allerdings ein Mangel des Überträgerstoffes, beispielsweise ein Serotoninmangel, vor, so befindet sich nicht genügend Botenstoff im Spalt, die Weitergabe des Signals wird unterbrochen.
Genau an diesem Punkt greifen SSRI an. Im Falle der selektiven Serotonin Reuptake Inhibitoren wird, wie der Name bereits vermuten lässt wirklich nur die Wiederaufnahme (Reuptake) von Serotonin gehemmt (Selektivität).

Wann werden SSRI eingesetzt?

SSRI werden in erster Linie zur Behandlung von psychischen Störungen eingesetzt. Depressionen stehen hierbei an oberster Stelle, da diese psychische Erkrankung auf einem Serotoninmangel beruht.
Neben der Therapie von Depressionen werden SSRI auch bei Zwangsstörungen wie etwa Putzzwang (krankhafte Reinlichkeit), Ordnungszwang, Kontrollzwang oder sonstigen psychischen Zwängen eingesetzt.
Angststörungen lassen sich mit SSRI ebenfalls therapieren.
Auch im Bereich der Essstörungen finden SSRI Anwendung. Bulimie wird mit SSRI behandelt, obwohl Medikamente bei der Behandlung von Essstörungen im Vergleich zu anderen psychischen Krankheiten nur einen geringen Stellenwert haben.

Wie wirken SSRI?

Ihre Wirkung entfalten SSRI, indem sie einen Serotonintransporter an der Präsynapse hemmen. Unter normalen Umständen würde durch diesen Transporter das Serotonin aus dem synaptischen Spalt zurück in die Präsynapse gelangen, um dort wieder in kleine Transportbläschen (Vesikel) „verpackt“ zu werden und bei einem neuen Ablauf der synaptischen Übertragung abermals in den Synaptischen Spalt freigesetzt zu werden. Wird nun der Serotonintransporter in seiner Aktivität eingeschränkt, kann das Serotonin nicht wieder in die Synapse gelangen und bleibt im synaptischen Spalt „liegen“.

Da aber in der Präsynapse trotzdem dauernd neues Serotonin produziert und zur Ausschüttung vorbereitet wird, kommt es bei der nächsten Entleerung der Transportbläschen (Vesikel) zu einer regelrechten „Serotoninlawine“ im Spalt zwischen den Synapsen. Die Anhäufung des Serotonins reicht dann meist aus um die synaptische Übertragung zu gewährleisten.
An der Postsynapse werden durch ausreichende Mengen an Serotonin die Zielstrukturen der Substanz, sogenannte Rezeptoren aktiviert. Diese Rezeptoren befinden sich in der Außenwand (Membran) der Postsynapse, durchdringen diese und sind im inneren der Postsynapse mit kleinen Proteinen verbunden. Dockt Serotonin an seinen Rezeptor, ändert sich seine Form. Durch diesen Vorgang werden auch die kleinen Proteine im Inneren „bewegt“, das Signal wird weiter verstärkt und setzt sich „wasserfallartig“ fort. Es kann zur jeweiligen Zielregion im Körper gelangen und dort die gewünschte Wirkung entfalten. Serotonintransporter gibt es jedoch nicht nur an der Präsynapse sondern auch an einigen anderen Stellen im Körper wie beispielsweise an den Blutplättchen (Thrombozyten), was zu unerwünschten Wirkungen beim Einsatz von SSRI führen kann.

Weitere Informationen rund über das Thema Wirkung der Antidepressiva erhalten Sie hier.

Nebenwirkungen von SSRI

Neben den erwünschten, therapeutischen Effekten bringen SSRI eine ganze Reihe an unangenehmen Nebenwirkungen mit sich.
Gängige Erscheinungen sind zum Beispiel Mundtrockenheit, abnormes Schwitzen, Kopfschmerzen, Zittern (Tremor) sowie Müdigkeit bei gleichzeitiger Unruhe und Schlaflosigkeit.
Eine besonders lästige, unerwünschte Wirkung der SSRI stellt die oft bestehende Übelkeit dar. Serotonin bindet vor allem im Verdauungstrakt und im Brechzentrum des ZNS an Zielstrukturen, welche anregend auf den Brechreiz (emetisch) wirken. Dadurch entsteht eine lästige Übelkeit, die teilweise mit Erbrechen, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust einhergeht.
Auf die Potenz und die Libido (Lust am Geschlechtsverkehr) können die SSRI ebenfalls negative Auswirkungen haben.

