Bei der Elektrotherapie gibt es unterschiedliche Verfahren. Die Grundlage aller Therapien ist, dass während der Anwendung Gleich- oder Wechselströme den Körper, bzw. Körperteile durchfließen. Die Spannungen werden entweder über Elektroden, die auf der Hautoberfläche befestigt sind oder über Elektroden in einem Wasserbad zugeführt. In speziellen Anwendungen werden Implantate zur funktionellen Elektrostimulation in das Gewebe implantiert. Die verschiedenen Arten und Frequenzen des Stromes haben auf den Körper unterschiedliche Wirkungen.

Elektrotherapie

Synonyme: Elektrobehandlung, Elektromedizin, Reizstromtherapie

Definition

Die Elektrobehandlung arbeitet mit verschiedenen elektrischen Strömen, welche unterschiedliche biologische Wirkungen im Körper entfalten. Sie dient der therapeutischen Anwendung in der Medizin und der physikalischen Therapie.

Wirkung

Allen Verfahren gemein ist, dass während der Anwendung Gleich- oder Wechselströme den Körper, bzw. Körperteile durchfließen. Die entsprechenden Spannungen werden entweder über Elektroden, die auf der Hautoberfläche befestigt sind zugeführt oder über Elektroden in einem Wasserbad.
In speziellen Anwendungen werden Implantate zur funktionellen Elektrostimulation in das Gewebe implantiert.

Die verschiedenen Arten und Frequenzen des Stromes haben auf den Körper unterschiedliche Wirkungen. Zum einen werden die Ionen im Körper vermehrt transportiert. Bei Gleichstrom kommt es zu einem gerichteten Transport der Ionen, Wechselstrom führt zu Pendelbewegungen. Zudem depolarisiert der Strom die Zellmembran und löst dadurch ein Aktionspotential aus. Dies führt zur Kontraktion einer Muskelzelle oder einer Erregungsfortleitung an der Nervenzelle. Eine weitere Stromwirkung ist die Erzeugung von Wärme im Gewebe. Diese entsteht aufgrund von Reibungen zwischen den Ladungsträgern und dem behandelten Gewebe.

Gleichstrombehandlung

Die Gleichstrombehandlung wird vor allem in Form hydroelektrischer Bäder angewandt. Hierbei kann der gerichtete Strom während eines Vollbades durch den gesamten Körper geleitet werden (Stanger-Bad). Die Badewannen für das Stangerbad besitzen am Fußende und den Seiten Metallplatten. Diese Platten dienen als Pluspol (Anode) und Minuspol (Kathode) und haben verschiedene Wirkungen auf den Körper. Einige Bäder haben zudem Metallplatten am Boden der Wanne und am Kopfende. Diese müssen jedoch mit gelöcherten Kunstoffüberzügen versehen sein, um den Sicherheitsbestimmungen zu entsprechen.
Die Wassertemperatur und die Stromstärke werden dem Wohl des Patienten angepasst. Dabei wird die Temperatur bei Muskelverspannungen und Schmerzen meist bei 34 °C und mehr, im Falle von einer schlaffen Muskulatur oder einer Lähmung eher unter 34°C eingestellt. Der Strom sollte leicht auf der Haut kribbeln, jedoch keine Schmerzen oder Unwohlsein auslösen. In der Regel werden Stromstärken zwischen 200 und 600 mA eingesetzt.
In so genannten Zellenbädern wird der gerichtete Strom nur auf bestimmte Körperregionen, beispielsweise den Arm oder das Bein, gerichtet. Durch den Zusatz inonisierender Substanzen kann eine Resorption von Pharmaka durch die Haut (perkutan) erreicht werden. Beispielsweise können bei der Iontophorese schmerzlindernde, entzündungshemmende oder durchblutungsfördernde Mittel lokal an den erkrankten Körperregionen aufgenommen werden. Aufgrund der strengen Gesetze und Vorsichtsmaßnahmen bei der Kombination von Wasser und Strom sind sehr strenge Vorschriften gegeben. Ein Stangerbad muss dem Medizinproduktegesetz und der Medizinprodukte-Betreiberverordnung entsprechen, sowie die DIN-Normen erfüllen.

