Schlüsselbeinfraktur beim Kleinkind

Einleitung

Der Schlüsselbeinbruch ist einer der häufigsten Knochenbrüche bei Kindern (ca. 10%). Die Geschlechterverteilung ist nicht ganz ausgeglichen: Jungen machen mit etwa 2/3 den größeren Teil an Patienten aus. Ein Schlüsselbeinbruch kann auf verschiedenste Weisen entstehen. Der Großteil der Brüche kann sehr unkompliziert und ohne operative Eingriffe behandelt werden.

Symptome und Diagnose

Welche Anzeichen deuten auf eine Schlüsselbeinfraktur beim Kind?

Die Symptome bei den Kindern machen sich als leichte bis starke Schmerzen im Bereich der Schulter bemerkbar. Die Bewegung des Arms ist schmerzhaft bis nicht möglich. Der Arm wird meist in Schonhaltung am Körper gehalten.

Bei Bewegungen des Arms nach oben und gegen Widerstand klagt das Kind über Schmerzen und kann die Bewegungen eventuell nicht ausführen.

Weitere Symptome sind Schwellungen im Bereich des Schlüsselbeins, sowie eine Rötung. Blutergüsse im Schulterbereich können ebenfalls auf einen Bruch hinweisen.

Bei Frakturen mit Dislokationen (Verschiebungen) zeigen sich sichtbare Stufen im Schlüsselbein, die sich gegebenenfalls auch wegdrücken lassen.

Ein weiteres Symptom zeigt sich darin, dass das Kind den Kopf leicht auf die verletzte Seite legt, da so weniger Zug auf das gebrochene Schlüsselbein wirkt und so die Schmerzen reduziert werden.

Schmerzen bei einer Schlüsselbeinfraktur

Die Schmerzen bei einer Klavikulafraktur können mitunter sehr stark sein. Durch den Knochenbruch wird die Knochenhaut gereizt, was die Schmerzsymptomatik bedingt. Schmerzlinderung wird bereits durch das Ruhigstellen des Armes erreicht. Dadurch, dass auf die Klavikula kein Muskelzug wirkt, bewegt diese sich nicht und die Frakturenden liegen dicht beieinander, sodass diese Heilen können. Medikamentös kann bei Kindern Schmerzlinderung mit Paracetamol und Ibuprofen erreicht werden. Die Dosierungen der Medikamente müssen dem Körpergewicht des Kindes angepasst werden, weshalb bei erster Gabe Rücksprache mit dem Kinderarzt gehalten werden sollte.

Oft hilft gerade bei Kindern auch die Ablenkung von dem Schmerz. Da Kinder sich leicht durch Spielen oder Lesen ablenken lassen, sollte dies oft wieder versucht werden. Dadurch müssen weniger Schmerzmittel verwendet werden und das Kind ist in einer besseren psychischen Verfassung. Setzt das Kind sich zu früh mit Schmerzen auseinander, kann es im Verlauf zu Somatisierungsstörungen kommen.

Wie wird eine Schlüsselbeinfraktur beim Kind diagnostiziert?

Die Diagnose lässt sich zunächst klinisch anhand von Beschreibungen der Eltern und des Kindes über den Unfallvorgang und die Lokalisation der Schmerzen aufstellen

Durch Betrachtung des Kindes kann der behandelnde Arzt die Diagnose oft gut stellen. Auf der Seite, wo der Schlüsselbeinbruch vorliegt, hält das Kind den Arm meist in einer Schonhaltung. Dabei hat es den Arm eng am Körper angelegt und hält den Unterarm vor dem Bauch mit der anderen Hand fest.

Oft steht die Schulter auf der betroffenen Seite auch sichtbar tiefer.

Bei Frakturen (Brüchen), die ausgeprägter sind, zeigt sich eine Stufenbildung auf dem Schlüsselbein. Diese resultiert aus einem Riss im Bandhalteapparat des Schlüsselbeins. Normalerweise wird das Schlüsselbein durch diese Bänder nach kaudal (unten) gezogen – bei Ruptur dieser Bänder oder einem Bruch der Clavikula, bei dem die Bänder nicht mehr den ganzen Knochen stabilisieren, überwiegt der Zug des M. trapezius an der Clavicula nach kranial (oben). Das stellt sich so dar, dass die Clavicula nach oben disloziert (absteht) und nach kaudal (unten) gedrückt werden kann; das wird als Klaviertastenphänomen bezeichnet.

