ADS und Familie

Die Mithilfe der Familie bei Kindern mit ADS ist unerlässlich. Dies liegt nicht nur darin begründet, dass eine mögliche Ursache der Ausbildung eines ADS auch durch einen inkonsequenten Erziehungsstil verstärkt werden kann. Vielmehr sind Eltern immer auch direkte Bezugspersonen und Personene des Vertrauens, mit denen gemeinsam Therapiebestandteile weiter geübt und verstärkt werden können. Eltern sollten stets unterstützend Helfen und durch direkten Kontakt mit den Therapiepartnern auch vermittelnd tätig werden.

ADS und Familie

Synonyme im weiteren Sinne

Hyperkinetisches Syndrom (HKS), Psychoorganisches Syndrom (POS), Aufmerksamkeitsdefizitstörung, Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, Zappel - Philipp - Syndrom, Zappelphilipp, Hyperaktivitätssyndrom, Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, ADHS, Fidgety Phil, Verhaltensstörung mit Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörung, minimal brain syndrome, Attention - Deficit - Hyperactivity - Disorder (ADHD), Attention-Deficit-Disorder (ADD).

Beschreibung

Die Darstellung typischer ADS - Symptome zeigt bereits, dass die Verhaltensweisen und die daraus resultierenden Konsequenzen streckenweise eine starke Belastung für Eltern und die ganze Familie sein können. Andererseits können Eltern und andere Familienmitglieder dem ADS - Kind aber auch gezielte Hilfe bieten.

ADS - Kinder benötigen eine auf sie abgestimmte Therapie, die aus verschiedenen Bestandteilen bestehen kann. Niemals sollte eine Diagnose eines ADS dazu führen, dass “endlich die Ursache” für viele Probleme gefunden wurde, niemals sollten Sie Verhaltensweisen “einfach so” hinnehmen.
Gerade wenn ein Aufmerksamkeitsdefizit diagnostiziert wurde, sollten Sie sich intensiv mit den unterschiedlichen Therapieformen beschäftigen und gezielt - gemeinsam mit dem behandelnden Arzt - ein individuelles, multimodales Therapiekonzept ausarbeiten. Dabei muss multimodal nicht gleichgesetzt werden mit “sehr vielen” Therapien. Multimodal fordert eher eine gute, individuelle Passung. Immer bedeutet eine individuelle, multimodale Therapie allerdings: Die Unterstützung seitens der Familie muss vorhanden sein!
Wird eine medikamentöse Therapie notwendig sein, liegt die Unterstützung beispielsweise darin, dass dafür gesorgt werden muss, dass Medikamente rechtzeitig und kontinuierlich eingenommen werden.
Werden psychotherapeutische oder heilpädagogische Therapieformen angedacht, so müssen grundlegende, neu erlernte Inhalte immer wieder mit dem behandelnden Therapeuten besprochen werden. In der Regel bedürfen neu erlernte Inhalte der häuslichen Umsetzung, Übung und Festigung.
Hier wird auch deutlich, dass nicht nur das Kind, sondern auch dessen Eltern ein Vertrauensverhältnis zum behandelnden Arzt, Psychologen, Therapeuten, etc. besitzen müssen. Nur wenn Vertrauen als Basis vorhanden ist, kann eine Umsetzung funktionieren.

Familiäre Häufung

Wie bereits unter Ursachen des ADS beschrieben wurde, lässt sich eine familiäre Häufung in manchen Familien feststellen. Entsprechend der Diskussion: “Wer war zuerst da: Die Henne oder das Ei?”, bildeten sich zwei kontroverse Meinungen. So mach(t)en einige die Erziehung für die Problematik verantwortlich, während andere ausschließlich den genetischen Standpunkt als Erklärungsmodell für sich anerkannten.

Probleme durch falsche Erziehung
oder
falsche Erziehung aufgrund der Probleme?

Heute weiß man, dass im Falle eines eindeutig diagnostizierten ADS die Erziehung als einzige Ursache nicht anerkannt werden kann. Trotz allem spielt die Erziehung im Falle eines ADS eine bedeutende - und im Falle der Therapie sogar eine tragende - Rolle.

