Thrombophilie

Definition

Unter einer Thrombophilie versteht man eine erhöhte Neigung zur Entstehung von Blutgerinnseln in den Blutgefäßen, also in den Arterien und Venen.
Diese Gerinnsel sind fachsprachlich auch als Thrombosen bekannt. Der Thrombophilie können genetisch bedingte, also angeborene oder erworbene Ursachen zu Grunde liegen.

Die Häufigsten werden im nachfolgenden Text vorgestellt.

Symptome & Diagnose

Welche Anzeichen deuten auf eine Thrombophilie?

Die Symptome einer Thrombophilie sind sehr vielseitig und richten sich nach der Position des Gefäßes im Körper, welches durch das gebildete Gerinnsel eingeengt oder verstopft wird.

Meist fällt eine Thrombophilie erst im Rahmen der Untersuchung einer vorhandenen Thrombose oder Embolie auf.
Unter einer Embolie versteht man die Verstopfung einer Arterie, beispielsweise in der Lunge, dem Herzen oder dem Gehirn, in der Regel durch ein Blutgerinnsel mit nachfolgender mangelhafter Versorgung des Gewebes mit Sauerstoff und Nährstoffen.

Des Weiteren sollte auch bei Frauen mit wiederholten Fehlgeburten eine Thrombophilie in Betracht gezogen und entsprechende diagnostische Maßnahmen ergriffen werden. Thrombosen, vor allem solche in den tiefen Venen des Beines, äußern sich durch Schwellungen, Hautverfärbungen, sowie Schmerzen im betroffenen Bein.

Es gibt klinische Hinweise auf das Vorhandensein einer Thrombophilie, wie eine häufige und immer wiederkehrende Neigung zur Gerinnselbildung, vor allem im jungen Alter, bekannte Thromboseneigungen in der Familie und die Bildung von Gerinnseln an ungewöhnlichen Positionen, beispielsweise in den Gefäßen des Gehirns, in den Venen des Darms, der Milz, der Leber und der Nieren.

Wie wird eine Thrombophilie diagnostiziert?

Oftmals wird der Verdacht auf das Vorliegen einer Thrombophilie bei vermehrt auftretenden, wiederkehrenden Thrombosen gestellt. Besonders verdächtig ist das Auftreten von Blutgerinnseln vor dem 45 Lebensjahr, sowie das Auftreten bei bereits bekannten Thromboseneigungen in der Familie. Auf diesem Verdacht basieren weitere diagnostische Maßnahmen, anhand derer versucht wird, die Ursache für die Thrombophilie zu finden. Zudem werden Untersuchungen durchgeführt, mit dem Hintergrund herauszufinden, wo sich bereits überall Blutgerinnsel gebildet haben könnten, um so die bestmögliche Therapie anstreben zu können.

Ob und gegebenenfalls warum eine vermehrte Gerinnbarkeit des Blutes (Thrombophilie) vorliegt, kann mithilfe bestimmter Labortests herausgefunden werden. Für diese Test muss dem Betroffenen Blut abgenommen werden. Die Tests beinhalten unter anderem die Untersuchung auf das Vorliegen einer möglichen APC-Resistenz, die genaue Untersuchung des Faktor V, sowie des Faktor II (Prothtrombin) auf eine mögliche Mutation, sowie die Bestimmung der Aktivität und gegebenenfalls der Menge von Protein C, Protein S, sowie die von Antithrombin im Blut. (Erklärung APC-Resistenz, Faktor V, Faktor II, Protein C, Protein S, Antithrombin im Abschnitt Ursachen).

Zusätzlich werden auch Antikörper im Blut gesucht, die ein Grund für die erhöhte Gerinnungsneigung sein können. Des Weiteren werden die Gerinnungszeit des Blutes und allgemeine Blutparameter bestimmt. Es ist wichtig, dass in etwa 3-4 Wochen vor der Blutuntersuchung keine gerinnungshemmenden Medikamente, wie beispielsweise Marcumar® oder Heparin eingenommen wurden, da diese die Laborergebnisse verfälschen können.
Die Medikamente sollten jedoch nicht eigenständig, sondern immer in Rücksprache, idealerweise mit dem behandelnden Arzt, abgesetzt werden.

