Ernährungstherapie bei chronisch-entzündlichen Dickdarmerkrankungen

Einleitung

Bis vor einiger Zeit ging man davon aus, dass im Dickdarm hauptsächlich Natrium und Wasser aufgenommen werden um den Darminhalt für die Ausscheidung vorzubereiten. Heute gibt es aber Erkenntnisse, dass während einer so genannten „Nachverdauung“ energiereiche Nahrungsbestandteile die im Dünndarm nicht verwertet wurden von Darmbakterien abgebaut und von der Darmwand aufgenommen werden.

Dieser Aspekt der Energiereserve oder Energiekonservierung spielt in der Industriegesellschaft mit ihrem Nahrungsmittelüberfluss eine untergeordnete Rolle. In der dritten Welt allerdings wird die Aufnahme energiereicher Verbindungen im Dickdarm auf 15 – 20 % der gesamten Energieaufnahme geschätzt. Außerdem hat man früher angenommen, dass Ballaststoffe aus der Nahrung unverändert wieder ausgeschieden werden und lediglich durch Quellung das Stuhlvolumen vergrößern. Heute weiß man, dass sie (je nach Art unterschiedlich intensiv) im Dickdarm abgebaut werden. Auch kurzkettige Fettsäuren aus dem bakteriellen Kohlenhydrat- und Eiweißabbau beeinflussen das innere Milieu des Dickdarmes entscheidend und werden zusammen mit Natrium und Wasser schnell und fast vollständig von der Darmwand aufgenommen. Sie wirken auf Grund dieser Tatsache vorbeugend gegen Durchfall. (Siehe auch Ernährung bei Durchfall)

Ernährungsfaktoren bei Entstehung und Verlauf von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen

Zwischen den Industrieländern und den Ländern der dritten Welt bestehen große Unterschiede bei der Häufigkeit beider Erkrankungen. Man kann daraus schließen, dass ein zu viel an Zucker und ein zu wenig an Ballaststoffen maßgeblich an der Entstehung der Krankheiten beteiligt sind. Bei an Morbus Crohn Erkrankten konnte tatsächlich ein erhöhter Verzehr von Zucker nachgewiesen werden, nicht bei Colitis ulcerosa. Die Ballaststoffaufnahme scheint hierbei eine nicht allzu große Rolle zu spielen.

Diskutiert wird auch die möglicherweise krankheitsbegünstigende Aufnahme von Transfettsäuren (enthalten in chemisch gehärteten Fetten wie zum Beispiel in manchen Margarinen) und von Bäckerhefe. Auch haben Betrofene, die als Säugling nicht gestillt wurden möglicherweise ein höheres Risiko zu erkranken. Bei Colitis ulcerosa gibt es bisher keine Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Ernährungsfaktoren und der Entstehung der Erkrankung. Es wurde lediglich beobachtet, dass die Aufnahme einer kurzkettigen Fettsäure (Butyrat) im Dickdarm bei Colitis ulcerosa gestört ist.

Alle diese Fakten zur Entstehung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen durch Ernährungsfaktoren sind allerdings nicht zweifelsfrei belegbar.

Allgemeine Mangelernährung und mangelnde Versorgung mit Vitaminen und Spurenelementen

Stationäre und ambulante Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen weisen oft eine allgemeine Mangelernährung auf. Bei Kindern und Jugendlichen führt dies zu vermindertem Längenwachstum und verzögerter Pubertät. Folgende Zustände tragen zur Mangelernährung bei: Appetitlosigkeit, einseitige Ernährung, Nichtvertragen von bestimmten Lebensmitteln, Erbrechen, verminderte Aufnahmefähigkeit des erkrankten Darmes, Verlust von Gallensäuren und Nebenwirkungen von Medikamenten. Dies führt zu Gewichtsverlust, Verringerung bestimmter Bluteiweißkörper (Albumine), Blutarmut und häufig zu einer Verringerung folgender Vitamine im Blutserum: Vitamin B 12, Vitamin D, Folsäure, Eisen, Calcium, Kalium, Magnesium, Zink. Alle diese Vitamine und Spurenelemente können in Tablettenform oder durch Injektion zugeführt werden.