Ein Schlüsselbeinbruch ist meistens auch für den Arzt tastbar. Dabei kann der Arzt durch strukturiertes Abtasten der Clavicula Unregelmäßigkeiten und Frakturspalte ertasten.

Bei Brüchen bei denen eine Durchspießung der Haut durch den Knochen sichtbar ist, ist die Diagnose oft sehr schnell zu stellen. Aber auch hier sollte eine vollständige klinische Untersuchung erfolgen um mögliche Begleitverletzungen auszuschließen.

Die klinische Untersuchung, die nicht zu vernachlässigen ist, beinhaltet das Abtasten und Begutachten von benachbarten Strukturen (wie Rippen und Schulterblatt). Des Weiteren muss unbedingt ausgeschlossen werden, dass keine Nerven und Gefäße in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Für die weitere Diagnosefindung ist der Ultraschall das Mittel der Wahl. Bei Kleinkindern unter 2 Jahren erweist sich diese Methode meistens als vollkommen ausreichend um einen Schlüsselbeinbruch darzustellen. Bei älteren Kindern und Jugendlichen ist die Durchführung einer Röntgenuntersuchung oder einer Computertomographie meist wichtig, um den Grad der Verschiebung (Dislokation) genauer beschreiben zu können. Beim Röntgen hält das Kind dabei ein Gewicht von etwa 5 – 10 KG in der Hand. Durch den Zug auf dem Arm stellt sich eine Dislokation des Schlüsselbeinbruchs so besser dar.

Grundsätzlich sollte eine Computertomographie nur dann durchgeführt werden, wenn sich die Fraktur anderweitig nicht ausreichend darstellen lässt. Denn auch hier gilt, dass die Kinder möglichst wenig Strahlung ausgesetzt werden sollen.

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Ursachen und Prophylaxe

Was kann eine Schlüsselbeinfraktur beim Kind verursachen?

Die Ursachen für einen Schlüsselbeinbruch liegen zu großen Teilen in Unfallsituationen. Dabei kann die Gewalteinwirkung direkt auf das Schlüsselbein erfolgen, also zum Beispiel ein Sturz, bei dem das Kind mit dem Schlüsselbein (Clavicula) gegen einen festen Gegenstand, eine andere Person oder auf den Boden aufschlägt. Die direkten Traumen machen etwa 90% der Schlüsselbeinbrüche aus. Seltener sind Brüche des Schlüsselbeins durch indirekte Gewalteinwirkung. Das bedeutet, dass das Kind nicht direkt mit dem Schlüsselbein aufschlägt, sondern den Sturz bzw. Aufprall mit der Hand oder dem Ellenbogen abfängt. Die Kraft die dabei auf den Arm wirkt, wird in das Schlüsselbein weitergeleitet. Da das Schlüsselbein nicht für solche enormen Krafteinwirkungen gebaut ist, kann es auch bei solchen Unfällen frakturieren (brechen). Dieser Unfallhergang findet sich z.B. bei Stürzen mit dem Fahrrad, bei denen das Kind über den Lenker auf den Boden stürzt und versucht sich mit der Hand bzw. dem Arm abzufangen.

Genauso kann ein Schlüsselbeinbruch auch beim Spielen mit anderen Kindern auftreten, bei Sportarten, die direkten Körperkontakt beinhalten (z.B. Fußball). Eine weitere Ursache liegt in der geburtstraumatischen Fraktur. Bei der Geburt muss das Kind durch den sehr engen Geburtskanal nach außen gelangen. Dabei kann es vorkommen, dass das Kind gegen knöcherne Strukturen der Mutter stößt, z.B. der Symphyse (die Verbindung der beiden Schambeinknochen im vorderen Becken). Sollte es eine kompliziertere Geburt sein, bei der mit der Hand oder einer Zange nachgeholfen werden muss, dann kann ein Bruch des Schlüsselbeins auch durch diese Krafteinwirkung entstehen.

Behandlung

Bei Kindern gilt grundsätzlich: Knochen heilen sehr gut. Selbst stark verschobene Brüche heilen meist von selbst aus, wenn sie reponiert wurden (die Bruchflächen werden aufeinander geschoben).