Reizstromtherapie

Die Reizstromtherapie erfolgt mit niederfrequenten Strömen, welche die Muskulatur stimulieren sollen. So kann dem auftretenden Muskelabbau (Muskelatrophie) nach Verletzungen oder langer Krankheit entgegen gewirkt werden.
Die Elektroden werden bei der Reizstromtherapie direkt auf der Haut angebracht. Um den Kontaktwiderstand zwischen Haut und Elektrode wird meist durch ein Gel verringert. Die Stromimpulse führen zu typischen messbaren Veränderungen an der Muskulatur und reizen diese selektiv. In der Regel lassen sich Stärke und Dauer der Impulse individuell einstellen, damit der Strom nicht als unangenehm empfunden wird. Da plötzliche starke Impulse oft als störend empfunden werden, arbeiten die Reizstromgeräte mit mehreren mittleren Impulsen pro Sekunde.
Durch speziell eingestellte Trainingsprogramme können die Geräte für das Krafttraining und zur Erhöhung der Kraft-Ausdauer eingesetzt werden. Die Wirksamkeit des Verfahrens für den Muskelaufbau ist jedoch umstritten. Die Studienlage hat bislang noch keine überzeugenden Ergebnisse zum Training der Muskulatur geliefert.
Dennoch scheint es unstrittig, dass die Reizstromtherapie einen Muskelabbau aufgrund von Verletzungen oder lang andauernder Immobilität wirksam aufhalten, bzw. verlangsamen kann. Kontraindiziert ist die Reizstromtherapie bei allen Patienten mit Herzproblemen oder einem Herzschrittmacher, da der Strom gefährliche Wechselwirkungen mit dem Schrittmacher auslösen kann.

Diadynamische Ströme

Die diadynamischen Ströme bestehen aus zwei verschiedenen Stromkomponenten: Ein niederfrequenter Anteil und ein Gleichstromanteil. Die diadynamischen Ströme haben einen sehr starken schmerzlindernden (analgetischen) Effekt, welcher mit dem Gleichstromanteil zunimmt. Aus diesem Grund sind die diadynamischen Ströme bei allen schmerzhaften Erkrankungen der Stütz- und Bewegungsorgane indiziert.

Transkutane elektrische Nervenstimulation

Mithilfe der Transkutanen Nervenstimulation werden die zum Rückenmark ziehenden Nerven und die hier laufenden Schmerzafferenzen blockiert. Die Therapie erfolgt mit mono- oder biphasischen Rechteckimpulsen (Wechselstrom) niedriger Frequenz (2- 4 Hz) oder hoher Frequenz (80- 100 Hz). Die Stromfolgen können sowohl in Form konstanter oder unterbrochener Impulsfolgen appliziert werden.

Über verschiedene Elektroden werden die elektrischen Impulse auf die Hautoberfläche übertragen. Die Elektroden werden dabei in der Nähe der schmerzenden Stelle angebracht. Der Reiz selbst sollte keine Schmerzen verursachen, sondern lediglich ein leichtes Kribbeln auf der Haut hinterlassen. Die Reizung mit hohen Frequenzen werden direkt über dem schmerzenden Dermatom appliziert, während die niedrigen Frequenzen nur angewendet werden, wenn die Nachwirkung der hohen Frequenzen nicht lange genug anhält. Die Behandlung soll die schmerzleitenden sensiblen Nervenbahnen beeinflussen, um damit die Schmerzweiterleitung an das Gehirn zu verringern oder zu verhindern.
Die Theorie hinter der TENS besagt, dass zum einen körpereigene Hemmmechanismen aktiviert werden, wenn die Schmerzfasern im Rückenmark gereizt werden.
Zum anderen sollen durch die Reizung andere zum Rückenmark absteigende Fasern angeregt und die Endorphinausschüttung im Gehirn gesteigert werden. Beide Mechanismen führen zu einem geringeren Schmerzempfinden.