Ernährungstherapie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen im akuten Schub

Der Wert der künstlichen Ernährung für die Verbesserung des Ernährungszustandes steht außer Zweifel. Im akuten Schub kommen daher Formeldiäten zum Einsatz. Es sind dies fertig zubereitete Trink- oder Sondennahrungen. Sie sind leicht verdaulich, ballaststoffarm und bedarfsdeckend. Bei Morbus Crohn erzielt man damit einen besseren Ernährungszustand und positive Effekte auf die Darmschleimhaut. Bei Colitis ulcerosa Patienten gibt es keine gesicherten Daten zum Wert einer Formeldiät im akuten Schub. Hier werden Mineralstoffe und Flüssigkeit mit Hilfe einer Infusion zugeführt. Basis ist die Therapie mit Cortison. Eine zusätzliche künstliche Ernährung über Infusion verbessert zwar den Ernährungszustand, hat aber keinen Einfluss auf den Verlauf und die Entzündungsaktivität der Erkrankung. Die in Fischöl enthaltenen Omega-3-Fettsäuren haben offenbar eine entzündungshemmenden Effekt im Bereich der Darmschleimhaut. Sie können in Form von Kapseln in einer Dosierung von 5 g Omega-3-Fettsauren am Tag gegeben werden. Ergebnisse dahingehend müssen aber noch weiter gesicherte werden, bevor eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen werden kann.

Ernährungstherapie in der Zeit zwischen den akuten Schüben.

Bisher wurde bei der Entstehung des Morbus Crohn eine ballaststoffarme und zuckerreiche Ernährung als einer der begünstigenden Faktoren betrachtet. Es gibt allerdings auch Studien die keinen Unterschied zu einer normalen Mischkost erkennen lassen. Lebensmittel wie Milch, Weizenprodukte und Zitrusfrüchte können in manchen Fällen die Beschwerden verstärken. Ob aber ein generelles Meiden dieser Lebensmittel die Häufigkeit der akuten Schübe verringert und die beschwerdefreie Zeit verlängert wird ist fraglich. Bei 15% der Patienten mit Morbus Crohn wurde eine Unverträglichkeit bestimmter Nahrungsmittel festgestellt. Als Ursache wurde eine Nahrungsmittelallergie ausgeschlossen. Damit wird klar, dass es im Moment keine gesicherten Daten zu einer bestimmten Kostform gibt, welche in der beschwerdefreien Zeit eingehalten werden könnte um das Auftreten eines erneuten Schubes zu verhindern. Empfohlen wird eine leichte, vollwertige, abwechslungsreiche Vollkost die lediglich die individuellen Unverträglichkeiten berücksichtigt.

Zusammenfassung

Im akuten Schub:
Sondenkost bewirkt bei Patienten mit Morbus Crohn eine erhebliche Verbesserung des Ernährungszustandes und kann in bestimmten Fällen positive Wirkung auf das Abheilen von Darmfisteln haben. Ansonsten hat eine künstliche Ernährung keine Wirkung auf die Entzündungsaktivität in der Darmschleimhaut.

Bei Colitis ulcerosa mit drohenden Komplikationen und vor Operationen bei Crohn-Patienten wird eine ausschließlich künstliche Ernährung über eine Infusion notwendig.

Bei allgemeiner Mangelernährung und Mangel an bestimmten Nährstoffen:

Künstliche Ernährung über eine Magensonde oder falls nicht möglich eine Infusion.

Bei chronischen Sickerblutungen im Darmbereich Eisenzufuhr in Tablettenform.

Bei Entfernung von mehr als 100 cm des unteren Teils des Dünndarmes wird die Gabe von Vitamin B 12 notwendig.

Bei nachgewiesenem Zinkmangel muss Zink in Tablettenform gegeben werden.

Für eine Ernährungstherapie die zwischen den Schüben die beschwerdefreie Zeit verlängert gibt es keine klaren Belege für deren Wirksamkeit. Es kann aber eine leichte Vollkost mit Berücksichtigung der individuellen Unverträglichkeiten empfohlen werden.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 21.06.2009 - Letzte Änderung: 22.10.2021