Auch bei Schlüsselbeinbrüchen wird so wenig wie möglich operiert. In den meisten Fällen reicht die Ruhigstellung der Schultern für wenige Wochen. Dafür wird den Kindern ein Rucksackverband angelegt. Dabei handelt es sich um einen Verband, der wie ein Rucksack angelegt wird und Zug auf die Schultern nach hinten ausübt. Dadurch wird der Bruch reponiert, also die Bruchenden aufeinander geschoben und fixiert. Der Verband muss je nach Alter des Kindes für 1- 4 Wochen getragen werden. Kinder unter 5 Jahre tragen ihn etwa für 1-2 Wochen. Kinder zwischen 5 und 10 Jahren etwa für 2-3 Wochen. Und ab einem Alter von 10 Jahren sind 4 Wochen Tragezeit angezeigt.

Während dieser Zeit muss der Rucksackverband in den ersten Wochen nachgespannt werden, damit der Zug auf die Bruchstelle aufrechterhalten wird. Wichtig zu beachten ist außerdem, dass in der Zeit des Tragens des Verbands in regelmäßigen Abständen die Pulse, sowie Sensibilität und Motorik an den Armen getestet werden, damit ausgeschlossen werden kann, dass Nerven oder Gefäße abgeklemmt werden.

Bei komplizierten Brüchen kann eine operative Versorgung des Schlüsselbeinbruchs von Nöten sein.

Bei Frakturen bei denen Verletzungen von Nerven und Gefäßen mit einhergehen, sowie bei offenen Frakturen, muss in einem Großteil der Fälle operiert werden. Bei offenen Frakturen sind die Weichteilstrukturen über dem Bruch durchtrennt und es liegt ein Spalt bis zum Bruch vor.

Häufig wird auch operiert, wenn der Schlüsselbeinbruch im Zuge von einem Unfall aufgetreten ist bei dem viele weitere Verletzungen entstanden sind (Polytrauma). Außerdem kann operiert werden, wenn die Haut durchspießt ist oder wenn eine Durchspießung der Haut droht.

Angezeigt ist eine OP außerdem bei Brüchen, die nach radiologischer Bildgebung als Brüche von Typ Rockwood IV-VI klassifiziert wurden – also Brüche bei denen im äußeren (lateralen) Bereich des Schlüsselbeins der Bruch vorliegt.

Wenn die konservative Behandlung, also das Tragen des Rucksackverbandes, nicht (ausreichend) geholfen hat, wird meist auch operiert, da hier Grund zur Sorge besteht, dass sich an der nicht richtig zusammengewachsenen Bruchstelle ein unechtes Gelenk (Pseudeoarthose) ausbildet, welches dem Kind auf Dauer Schmerzen bereiten könnte.

Wenn operiert wird, können verschiedene Techniken genutzt werden um den Bruchspalt zu fixieren. Eine Möglichkeit besteht in der Plattenosteosynthese. Dabei wird der Bruch von außen über eine Platte fixiert, die mit Nägel in beiden Frakturteilen fixiert wird. Die Methode hinterlässt aber relativ große Narben und braucht einen verhältnismäßig großen operativen Zugangsweg.

Als andere Methode kann der Bruch mit intramedullär gelegenen Kirschner-Drähten fixiert werden. Dabei handelt es sich um Drähte, die längs durch den inneren Teil des Knochens, den Markraum, geschoben werden. Hier gibt es weitere Alternativen mit elastischen Nägeln, die das Risiko von Verletzungen von Strukturen in der Umgebung reduzieren sollen. Der Vorteil der Drähte ist, dass es bei der Fixierung ein deutlich kleinerer Zugangsweg benötigt wird und somit weniger Verletzungen am Gewebe hervorgerufen werden.

Rucksackverband

Der Rucksackverband wird um beide Schultern gelegt und am Rücken fixiert. Das führt dazu, dass die Schultern etwas aufgerichtet werden und so die beiden Frakturteile des Schlüsselbeines aneinandergelagert werden. Durch die Aneinanderlagerung der Frakturteile kann der Heilungsprozess ohne Hindernisse beginnen, und die Bruchstelle wächst glatt zusammen. Der Rucksackverband sollte bei Kindern bis zu zwei Wochen getragen werden, bei Erwachsenen ist eine Therapie zwischen 3 und 4 Wochen nötig.