Eine weitere, nicht zu unterschätzende Wirkung betrifft die Blutungsneigung unter SSRI Einnahme. Unter physiologischen („normalen“, gesunden) Bedingungen vermittelt Serotonin eine wichtige Wirkung auf die Blutplättchen (Thrombozyten), indem es für die Zusammenlagerung derselben sorgt. Im Falle einer Verletzung „verkleben“ viele Blutplättchen miteinander und bilden so einen Pfropf, der für den Wundverschluss und die Blutstillung unmittelbar nach einer Gewebeschädigung sorgt. Nimmt ein Patient SSRI, so kommt es ungünstiger Weise auch zur Hemmung des Serotonintransporters, welcher die Substanz in die Blutplättchen befördert. Kommt in den Blutplättchen kein Serotonin an, so können diese sich nicht mehr vollständig zusammenlagern, die Zeit bis zur Blutstillung verlängert sich. Patienten unter SSRI Einfluss sollten deshalb stets darauf achten, ob sie ungewöhnlich lange bluten.
Bei Frauen kann eine verlängerte oder verstärkte Menstruation auf verlängerte Blutungszeiten hinweisen.

Lesen Sie ausführliche Informationen zu diesem Thema unter: Nebenwirkungen von Antidepressiva

Serotonin-Syndrom​​​​​​​​​​​​​​

Besonders schlimme Nebenwirkungen von SSRI bringt das sogenannte Serotonin Syndrom mit sich. Durch eine Überdosierung mit SSRI und einer somit zu großen Menge an Serotonin im Körper, kommt es zu starken Bauchschmerzen mit Fieber, hohem Blutdruck, Herzrasen und allgemeiner Ruhelosigkeit. Das Serotoninsyndrom kann unbehandelt tödlich enden, wenn die Belastung für den Kreislauf tolerierbare Bereiche übersteigt und die körpereigenen Regulationsmechanismen versagen.

Viele weiter Informationen erhalten Sie unter unserem Thema: Serotonin-Syndrom

Gewichtszunahme durch SSRI

Eine Gewichtszunahme spielt bei SSRI im Vergleich zu trizyklischen Antidepressiva eher eine untergeordnete Rolle. Im Gegenteil kommt es meist zu einer Gewichtsabnahme durch ein verringertes Hungergefühl und verminderte Nahrungszufuhr. Eine Gewichtszunahme bei der Einnahme von SSRI ist also keine unmittelbare Nebenwirkung des Medikaments.

Um einer Gewichtszunahme vorzukommen, muss der Patient seine Nahrungszufuhr überwachen. Eine über den Verbrauch erhöhte Zufuhr von Kalorien führt zum Aufbau von Fettreserven und lässt das Körpergewicht ansteigen. Patienten sollten sich allgemein ausgewogen ernähren und zu natürlichen Lebensmittel statt zu hoch verarbeitetem Junk-Food greifen.
Auch die Wahl der Lebensmittel spielt eine Rolle: Proteinreiche und ballaststoffreiche Produkte sättigen langfristiger, ebenso komplexe Kohlenhydrate wie in Vollkornprodukten. Bei Fetten sollte besonders zu ungesättigten Fettsäuren wie in Fisch und Nüssen gegriffen werden.
Auch körperliche Aktivität spielt eine große Rolle in der Prävention von Gewichtszunahmen. Vermehrte Aktivität erhöht den Verbrauch und die Stoffwechselleistung und kann eine aktive Gewichtskontrolle unterstützen.

