Bandscheibenprothese

Synonyme

Künstliche Bandscheibe, Bandscheibenersatz, Künstlicher Bandscheibenersatz, Bandscheibenarthroplastik, Cervicale Bandscheibenprothese, Lumbale Bandscheibenprothese, Bandscheibenprothesenimplantation

Definition

Eine Bandscheibenprothese ist ein künstlicher Bandscheibenersatz aus Metall und Kunststoff. Eine künstliche Bandscheibe wird als Ersatz für eine verschlissene (degenerierte), natürliche Bandscheibe eingesetzt. Ziel ist, den bandscheibenbedingte (diskogenen) Rückenschmerzen zu beseitigen und gleichzeitig die natürliche Beweglichkeit der Wirbelsäule zu erhalten. Als Alternative hierzu war die Versteifung der Wirbelsäule (Spondylodese) im betreffenden Wirbelsäulenabschnitt in den letzten Jahrzehnten die Operationsmethode der Wahl.

Abbildung Bandscheibenprothese

Die Abbildung zeigt ein seitliches Röntgenbild der Halswirbelsäule nach erfolgreicher Implantation einer Bandscheibenprothese. Der Grund der Operation war ein konservativ nicht ausreichend behandelbarer Bandscheibenvorfall der HWS.

Nicht in allem Fällen stellt die Bandscheibenprothese die beste Therapielösung dar. Insbesondere wenn verschleißbedingte Veränderungen der Wirbelsäule ist häufig die Versteifung des betroffenen Segments (medizinisch als Spondylodese bezeichent) das therapiemittel der Wahl.

Bei der Operation der Bandscheibenprothese wird die degenerierte Bandscheibe komplett entfernt und die Bandscheibenprothese stattdessen zwischen die Wirbelkörper platziert. Dort verankert sie sich entsprechend ihrem Prothesendesign durch metallene Fortsätze. Durch ihren besonderen Aufbau kann die Bandscheibenprothese die Bewegungen der Wirbelsäule mitmachen. Bandscheibenprothesen gibt es für die Hals- und Lendenwirbelsäule. Beide Male erfolgt die Operation von vorne, nicht vom Rücken her.

Einleitung

Die Möglichkeit zum Einbau einer Bandscheibenprothese stellt einen großen Schritt in der Wirbelsäulenchirurgie dar.

Bandscheibenprothesen werden erst seit einigen wenigen Jahren in größerer Anzahl implantiert. Derzeit sind weltweit ca. 11000 Bandscheibenprothesen implantiert worden, Tendenz eindeutig steigend. Im Vergleich hierzu werden allein in Deutschland ca. 180.000 Knieprothesen und Hüftprothesen jährlich implantiert. Die Erfahrungen mit Bandscheibenprothesen sind deshalb noch relativ jung. Vieles was die Langzeitprognose einer Bandscheibenprothese betrifft ist noch unbekannt. Dennoch, die ersten kurz- bis mittelfristigen Ergebnisse nach Bandscheibenprothesenimplantation sind sehr ermutigend, weshalb in Zukunft mit einer deutlichen Ausweitung der Implantationszahlen gerechnet wird.

Aufbau einer Bandscheibenprothese

Eine Bandscheibenprothese besteht aus zwei Kobald-Chrom-Molybdän Metallplatten. Die Metalloberfläche ist mit Titan oder Hydroxylapatit beschichtet. Die raue Oberflächenbeschaffenheit und die Beschichtung der Metallplatten ermöglicht ein gutes knöchernes Anwachsen der Prothese an die angrenzenden Wirbelkörper. Um eine sofortige Stabilität nach der Implantation zu gewährleisten hat eine Bandscheibenprothese typabhängige metallene Fortsätze, wodurch die Bandscheibenprothese in die angrenzenden Wirbelkörper befestigt wird (Primärstabilität) und ein Verschieben bis zum endgültigen knöchernen Anwachsen verhindert wird.