Familientherapie

Als psychotherapeutische Behandlungsform geht die Familientherapie in die ADS - Therapie mit ein. Sie impliziert die Einbindung der gesamten Familie eines ADS - Kindes und sichert in gewisser Weise den angemessenen Umgang mit dem Syndrom auch im häuslichen Umfeld. Eine Familientherapie kann unter anderem auch dann ratsam werden, wenn die Begleiterscheinung des ADS die Familie allzusehr belasten. Das Ziel einer Familientherapie besteht darin, eingeschliffene Verhaltensmuster aufzugreifen und gegebenenfalls umzugestalten, so dass eine Verbesserung der interfamiliären Beziehungen, also eine Verbesserung der Beziehungen untereinander erreicht werden kann.

Die Veränderungen der Verhaltens- und Beziehungsmuster, welche im Rahmend der Familientherapie angestrebt werden, wirken sich vor allem beim Patienten positiv auf das Gesamtbefinden aus. Hier geht es nicht darum, die eigentlichen Ursachen zu behandeln, sondern im Sinne einer ganzheitlichen Therapie die Begleiterscheinungen zu therapieren um dem Patienten die größtmögliche Chance zu geben aus dem Teufelskreis herauszutreten. Die Verbesserung der innerfamiliären, zwischenmenschlichen Beziehungen soll Ruhe, Struktur und Klarheit in die Gesamtsituation und somit in den Alltag hinein tragen. Diese Struktur ist wichtig für Kinder, die unter einem Aufmerksamkeitsdefizit leiden, da sie nur durch die Strukturiertheit die Chance bekommen, alles Stück für Stück und der Reihe nach zu ver- und zu bearbeiten. Reizüberflutungen und übermäßiger Stress sind dabei völlig fehl am Platz.

Eltern und ADS

Um sich - wie vielfach erwähnt - als “Coach” eines ADS - Kindes zu bezeichnen, müssen die eigentlichen Probleme (des Kindes) analysiert und bewertet werden. Da darüber hinaus auch jede Problematik als solches individuell ist und es mit Sicherheit nicht nur mit der häuslichen Förderung getan ist, muss zum einen jede Therpie individuell gestaltet sein. Deswegen kann hier nicht die Auflistung einzelner elterlicher Maßnahmen erfolgen. Nachfolgend erhalten Sie einige Tipps zum elterlichen Umgang mit ADS.

  • Kritische Beurteilung der Situation

Da das kindliche Verhalten über einen Zeitraum von etwa sechs Monaten beobachtet werden soll und dabei geholfen werden soll, dass ADS auch nur dann diagnostiziert wird, wenn das Kind das entsprechende Verhalten über einen gewissen Zeitraum (ca. sechs Monate) und in mehreren Lebensbereichen immer wieder bemerkbar macht. Stellen Sie sich daher zunächst einmal folgende Fragen:

  1. Welche Situationen lösen das Verhalten meines Kindes aus?
  2. Gibt es Dinge, die ich an meinem Kind positiv bewerte?
  3. Gibt es eigentlich klare Regeln zu Hause? Achte ich dabei wirklich auf die Einhaltung derselben?

Es erfolgt primär eine persönliche Einschätzung der Situation sowie eine Analyse aller Stress auslösenden Faktoren. Gemeinsam mit einer Beratungsstelle und / oder gemeinsam mit dem behandelnden Arzt können erste Schritte eingeleitet werden.
Dabei wird eine "Anleitung" entwickelt, die definiert, welche Regeln gelten und welche Maßnahmen ergriffen werden sollen.

MERKE:

  • Eltern müssen der Therapie mitarbeiten und sind für das Gelingen mitverantwortlich.
  • Formulieren klarer und verständlicher Regeln, die gemeinsam mit dem Kind besprochen werden und darauf abzielen, das gezeigte Verhalten zu verbessern und zu verändern.
  • Loben Sie und unterstützen Sie Ihr Kind - wann immer möglich!
  • Setzen Sie sich die Kooperation aller an der Erziehung beteiligten als Ziel um kindliche Verwirrung im Sinne von: “hmmm, dort darf ich tun, was ich da nicht kann...” voraus.