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Einfluss von SSRI auf die Libido

Sexuelle Dysfunktionen gelten als mögliche Nebenwirkung bei der Therapie mit SSRI. Zu den Symptomen gehört Impotenz, vorzeitige Ejakulation, Anorgasmie (Störungen des Orgasmus) und eine verminderte oder fehlende Libido. Wie häufig und ausgeprägt diese Nebenwirkungen ausfallen ist maßgeblich abhängig von der Wahl des Präparates.
Sexuelle Dysfunktion kann, muss aber nicht bei jedem Behandelten auftreten. Treten die genannten Symptome auf, kann ein Wechsel zu einem anderen SSRI angeraten sein. 

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Welche SSRI Wirkstoffe gibt es?

Unter den SSRI gibt es einige oft verschriebene Wirkstoffe. Hierzu zählen Sertalin, Paroxetin, Fluoxetin und Fluvoxamin.
Fluoxetin und Fluvoxamin, welche als Fluctin® und Fevarin® vertrieben werden, haben starke Nebenwirkungen und werden daher wenn möglich selten verschrieben. Wenige Nebenwirkungen und eine gute therapeutische Breite weist Sertalin auf. Sertalin wird als Zoloft® verkauft.

Zoloft® beziehungsweise sein Wirkstoff, das Sertalin ist das am stärksten wirksame SSRI. Es hat allerdings vergleichsweise wenig Nebenwirkungen und interagiert mit anderen Medikamenten ebenfalls nur selten. Diese Eigenschaften machen Sertalin zu einem häufig verschriebenen SSRI. Der Wirkstoff wird nicht nur bei Depressionen, sondern auch beim Borderline Syndrom und Panikattacken angewandt.

Paroxetin wird als Seroxat® vertrieben, der Wirkstoff verursacht jedoch deutlich mehr Nebenwirkungen als Sertalin und beeinflusst einige andere Medikamente in ihrer Wirksamkeit. So ist zum Beispiel bei gleichzeitiger Einnahme von Paroxetin und hormonellen Verhütungsmitteln, das Risiko gegeben, dass die Kontrazeptiva (Verhütungsmittel), etwa die Antibabypille, nicht mehr wirken.

Fluoxetin wird in Tablettenform als Fluctin® eingenommen, das Medikament entfaltet seine volle Wirkung erst nachdem es in der Leber einer Umbaureaktion ausgesetzt war.
Fluvoxamin löst zwar viele Nebenwirkungen aus, sexuelle Dysfunktion wird durch diesen Wirkstoff trotz allem nur sehr selten ausgelöst.

Bei gleichzeitiger Einnahme von SSRI und anderen Medikamenten sollte man sich stets bei seinem Arzt über mögliche Wechselwirkungen informieren. Besondere Vorsicht ist bei Einnahme von SSRI und Hemmstoffen der Monoaminoxidase (MAO) geboten, da beide Medikamente gemeinsam vielfältige Wechselwirkungen nach sich ziehen.

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Citalopram

Citalopram, ein weiterer SSRI Wirkstoff, wird oft verschrieben. Medikamente, die Citalopram enthalten, interagieren nur schwach mit anderen Arzneimittel, auch die Nebenwirkungen fallen im Vergleich zu anderen Wirkstoffen gering aus. Trotzdem treten unerwünschte Effekte wie übermäßiges Schwitzen, Durchfall oder Müdigkeit nicht selten auf. Auch Geringe Mengen Alkohol in Verbindung mit Citalopram haben kaum Nebenwirkungen. Die Wirkung von Citalopram tritt erst nach ein bis zwei Wochen ein, daher eignet sich das Medikament vor allem zur langfristigen Therapie.

Eingesetzt wird Citalopram hauptsächlich bei Depressionen, Angststörungen und Panikattacken. Angewendet wird der Wirkstoff zumeist als Filmtablette, welche einmal täglich eingenommen werden muss. Citalopram ist rezeptpflichtig und muss deshalb von einem Arzt verschrieben werden.