Um die Bewegungen der Wirbelsäule mitmachen zu können besitzt eine Bandscheibenprothese einen zwischen den Metallplatten liegenden Kern aus Kunststoff (Polyethylen) oder Metall. Bei der Seitneigung sowie Vor- und Rückbeugung erfolgen die Wirbelsäulenbewegungen über die Achsen dieses Bandscheibenkernes.

Indikation zur Bandscheibenprothese

Vor jeder operativen Maßnahme sollte, sofern es sich nicht um einen Notfall handelt, zunächst das ganze Spektrum der konservativen Therapie des Bandscheibenvorfalls ausgenutzt werden.

Der optimale Zeitpunkt einer Bandscheibenprothesenimplantation kann aber auch verpasst werden, wenn sich auf Grund einer Bandscheibendegeneration (Höhenabnahme, Wasserverlust der Bandscheibe) eine größere Wirbelsäuleninstabilität und Folgedegeneration anderer Wirbelkörperstrukturen entwickelt hat (z.B. der kleinen Wirbelgelenke).

Unterschieden werden muss die Indikationsstellung zur Implantation einer Bandscheibenprothese an der Hals- und an der Lendenwirbelsäule.

Die klassische Indikation zur Implantation einer Bandscheibenprothese ist der bandscheibenbedingte, monosegmentale Rückenschmerz infolge eines Bandscheibenverschleißes (Diskopathie). Unter monosegmental versteht man, dass lediglich eine Bandscheibe erkrankt ist und ersetzt werden muss. Bandscheibenbedingt bedeutet, dass die Bandscheibe selbst Verursacher der Rückenschmerzen ist und kein Bandscheibenvorfall vorliegt oder andere verschleißbedingte Wirbelsäulenveränderungen ursächlich sind.

Mittlerweile werden aber auch schon 2-3 Bandscheibensegmente gleichzeitig ersetzt, wenn auch benachbarte Bandscheiben erkrankt sind und ihren Anteil am Rückenschmerz haben. Wichtig ist diesbezüglich eine gute Diagnostik, weil nicht jeder Bandscheibenverschleiß behandlungsbedürftig ist. Ersetzt werden nur diejenigen Bandscheiben, die krankheitswert besitzen.

Auch das Postnukleotomiesyndrom, im Sinne eines persistierenden, bandscheibenbedingten Rückenschmerzes, nach vorheriger Entfernung eines Bandscheibenvorfalles, kann eine Indikation zur Implantation einer Bandscheibenprothese darstellen.

Während der akute Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule eine Kontraindikation für die Implantation einer Bandscheibenprothese darstellt und auf klassische Weise mikrochirurgisch entfernt wird (Mikrodiskektomie), wird der Bandscheibenvorfall an der Halswirbelsäule zunehmend häufig mit der Bandscheibenprothese therapiert. Die alleinige Entfernung des Bandscheibenvorfalles ist im Bereich der Halswirbelsäule nicht möglich, weil eine Entfernung des Bandscheibenvorfalles von hinten, wie bei der Lendenwirbelsäule üblich, aus anatomischen Gegebenheiten heraus technisch sehr schwierig und gefährlich ist. Bisher wurden Bandscheibenvorfälle der Halswirbelsäule von vorne operiert, die betroffene Bandscheibe mitsamt dem Vorfall entfernt und die benachbarten Wirbelkörper fusioniert, also die Wirbelsäule in diesem Abschnitt versteift.

Kontraindikationen

Die Implantation einer Bandscheibenprothese ist kein Allheilmittel zur Beseitigung von Rückenschmerzen.
Im Gegenteil, die meisten degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen stellen eine Kontraindikation zur Implantation einer Bandscheibenprothese dar.

Der Grund ist ganz einfach: Durch die Implantation einer Bandscheibenprothese wird lediglich der Rückenschmerz beseitigt, der von der erkrankten Bandscheibe selbst hervorgerufen wird. Aus diesem Grund ist eine Voraussetzung für eine Bandscheibenprothesenimplantation, dass keine anderen verschleißbedingten Erkrankungen der Wirbelsäule vorliegen dürfen, die ursächlich oder mit- ursächlich für die Rückenschmerzen sein könnten. In diesen Fällen kommen andere Operationsverfahren zum Einsatz. Andernfalls kann die nicht gerade kleine und billige Operation nicht erfolgreich sein und die vor der Operation bestehenden Schmerzen werden nachher fast unverändert oder sogar verschlimmert bestehen bleiben.