Eine bereits vorhandene Thrombose in den Venen beispielsweise des Beines kann oftmals schon durch die Beurteilung und den Vergleich der Beine im Rahmen einer Untersuchung festgestellt werden. Oftmals wird zur Sicherung der Diagnose zusätzlich ein Ultraschall der Beinvenen durchgeführt, wodurch ein mögliches Blutgerinnsel dargestellt werden kann. Des Weiteren können computertomographische/CT- Untersuchungen, vor allem zum Ausschluss von Embolien sinnvoll sein.

Behandlung

Die beste Therapie, bei bekannter Thrombophilie, ist die Prophylaxe, sprich der Entstehung von Thrombosen entgegenzuwirken.

Dies gelingt am besten, wenn man die Risikofaktoren für deren Entstehung kennt und dementsprechend, vor allem durch gesundheitsbewusstes Verhalten, vorbeugt.
Ganz besonders wichtig ist die Vorbeugung für Menschen, die ein angeborenes Risiko (siehe Abschnitt „Ursachen“) für die Entstehung von Thrombosen besitzen. Sind bei diesen zudem noch bestimmte, so genannte erworbene Risikofaktoren vorhanden, beziehungsweise setzen sich die betroffenen Patienten bewusst diesen Faktoren aus, die die Entstehung von gefährlichen Blutgerinnseln selbst bei gesunden Menschen steigern, steigt die Wahrscheinlichkeit für eine Thromboseereignis stark an.
Zu diesen Risikofaktoren zählen:

  • Rauchen
  • Übergewicht
  • hohe Cholesterinwerte
  • Einnahme der Antibabypille
  • Hormoneinnahme in den Wechseljahren
  • geringe Flüssigkeitsaufnahme
  • Krampfadern (Varizen)
  • Operationen, vor allem große orthopädische Eingriffe
  • Bewegungsmangel im Krankenbett oder während einer Reise beispielsweise in Auto, Bus, Flugzeug,
  • akute Infektionen
  • Tumorerkrankungen
  • Schwangerschaft/Wochenbett.

Einige Risikofaktoren können allerdings reduziert und somit der Entstehung von Thrombosen gezielt entgegengewirkt werden. Dies gelingt beispielsweise durch den Verzicht auf Zigaretten, eine Diät bei vorhandenem Übergewicht und der Vermeidung von langem Sitzen.
Bei langen Reisen sollte auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, sowie auf ausreichend Bewegung während der Fahrt oder dem Flug geachtet werden.

Bei längeren und häufigen Flugreisen sind zudem speziell angefertigte Thrombosestrümpfe empfehlenswert. Eine spezifische, vor allem medikamentöse Therapie richtet sich nach dem momentanen Zustand und den Vorerkrankungen des Betroffenen, sowie nach dem Grund für die Thrombophilie, insofern ein solcher gefunden werden konnte.

Ziel einer medikamentösen Therapie ist es, das Blut weniger gerinnungsfähig zu machen und so der Entstehung von Thrombosen entgegenzuwirken. Am häufigsten gelingt dies im Falle der Thrombophilie mit dem so genannten Marcumar® (Wirkstoff Phenprocoumon). Marcumar® wird als Tablette eingenommen. Im Körper fungiert es als Gegenspieler zum Vitamin K. Vitamin K wiederum ist wichtig für die Regeneration von Gerinnungsfaktoren.

Da die Gerinnungsfaktoren folglich nicht regeneriert und so wieder einsatzfähig gemacht werden können, nimmt die Gerinnbarkeit des Blutes ab. Als alternatives Medikament kann eine langfristige Therapie mit Heparin erfolgen. Beim Vorliegen einer bekannten Heparin-induzierten Thrombozytopenie (siehe Abshnitt „Ursachen“) ist dies jedoch kontraindiziert.

Ob die gerinnungshemmende Therapie dauerhaft oder nur über einen bestimmten Zeitraum erfolgen soll, richtet sich nach der Ursache der Thrombophilie, Anzahl, Lokalisation und Schwere bereits stattgehabter Thrombosen und/oder Embolien, sowie gegebenenfalls anstehenden, geplanten Operationen und/oder einer vorliegenden Schwangerschaft.

Eine dauerhafte gerinnungshemmende Therapie sollte vor allem bei einem bekannten Antiphospholipidsyndrom, beim Antithrombinmangel, sowie bei immer wiederkehrenden, spontanen Gefäßverschlüssen durch entstandene Blutgerinnsel angestrebt werden.