Medikamente mit Citalopram sollten wie andere SSRI auch nicht eigenmächtig abgesetzt werden, da die Dosis langsam verringert werden muss. Ansonsten kann es zum Auftreten teils schwerwiegender Entzugserscheinungen kommen.

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Mirtazapin

Mirtazapin wird als Wirkstoff ebenfalls in antidepressiv wirkenden Medikamente eingesetzt. Dieser Wirkstoff gehört jedoch nicht zur Gruppe der SSRI, vielmehr handelt es sich hierbei um einen Alpha2-Rezeptor Blocker.
Alpha2-Rezeptor Blocker wirken auf die gleichnamigen Rezeptoren. Diese befinden sich an der Präsynapse und wirken normalerweise hemmend auf die Signalweitergabe an der Synapse. Für gewöhnlich unterbinden die alpha2 Rezeptoren also die Ausschüttung von Botenstoffen an der Synapse. Unterbricht man diesen hemmenden Mechanismus, werden folglich vermehrt Überträgerstoffe ausgeschüttet, es kommt zur stärkeren Signalfortleitung. Mirtazapin zählt zu den neueren Alpha2-Rezeptor Blockern.
Sein günstiges Nebenwirkungsprofil macht es zu einem häufig verschriebenen Wirkstoff.

Unerwünschte Wirkungen, die dennoch auftreten sind Erscheinungen wie starke Müdigkeit, das Restless-legs-Syndrom, Gewichtszunahme und Blutarmut.
Eine schwerwiegendere Komplikation bei der Behandlung mit Mirtazapin stellt die Agranulozytose dar. Dies bedeutet ein starke bis totale Abnahme der Granulozyten (Granulozyten zählen zu den weißen Blutkörperchen) im Blut. Auswirkungen sind unter anderem Fieber und ständige bakterielle Infektionen. Mirtazapin kann in verschiedenen Formen verabreicht werden.

Im ambulanten Bereich außerhalb der Klinik wird Mirtazapin als Film- oder Schmelztablette verschrieben, innerklinisch kann es auch als Infusion verabreicht werden. Im Gegensatz zu den SSRI beginnt Mirtazapin bereits nach ungefähr einer Woche zu wirken, den Patienten geht es rasch besser, was die Bereitschaft das Medikament regelmäßig einzunehmen stark erhöht.

Wechselwirkungen mit anderen Wirkstoffen

SSRI und Tramadol

Bei Tramadol handelt es sich um einen Arzneistoff zur Therapie mäßig starker bis starker Schmerzen. Es gehört zur Gruppe der Opiode und ist verschreibungspflichtig, fällt in Deutschland aber nicht unter das Betäubungsmittelgesetz.

Bei der gleichzeitigen Einnahme von Tramadol und SSRI kann es zu schwerwiegenden Wechselwirkungen kommen. Durch eine Anhäufung des Neurotransmitters Serotonin kann das sogenannte Serotoninsyndrom ausgelöst werden. Dabei handelt es sich um eine bis zu lebensbedrohlichen Wechselwirkung von serotoninerhöhenden Arzneimitteln.
Zu den Symptomen gehört Blutdruck- und Pulsanstieg, Schwitzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Kopfschmerzen, eine schnelle Atmung und Dilatation (Erweiterung) der Pupillen. Daneben kann innere sowie körperliche Unruhe auftreten, sowie Halluzinationen, Koordinationsstörungen oder Störungen des Bewusstseins.
In einigen Fällen kann es zu Muskelzuckungen und Krampfanfällen kommen. Ebenfalls diskutiert wird das Auftreten suizidaler Gedanken im Zusammenhang mit dem Serotoninsydrom.

Zur Behandlung des Serotoninsydroms müssen alle serotonergen Arzneimittel abgesetzt werden, zudem kann es erforderlich sein die Symptome medikamentös zu behandeln.