Die TENS wird vor allem bei chronischen Schmerzzuständen jeglicher Art angewendet. Kontraindiziert ist die Behandlung jedoch bei Schrittmacherträgern, psychogenen oder zentralen Syndromen. Zwar gibt es einige Studien, welche die Wirksamkeit der TENS nicht bestätigen, dennoch wird in Deutschland die Wirksamkeit angenommen und einige Behandlungen von den Krankenkassen bezahlt.

Mittelfrequente Ströme

Da die Frequenz bei mittelfrequenten Strömen zu hoch ist, kann die Muskelzelle nicht mehr auf jeden Impuls einzeln reagieren. Hierdurch entstehen eine reaktive Depolarisation der Muskelzelle und eine damit einhergehende lokale Muskelkontraktion ohne eine sensible Belästigung.

Da die mittelfrequenten Ströme damit die Muskelkontraktion effektiv trainieren können, werden sie gerne bei Muskelatrophien (Muskelabbau) nach schweren Verletzungen oder langer Immobilisation eingesetzt.

Hochfrequenztherapie

Im Gegensatz zur klassischen Elektrotherapie werden bei der Hochfrequenztherapie elektrische Wechselfelder im Frequenzbereich zwischen 4 bis 30 kHz eingesetzt. Die Hochfrequenztherapie erzeugt elektrische bzw. magnetische (Kurzwelle) oder elektromagnetische (Dezimeterwelle, Mikrowelle) Wellen. Deren Energie erzeugt Wärme im Körper und entspannt dadurch die behandelte Muskulatur.
Mit steigender Frequenz nimmt die Eindringtiefe der Ströme ab. Aus diesem Grund hat die Kurzwelle die beste Eindringtiefe. Hingegen beträgt die Eindringtiefe der Mikrowellen nur wenige Zentimeter. Obwohl die Methode bestritten und die Wirksamkeit durch Studien noch nicht belegt werden konnte, wird die Hochfrequenztherapie von zahlreichen Medizinern in Deutschland angeboten.

Aufgrund der Studienlage werden die Kosten der Behandlung jedoch nicht von der Krankenkasse übernommen. Befürworter der Therapie geben an, dass die Behandlung dauerhaft dreimal die Woche für 30 Minuten angewendet werden sollte. Nur dann besteht die Möglichkeit einer dauerhaften Linderung der Schmerzen. Die Indikation der Hochfrequenztherapie wird sehr breit gestellt und findet vor allem bei Rückenschmerzen, degenerativen Gelenkerkrankungen, diabetischer Polyneuropathie, Migräne und Kopfschmerzen ihre Anwendung.

Zusammenfassung

Die Elektrotherapie umfasst verschiedene Formen der therapeutischen Stromapplikation zur Behandlung von Schmerzen und Muskelabbau. Die unterschiedlichen Formen der Elektrotherapie haben verschiedene Wirksamkeiten auf den Körper, können direkt oder durch Wasser auf den Körper übertragen werden und haben unterschiedliche Eindringtiefen.
Damit umfasst die Elektrotherapie ein breites Spektrum der Physiotherapie und ist bei einigen Erkrankungen fester Bestandteil der Therapie. Dennoch gibt es Methoden, wie beispielsweise die Hochfrequenztherapie, deren Wirksamkeit bis heute umstritten ist und deren Bezahlung von den Krankenkassen nicht übernommen wird. Die Wirksamkeit der transkutanen elektrischen Nervenstimulation (TENS) ist hingegen durch Studien belegt und findet aus diesem Grund eine breite Anwendung in der Schmerztherapie.
Allgemein gilt jedoch, dass jede Form der Elektrotherapie von den Patienten als unterschiedlich wirksam und angenehm empfunden wird und aus diesem Grund jeder Patient individuell über die Wirksamkeit der einzelnen Methoden entscheiden sollte.

Weiterführende Informationen

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 10.07.2012 - Letzte Änderung: 30.03.2024