Förderung im häuslichen Umfeld

Es wäre zu einfach und somit leuchtet es auch schnell ein: Eine Therapie kann nicht bei einem Therapeuten anfangen und / oder sich über die Einnahme von Tabletten alleine regeln. Diese genannten Maßnahmen bilden mit anderen Maßnahmen zusammen die Eckpfeiler, sozusagen das Gerüst. Das häusliche Umfeld und die dort ergriffenen Maßnahmen, die den Umgang mit ADS erleichtern sollen, sind ein wesentlicher Bestandteil der (Mit-)gestaltung der Therapie, wodurch den Eltern und ihrer Förderung des ADS - Kindes im häuslichen Umfeld eine sehr wichtige Aufgabe zuteil wird.
Da diese Aufgabe auch sehr schwierig sein kann - dies erzählen betroffene Eltern fast immer - wird die familiäre Situation sehr häufig stark belastet. Damit dies nicht (so schnell) geschieht, gibt es verschiedene Institutionen, die den Eltern mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Lesen Sie mehr zu diesem Thema: Erziehungshilfe - Was ist das?

Erziehungsverhalten

Primär gelten bei der Erziehung aufmerksamkeitsdefizitärer Kinder keine anderen Regeln, als bei der Erziehung der Kinder allgemein. Dazu gehören unter anderem:

  1. Das Aufstellen der Regeln.
  2. Das klare und konsequente Einhalten von Regeln.
  3. Lob
  4. Liebe
  5. Zuwendung
  6. Zeit

Nachfolgend noch einige Anmerkung zur kindlichen Erziehung generell, unabhängig davon ob ein Aufmerksamkeitsdefizit vorliegt oder nicht.:

  • Nicht alles, was ein Kind gerne haben möchte, muss es zwangsläufig auch erhalten!
  • Ein klarer, bestimmter Umgang ermöglicht es dem Kind nachzuvollziehen, woran es ist.
  • Wechselhaftes Verhalten seitens der Erwachsenen, darunter fällt auch: Uneinigkeit im Erziehungsstil der Eltern, verwirrt das Kind. Es wird dies früher oder später auszunutzen wissen!
  • Lassen Sie Ihr Kind alles das selbst tun, was es selbstständig tun kann. Nehmen Sie ihm die Aufgaben nicht ab! Helfen Sie nur, falls Hilfe erforderlich ist. Ein Kind wächst an solchen Aufgaben.
  • Kleine Wehwechen und Zimperlein erfordern keiner besonderen Beachtung. Beachten Sie solche Kleinigkeiten nicht zu sehr, sonst wird jede “Kleinigkeit” zum großen Drama!
  • Loben Sie ehrlich. Ihr Kind wächst durch Lob, allerdings muss es ehrlich gemeint sein und nicht bei jeder Kleinigkeit erfolgen. Es wird dann wertlos.
  • Kritisieren Sie, wenn Kritik angebracht ist. Achten Sie dabei auf einen netten Ton. NICHT: “Wie sieht das denn aus!!! Das kannst du ja wohl besser!”, SONDERN: “Schau mal, hier kannst du das vielleicht besser machen, indem du ...”
  • Versuchen Sie, auf Fragen ehrlich und aufrichtig zu antworten. Erklären Sie, wo immer Erklärungen gefordert werden.
  • Je nach Beruf der Eltern und Anzahl der Geschwister kann die Zeit manchmal knapp sein. Unabhängig davon kommt es immer darauf an, wie effektiv man Zeit zu nutzen lernt. Ihr Kind hat nichts von Ihnen, wenn es in der Zeit, in der sie für das Kind Zeit haben, fern sieht. Ein gemeinsames Spiel, eine vorgelesene Geschichte, ein gemeinsames Kuscheln, etc. spiegelt gut genutzte Zeit wieder. Dann ist es auch nicht schlimm, wenn mal weniger Zeit da ist. Ihr Kind weiß dann, dass es von Ihnen geliebt wird und Sie auch gerne Zeit mit Ihrem Kind verbringen.
  • Durch Fehler lernt man! Gestehen Sie Ihrem Kind zu, Fehler machen zu dürfen, helfen Sie gezielt bei “großen” Problemen und dabei, aus “Schlamasseln” wieder rauszukommen.
  • Fordern Sie Entschuldigungen von Ihrem Kind, wenn es sich nicht richtig verhalten hat. Sollten Sie ungerecht gewesen sein, gilt das in gleicher Weise auch für Sie!
  • Versuchen Sie nicht, Fehler, falsches Verhalten, etc. “oberlehrerhaft” zu klären. Erklären Sie vielmehr, weshalb Sie enttäuscht sind und was sie sich statt dieses Verhaltens lieber gewünscht hätten.
  • Lassen Sie Ausraster gar nicht zu. Wenden Sie sich ab, wenn Ihr Kind auf emotionaler Ebene gegen Sie “schießt” und wettert. Es ist hart für ein Kind, in einer solchen Extremsituation erst einmal stehen gelassen zu werden. Dennoch: Lassen Sie es sich abreagieren. Mit kühlem Kopf redet es sich besser!