Frauen sollten auf die Einnahme der Antibabypille verzichten. Falls eine blutverdünnende Therapie, beispielsweise mit Marcumar®, durchgeführt wird, besteht jedoch für die Patientin, in Absprache mit ihrem Arzt, die Möglichkeit die Antibabypille weiterhin einzunehmen.

Ursachen

Wie bereits erwähnt kann die Thrombophilie genetische, also angeborene und/oder erworbene Faktoren als Ursache besitzen. Im nachfolgenden werden die wichtigsten vorgestellt.

APC–Resistenz/Faktor-V -Leiden

Gerinnungsfaktor V (sprich fünf) ist ein wichtiger Bestandteil unseres Gerinnungssystem.
Genauer gesagt ist es Bestandteil einer sogenannten Gerinnungskaskade, die letzten Endes dazu führt, dass die Blutplättchen, die so genannten Thrombozyten fest verklumpen und so eine mögliche Wunde schnell und stabil verschließen können.

Es ist jedoch nicht nur wichtig, dass die Gerinnselbildung komplikationslos ablaufen kann. Mindestens genauso wichtig ist es, dass entsprechende Gerinnungsfaktoren, so auch Faktor V inaktiviert, also abgebaut werden können, da es sonst ungehemmt und an nicht vorgesehenen Stellen zur Bildung von Blutgerinnseln, also Thrombosen kommen kann.

Man spricht dann von der Erkrankung Thrombophilie. Für die Inaktivierung von Gerinnungsfaktor V ist das so genannte aktivierte Protein C (APC) verantwortlich. Im Falle der APC-Resistenz ist der Gerinnungsfaktor V mutiert; man spricht von einer Faktor-V-Leiden-Mutation.
Durch diese Mutation ist Faktor V widerstandsfähig, also resistent gegenüber dem aktivierten Protein C und kann nicht inaktiviert werden, mit entsprechenden Folgen.

Vor allem bei jüngeren Patienten zwischen 20-40 Jahre ist eine APC-Resistenz für bis zu 30% der Thrombosen als Ursache zu finden.
Das Risiko einer Thrombose steigt bei Frauen mit vorhandener Mutation zusätzlich immens bei der Einnahme oraler Antikontrazeptiva, wie beispielsweise der Pille (siehe: Thromboserisiko der Pille).

Protein- C- und Protein-S- Mangel

Protein C und S sind körpereigene Hemmstoffe der Blutgerinnung, sprich der Gerinnselbildung.
Sie spalten und inaktivieren damit bestimmte Gerinnungsfaktoren ( Faktor V/fünf und Faktor VIII/acht) und verhindern so eine übermäßige Thromben-/Gerinnselbildung.
Protein C ist hierbei das spaltende, Protein S das Hilfsenzym. Ein Mangel eines der beiden führt zu einer erhöhten Gerinnbarkeit des Blutes mit nachfolgend vermehrter Entstehung von Blutgerinnseln, also einer Thrombophilie.

Die Mängel können angeboren oder erworben sein.
Ein angeborener, vererbter Mangel ist sehr selten. Die Symptomen machen sich schon sehr früh, teilweise in den ersten Lebenstagen bemerkbar.
Ein erworbener Mangel kann verschiedene Ursachen haben. Die beiden wichtigsten sind zum einen Lebererkrankungen, da alle Gerinnungsfaktoren, aber auch Protein C und S in der Leber hergestellt werden und zum anderen ein erhöhter Verbrauch im Rahmen einer so genannten bakteriellen Sepsis, also einer Blutvergiftung ausgelöst durch Bakterien im Blutkreislauf.

Antithrombin-Mangel

Antithrombin ist wie Protein C und S ein in der Leber gebildeter Hemmstoff der Blutgerinnung. Es inaktiviert verschiedene Gerinnungsfaktoren und hemmt so die Gerinnung und damit die Bildung von Thrombosen. Heparin verstärkt die Wirkung von Antithrombin um das 1000-fache und beschleunigt so die Inaktivierung. Auf diese Weise entfaltet Heparin seine gerinnungshemmenden Eigenschaften.