SSRI und Alkohol

Alkohol und SSRI sind generell eine sehr ungünstige Kombination, da SSRI die Wirkung von Alkoholika massiv verstärken können. Bekannte Auswirkungen von Alkoholkonsum wie Schwindel, Übelkeit, Bewegungsunsicherheit werden dann möglicherweise so stark, dass es zum totalen Kontrollverlust oder zur Bewusstlosigkeit kommen kann.
Außerdem sollte Alkohol auch im Hinblick auf die Nebenwirkungen der SSRI vermieden werden. Da die Medikamente ohnehin schon eine erhöhte Blutungsneigung auslösen können und häufiger Alkoholkonsum sich ebenfalls negativ auf die Blutgerinnung auswirkt, kann es unter Alkoholkonsum bei gleichzeitiger Einnahme von SSRI zu gefährlichen Magen- oder Darmblutungen kommen. Blutungen dieser Art bringen Symptome wie Bluterbrechen oder blutige Stühle mit sich. Magen-Darmblutungen sind als potentiell lebensbedrohlicher Notfall einzustufen die sofortiger Behandlung bedürfen.

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SSRI und Pille

Bei dem vielerprobten SSRI Citalopram sind keine Interaktionen mit oralen Kontrazeptiva zur Verhütung bekannt. Auch andere SSRI geben keinen Hinweis auf eine Wirkabschwächung hormoneller Kontrazeptiva, da sie in der Regel über ein anderes Enzym der Leber verstoffwechselt werden.

Im Gegensatz zu den SSRI allerdings kann Johanniskraut, das bei leichten bis mittelschweren Depressionen zum Einsatz kommt, die Wirkung der Pille abschwächen. Dies liegt daran, dass Johanniskraut das für die Verstoffwechslung von Kontrazeptiva zuständige Enzym beeinflusst und so ein Verlust der empfängnisverhütenden Wirkung hervorrufen kann.

Patienten, die wegen Depression in Behandlung sind, sollten mit ihrem Frauenarzt die empfängnisverhütende Therapie ausführlich besprechen.

In unserem nächsten Artikel finden Sie weitere Informationen zu Wechselwirkungen der Pille mit anderen Wirkstoffen: Welche Medikamente beeinflussen die Wirkung der Pille?

SSRI absetzen

Abruptes Absetzen von SSRI ist generell nicht zu empfehlen. Der Körper ist während der Einnahme von SSRI an einen recht konstanten Serotoninspiegel gewöhnt. Setzt ein Patient das Medikament ganz plötzlich ab, fällt auch der Serotoningehalt sehr schnell ab.
Grund dafür sind die kurzen Halbwertszeiten der Medikamente. Als Halbwertszeit bezeichnet man die Zeit, die benötigt wird, bis noch genau die Hälfte der Anfangsdosis eines Medikaments im Körper vorhanden ist. SSRI haben häufig geringe Halbwertszeiten, das heißt, sie werden rasch abgebaut. Fällt der Serotoninspiegel in kurzer Zeit ab, hat der Körper keine Chance den Verlust an Botenstoff durch vermehrte Produktion auszugleichen.
Folgen eines zu schnellen Absetzens sind unter anderem Müdigkeit, Verdauungsstörungen, Muskelzuckungen oder Schwindel.

Gravierender sind aber die Folgen für den psychischen Zustand der Patienten. Da SSRI oft depressiven Patienten verschrieben werden, verschlechtert sich der Zustand dieser Patienten oft schlagartig.
Depressive haben generell einen erniedrigten Serotoningehalt. Kommt es jetzt zu einer weiteren Verminderung des Serotonins, weil die SSRI abgesetzt wurden und der Körper sich nicht schnell genug umstellen und die Serotoninproduktion heraufregulieren konnte, kann das weitreichende Folgen haben.
Es kann zu starken Stimmungsschwankungen kommen bzw. zu einer extremen Verschlechterung der Stimmung im allgemeinen. Die stark depressive Stimmung kann zu Suizidgedanken führen und im schlimmsten Fall sogar im Selbstmord enden.