Zu den Kontraindikationen gehören:

  • Akuter Bandscheibenvorfall der Lendenwirbelsäule (unverhältnismäßige Operation)
  • Osteoporose (Gefahr des Einbrechens der Bandscheibe in die angrenzenden Wirbelkörper)
  • Höheres Alter (meistens zusätzlicher Verschleiß anderer Wirbelkörperstukturen, oft schlechte Knochenqualität)
  • Wirbelkörpergleiten (Spondylolisthesis (Schmerzursache wird nicht behandelt))
  • Verschleiß der Wirbelgelenke (Spondylarthrose (Schmerzursache wird nicht behandelt))
  • Wirbelkanalenge (Spinalkanalstenose (Schmerzursache wird nicht behandelt))

Vorteile der Bandscheibenprothese

Klassisches Operationsverfahren bei bandscheibenbedingten Rückenschmerzen (kein Bandscheibenvorfall!), ebenso wie beim akuten Bandscheibenvorfall der Halswirbelsäule, war bis vor kurzen die Versteifungsoperation der Wirbelsäule mit Entfernung der Bandscheibe und Fusion der Wirbelkörper untereinander. Es handelt sich um ein etabliertes Verfahren mit guten operativen Ergebnissen.

Ein großer Nachteil dieses Operationsverfahrens ist, gerade im Bereich der Lendenwirbelsäule, das im Vergleich zur Bandscheibenprothesenimplantation größere Trauma, da die Operation rückenseitig durch den Muskel- und Bandapparat der Wirbelsäule durchgeführt wird. Hierdurch bedingt sich eine im Vergleich zur Bandscheibenprothesenimplantation längere Erholungszeit (Rehabilitation) für den Patienten.

Als größter Vorteil der Bandscheibenprothese wird aber der Erhalt der natürlichen Wirbelsäulenbeweglichkeit gesehen. Aus folgendem Grund: Durch eine Versteifungsoperation an der Wirbelsäule ist die natürliche Kraftübertragung an der Wirbelsäule gestört und gerade die Bandscheiben, die an den versteiften Wirbelsäulenabschnitt angrenzen werden überlastet. Die Folge kann ein erneuter bandscheibenbedingter Rückenschmerz durch vorzeitigen Verschleiß sein (Anschlussdegeneration). Untersuchungen an der Halswirbelsäule zeigten, dass Bandscheiben in unmittelbarer Nachbarschaft einer Wirbelkörperfusion im Mittel um 73 % mehr belastet werden als üblich.

Durch die Mitbewegung der Bandscheibenprothese sollen alle Wirbelsäulenabschnitte natürlich belastet werden und eine Anschlussdegeneration der Nachbarsegmente unterbleiben. Langzeitstudien hierzu fehlen indes noch.

Dennoch, die Beweglichkeit der Bandscheibenprothesen ist zumindest gegeben und beträgt nach wenigstens 1 Jahr für das Segment L5/S1 durchschnittlich 8° und für das Segment L4/5 10°. Inwieweit diese Beweglichkeit über die Jahre gehalten werden kann ist noch nicht gesichert.

Bandscheibenvorfall der HWS

  1. Bandscheibe
  2. Wirbelkörper
  3. Rückenmark
  4. Bandscheibenvorfall

Operative Vorbereitung

Das wichtigste in der Vorbereitung für die Operation der Bandscheibenprothese ist die korrekte Indikationsstellung.
Hierfür sind neben der körperlichen Untersuchung vor allem bildgebende Untersuchungsverfahren notwendig.