Prothrombinmutation

Prothrombin ist die Vorstufe des so genannten Thrombins. Thrombin ist ebenfalls ein Gerinnungsfaktor spielt aber zudem eine wichtige Schlüsselrolle im gesamten Gerinnungsablauf, da es in der Lage ist die anderen Gerinnungsfaktoren zusätzlich zu aktivieren und so die Gerinnung und nachfolgend die Gerinnselbildung zu verstärken.

Liegt eine Prothrombinmutation vor, wird mehr Prothrombin gebildet, als der Körper eigentlich benötigt. Im Anschluss kommt es dadurch auch zu einem vermehrten Anfall von Thrombin mit der Folge einer erhöhten Gerinnbarkeit des Blutes und ungehemmter Thrombosenbildung. Die Prothrombinmutation ist nach der APC-Resistenz die zweithäufigste Ursache einer angeborenen, also vererbten Thromboseneigung (Thrombophilie).

Antiphospholipid-Antikörper

Bildet unser Körper Antikörper, also Abwehrstoffe, gegen gesunde Strukturen unseres Körpers anstatt beispielsweise gegen krankmachende Bakterien oder Viren, so spricht man von einer Autoimmunerkrankung. Der Körper greift sich quasi selbst an.
Auch bei den Antiphospholipid-Antikörpern handelt es sich um Autoimmunantikörper. Sie richten sich gegen so genannte körpereigene Phospholipide. Phospholipide sind Fette, die unter anderem in unserem Körper für die Gerinnung eine wichtige Rolle spielen.

Greifen die Antikörper diese Strukturen an, führt dies zur Verklumpung der Gerinnungsplättchen (Thrombozyten) und nachfolgend zu Thrombosen und Embolien. Oftmals können diese Antikörper im Rahmen anderer Autoimmunerkrankungen, wie bei so genannten Kollagenosen, hier besonders bei der Schmetterlingsflechte (Lupus erythematodes) und bei rheumatischen Erkrankungen im Körper gefunden werden. Auch im Zusammenhang mit bösartigen Tumorerkrankungen und Infektionen ist die Entstehung dieser Antikörper möglich.

Heparin-induzierte Thrombozytopenie

Bei dieser Erkrankung kommt es paradoxerweise nach der Gabe von Heparin zunächst zu einer übermäßigen Verklumpung der Blutplättchen mit nachfolgender Verstopfung, vor allem kleiner Arterien und Kapillaren. Heparin bildet mit einem Botenstoff der Gerinnung einen Komplex.
Es kommt zur Entstehung von Autoimmunantikörpern, die an diesem Komplex haften und nachfolgend zu einer Verklumpung der Blutplättchen führen.

Durch den massiven Verbrauch der Blutplättchen kommt es nachfolgend zu einem starken Abfall, was sich wiederum in einer erhöhten Blutungsneigung äußern und eine große Gefahr darstellen kann.
Diese Erkrankung tritt vor allem bei hochdosierten Heparinbehandlungen auf, die länger 5 Tage andauern.

Idiopathisch

Inzwischen kann in 60% der Fälle eine der oben genannten Ursachen als Grund für die erhöhte Gerinnungsneigung gefunden werden. Dies bedeutet aber auch, dass in 40% der Fälle keine eindeutige Ursache für die Beschwerden gefunden werden kann. Man spricht dann von einer idiopathischen Thrombophilie.

Prognose

Liegt ein Gendefekt, wie beispielsweise die Faktor-V-Leiden-Mutation der Thrombophilie zu Grunde, so lässt sich dieser nicht ursächlich behandeln.
Durch rechtzeitiges Erkennen der Erkrankung und anschließende prophylaktische Maßnahmen, wie eine Anpassung des Lebensstils (Sport, Nikotinkarenz, gesunde Ernährung etc.) und eine gerinnungshemmende, medikamentöse Therapie kann die Thrombosegefahr jedoch deutlich gesenkt werden

Weitere Informationen

Epidemiologie

In Europa und Amerika erleiden in etwa 160 Menschen bezogen auf 100.000 Einwohner pro Jahr eine Thrombose in den Venen. Das Risiko steigt mit zunehmendem Lebensalter stark an.

Autor: Dr. Nicolas gumpert Veröffentlicht: 27.05.2015 - Letzte Änderung: 19.07.2023