Verlauf und Prognose

Bei Kindern benötigt die Heilung eines gebrochenen Knochens, im Vergleich zu einem Erwachsenen, nur sehr wenig Zeit. Es sind nur sehr wenige Fälle bekannt bei denen keine Heilung stattfand.

Wenn der Rucksackverband nach 1-4 Wochen abgenommen wird und das Kind keinen Druck- sowieBewegungsschmerz zeigt und keine Instabilitäten am Bruch mehr zu tasten sind, dann kann davon ausgegangen werden, dass der Schlüsselbeinbruch abgeheilt ist. Eine Röntgenuntersuchung ist nach Abnahme des Verbandes nur in Ausnahmefällen nötig, wenn weiter Beschwerden oder Einschränkungen vorhanden sind.

Wenn operiert wurde, ist nach Entfernung der Fixierung keine weitere Schonung nötig. Drähte und elastische Nägel werden nach etwa 4 -12 Wochen entfernt; Platten nach 4- 6 Monaten. Vor und nach der Entfernung der Drähte, Platten bzw. Nägel wird ein Röntgenbild zur genauen Darstellung des ehemaligen Bruchspaltes durchgeführt. Nach dem Entfernen kann eine Schlinge für wenige Tage getragen werden, falls leichte Schmerzen nach dem Eingriff vorhanden sind.

Bei den meisten Kindern liegen nach der Heilung keine Probleme und Beschwerden mehr vor. In seltenen Fällen entstehen nach der Operation Pseudoarthrosen (ca. 1%). Diese sind auf fehlerhafte Fixierung des Bruchspaltes, ungenügende Ruhigstellung der Schulter oder auf sehr komplizierte Brüche zurückzuführen.

Dauer der Schlüsselbeinfraktur beim Kind

Das Schlüsselbein (Klavikula) befindet sich in der Schulter. Sie hat mit zwei Gelenken jeweils Kontakt zum Brustbein (Sternum) und zum Schultergelenk. Die Schlüsselbeinfraktur ist ein häufiger Bruch im Kindesalter und verheilt etwa nach 3-4 Wochen. Bei Neugeborenen kann die Fraktur des Schlüsselbeins Folge eines Geburtstraumas sein. Diese Art von Fraktur bei Neugeborenen ist in der Regel nicht behandlungsbedürftig. Bei Kleinkindern ist die Klavikulafraktur Folge von Gewalteinwirkung von außen. Hier ist meist eine konservative Therapie ausreichend.

Weitere Informationen

Einteilung der Schlüsselbeinfraktur

Die Einteilung von Schlüsselbeinbrüchen kann nach Allman in Typ I, II und III erfolgen. Weitere Einteilungsmöglichkeiten stammen von Neer, sowie für Verletzungen am Acromioclaviculargelenk nach Rockwood und Dameron.

Allman I beschreibt einen Bruch im mittleren Drittel des Schlüsselbeins. Allman II lässt sich durch die Einteilungen von Rockwood und Neer weiter differenzieren, beschreibt aber grundsätzlich einen Bruch im äußeren Drittel des Schlüsselbeins. Allman III beschreibt Frakturen in dem inneren Drittel des Schlüsselbeins, welches an das Brustbein mündet. Hier kann auch weiter differenziert werden (nach Salter-Harris).

Wann darf mein Kind wieder Sport machen?

Die Dauer bis das Schlüsselbein bei Kindern verheilt, beträgt etwa 3 bis 4 Wochen. Nach Entfernen des Rucksackverbandes sollte schon mit einer physiotherapeutischen Behandlung begonnen werden, um die Beweglichkeit in der Schulter zu fördern. Wenn bei der Physiotherapie keine Schmerzen bestehen und die Schulter frei beweglich ist, kann langsam wieder mit dem Sport begonnen werden. Hier sollten am Anfang Überlastungen im Schultergelenk und ruckartige, ausladende Bewegungen vermieden werden. Bei Schmerzen sollte die Belastung abgebrochen werden.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 17.10.2015 - Letzte Änderung: 04.11.2021