Röntgenaufnahme

Auf Röntgennativaufnahmen kann eine Erkrankung der Bandscheibe diagnostiziert werden. Die Bandscheibe selbst ist auf einer Röntgenaufnahme zwar nicht zu erkennen, jedoch zeigt ein verminderter Wirbelkörperabstand zwischen zwei benachbarten Wirbelkörpern eine höhengeminderte und damit kranke Bandscheibe an (Chondrose). Deck- und Grundplattenunregelmäßigkeiten sowie Knochenverdichtungen der benachbarten Wirbelkörper zeigen den Einbezug der Wirbelkörper in das Krankheitsgeschehen an (Osteochondrose).

Auch liefert die Röntgenaufnahme Hinweise auf eine verminderte Knochendichte oder für eine Instabilität der Wirbelkörper untereinander. Auf den seitlichen Röntgenbildern ist bei letzterem ein Wirbelköperversatz zu erkennen. Manchmal sind aber auch Röntgen-Funktionsaufnahmen (Röntgenaufnahmen in maximaler Vor- und Rückbeugung) notwendig, um einen Wirbelkörperversatz und damit die Instabilität nachzuweisen. Eine schwere Instabilität oder Osteoporose stellt, wie bereits erwähnt, eine Kontraindikation für die Implantation einer Bandscheibenprothese dar.

MRT (Magnetresonanztomnographie) der HWS und LWS

Die Magnetresonanztomographie der HWS, bzw der LWS ist in der Diagnostik der Krankheiten der Wirbelsäule nicht mehr weg zu denken. Im Gegenteil zur Röntgenaufnahme kann die Bandscheibe selbst, aber auch alle anderen wichtigen Strukturen Wirbelsäule beurteilt werden. Eine Erkrankung der Wirbelkörpergelenke (Spondylarthrose) wird ebenso erkannt, wie eine Enge des Wirbelkanales (Spinalkanalstenose). Beide Erkrankungen stellen eine Kontraindikationen für die Implantation einer Bandscheibenprothese dar.

Die MRT der LWS / HWS (Magnetresonaztomographie) ist somit das beste bildgebende Verfahren zur Diagnostik von Wirbelsäulenerkrankungen. Was die MRT (Magnetresonaztomographie) indes nicht leisten kann, ist einen Bezug herzustellen zwischen den erhobenen Bildbefunden (z.B. einer erkrankten Bandscheibe) und den Beschwerden eines Patienten.
Das soll bedeuten, dass eine erkrankte Bandscheibe der Grund für einen Rückenschmerz darstellen kann, es aber nicht muss. Im Gegenteil, die meisten Patienten mit verschleißbedingten Veränderungen der Bandscheiben sind beschwerdefrei.

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Um eine Bandscheibenerkrankung sicher als Schmerzauslöser zu diagnostizieren kann ein weiteres Untersuchungsverfahren eingesetzt werden, die Diskographie.

Diskographie

Eine Diskographie stellt einen kleinen chirurgischen Eingriff dar, der lediglich in lokaler Betäubung des Patienten durchgeführt wird. Es handelt sich um ein diagnostisches Verfahren, bei dem man auf die Mitarbeit des Patienten angewiesen ist.
Mit einer dünnen Nadel wird ein Kontrastmittel in die Bandscheibe gespritzt und anschließend ein Röntgenbild erstellt. Auf diese Weise lässt sich das Bandscheibengewebe präzise abbilden und ein Schaden sichtbar machen. Vor allem aber dient die Injektion der Sicherung der Diagnose bei Verdacht auf einen bandscheibenbedingten (diskogenen) Rückenschmerzen.

Die Einspritzung des Kontrastmittels führt zu einer Druckerhöhung im Bandscheibenraum, was zu einer Schmerzprovokation führt. Der Patient sollte bei der Injektion exakt den ihm bekannten Schmerz spüren und dies auch dem Arzt so äußern.
Ist dies der Fall spricht man von einem positiven Distensionstest. Wird kein Schmerz provoziert, ist der Distensionstest negativ und die Ursache der Rückenschmerzen bleibt zunächst ungeklärt. Eine Bandscheibenprothesenimplantation wird dann unterbleiben.

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Autor: Dr. N. Gumpert Veröffentlicht: 17.05.2007 - Letzte Änderung: 30.03.2024