Erziehungsberatung

Prinzipiell kann eine Erziehungsberatung immer dann in Anspruch genommen werden, wenn Eltern merken, dass sie mit ihren Problemen nicht mehr alleine klar kommen und somit ganz einfach nicht mehr weiter wissen. Aufgrund der geltenden Gesetzeslage ist die Beratung an solchen Institutionen aufgrund des elterlichen Rechtsanspruches auf Erziehungsberatung derzeit kostenlos. Nachzulesen ist dies im Kinder- und Jugendhilfegesetz an entsprechender Stelle.

Wie bereits erwähnt, können immer dann Erziehungsberatungsstellen zur Rate gezogen werden, wenn Eltern “mit ihrem Latein am Ende” sind und - egal in welcher Hinsicht - in Erziehungsfragen nicht mehr weiter wissen. Demzufolge haben die Erziehungsberatungsstellen in der Regel ein sehr breites Feld abzudecken um Eltern kompetent mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

Das Aufsuchen von Erziehungsberatungsstellen kann auch bei Kindern mit ADS nötig werden, in den meisten Fällen ist dies sogar sehr ratsam. Eine Beratung basiert in der Regel auf einem Erstgespräch, in dessen Rahmen über Beobachtungen, das Problem an sich und eventuelle ursächliche Vermutungen gesprochen wird. Bitte seien Sie immer ehrlich und beschönigen sie nichts. Wenn man Ihnen und Ihrer Familie helfen soll, so ist dies in der Regel nur dann ausreichend möglich, wenn ausreichende und gezielte Informationen heraus gegeben werden. Haben Sie keine Angst davor, dass vertrauliche Informationen nach außen getragen werden. Erziehungsberater sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Nur wenn Sie zustimmen ist ein Austausch mit anderen an der Erziehung der Kinder beteiligten Institutionen überhaupt möglich. Denken Sie aber immer daran - besonders dann, wenn Sie sich die verschiedenen Therapiemöglichkeiten ansehen: Eine Therapie kann nur dann wirklich erfolgreich werden, wenn ALLE an der Erziehung beteiligten an einem Strang ziehen, die Therapie also “mehrgleisig” (multikonditional, multimodal) angelegt wird.

Je nach zugrunde liegendem Problem kann sich über das Erstgespräch hinweg eine ausführliche Diagnostik als wichtig, bzw. unabdingbar erweisen. Dazu zählen neben den klassischen Testverfahren auch psychologische Untersuchungen. Denken Sie aber immer daran: Dies sind nur einzelne Bausteine, die zusammen getragen werden um eine ganzheitliche Therapie zu “bauen”. Die Diagnose als solche wird im Endeffekt vom behandelnden Kinderarzt ausgesprochen.

Generell ist abschließend noch zu erwähnen, dass nahezu alle Bereiche mit einer Erziehungsberatungsstelle, bzw. -anlaufstelle abgedeckt sind. In der Regel werden Sie von caritativen Organisationen (Arbeiterwohlfahrt, Jugendamt, Caritasverband, ...)angeboten.

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Autor: Dr. N. Gumpert Veröffentlicht: 12.05.2007 - Letzte Änderung: 02.03.2022