SSRI sollten aus diesem Grund nicht eigenmächtig, sondern nur nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt abgesetzt werden. Zudem empfiehlt sich eine langsame, kontinuierliche Reduktion der Dosis, ein sogenanntes ausschleichen der Medikation.
Der Körper hat dann die Zeit sich an die sinkende Serotoninmenge zu gewöhnen und die eigene Serotoninproduktion anzuregen.

Was ist ein Absetzsyndrom?

Als Absetzsyndrom werden die beim Absetzen von SSRI auftretenden Symptome bezeichnet. Dies tritt vor allem bei dem plötzlichen Absetzen des Medikamentes auf, besonders nach einer Langzeittherapie mit SSRI. Um das Auftreten eines Absetzsyndroms zu verhindern, muss das Medikament über mehrere Wochen ausgeschlichen werden.

Zu den möglichen Entzugserscheinungen gehören Verdauungsstörungen wie Durchfall oder Verstopfung, körperliches Unwohlsein, Schlafstörungen, Empfindungsstörungen, Schwindel, Kreislaufbeschwerden, sexuelle Dysfunktion und Tics. Auch Stimmungsschwankungen, Manien und Depressionen können vorkommen, sowie das Auftreten von Suizidgedanken.

Prophylaktisch sollten SSRI deshalb immer ausgeschlichen werden, in der Akuttherapie von Entzugserscheinungen helfen auch Benzodiazepine.

Alternativen zu SSRI

Antidepressiva können schwerwiegende Nebenwirkungen aufweisen, die einen Wechsel erfordern. Zu der Klasse der Antidepressiva gehören neben den SSRI die sogenannten Trizyklischen Antidepressiva. Wirkstoffe dieser Gruppe sind unter anderem Amitriptylin, Imipramin, Clomipramin und weitere. Sie gelten allerdings aufgrund ihrer zahlreichen Nebenwirkungen nicht mehr als erste Wahl in der Therapie von Depressioen.

Weitere Alternativen sind die Selektiven Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI, Bsp. Reboxetin). Dopamin-Wiederaufnahmehemmer (DRI, Amineptin) sind heutzutage nicht mehr auf dem Markt.
Von Bedeutung dagegen sind Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI, darunter Venlafaxin und Duloxetin). Bupropion, ein Wirkstoff aus der Klasse der Selektiven Noradrenalin-/Dopamin-Wiederaufnahmehemmer gilt ebenfalls als Alternative zu den SSRI.

Eine weitere große Gruppe sind daneben die Monoaminooxidasehemmer, kurz MAOI genannt. In der Behandlung von Depression sind nichtselektive MAO-Hemmer wie Tranylcypromin von Bedeutung. Hierbei müssen die Patienten auf eine strikte tyraminarme Diät achten, da es bei dem Verzehr einiger Lebensmittel zu schweren Nebenwirkungen kommen kann.

Einnahme in Schwangerschaft und Stillzeit möglich?

Frauen, die SSRI einnehmen und eine Schwangerschaft planen, sollten unbedingt Rücksprache mit ihrem Frauenarzt und Arzt halten. Zur Sicherheit von SSRI bei Schwangerschaften gibt es verschiedene Angaben, im Vergleich zu anderen Antidepressiva werden SSRI als relativ unbedenklich eingeschätzt. Ein Absetzen der Medikamente sollte nur in Absprache mit dem Facharzt erfolgen.

Über die Muttermilch wird das gestillte Kind dem Wirkstoff der SSRI ausgesetzt, jedoch weniger als den alternativen Antidepressiva. Auch bei stillenden Müttern gelten SSRI generell als relativ sicher, hier sollte wiederum im Einzelfall entschieden werden. In Fällen von schwerer Depression überwiegt der Vorteil der Behandlung wahrscheinlich den Nachteilen der Medikamente für die Mutter und das gestillte Kind. Weil am besten erprobt, gehört Citalopram zu den SSRI der Wahl bei Schwangerschaft und Stillzeit.

Welche Arzneimittel dürfen in der Schwangerschaft oder Stillzeit genommen werden und welche sollten gemieden werden? Lesen sie mehr hierzu unter:

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 30.06.2016 - Letzte Änderung: 22.10.2021