Ab wann wird niedriger Blutdruck gefährlich?

Einleitung

Bei Blutdruckwerten von unter 105/60 mmHg spricht man von einem zu niedrigen Blutdruck. Allerdings lässt sich nicht pauschal sagen ab wann sich ein niedriger Blutdruck kritisch für den Betroffenen äußert.
Man vermutet sogar, dass eher niedrige Blutdruckwerte einen schützenden Effekt auf die Gefäßwände besitzen.
Wird der niedrige Blutdruck bei einem Betroffenen symptomatisch, handelt es sich hierbei um ein Krankheitsbild, welches behandelt werden sollte. Ab welchem Blutdruckwert eine Behandlung indiziert ist, wird allerdings kontrovers diskutiert. Bei Blutdruckwerten unter 90/60 mmHg gehen einige Ärzte durchaus von einer Behandlungsindikation aus.

Symptome von niedrigem Blutdruck

Typische Symptome einer Hypotonie (niedriger Blutdruck) sind spezifische allgemeine Befindlichkeitsstörungen. Diese sind sehr typisch, weshalb sie in der Regel klar einem hypotonen Zustand zuzuordnen sind. Dazu gehört unter anderem ein Schwindel oder das Auftreten von Sehstörungen (typischerweise Sterne-Sehen oder Schwarzwerden vor den Augen). Diese beiden Empfindungsstörungen gehen zurück auf eine mangelnde Blutversorgung der Hirngefäße mit konsekutiv fehlendem Sauerstoffangebot.

Diese Blutunterversorgung tritt vor allem am Morgen oder bei bestimmten Lagewechseln (typisch von der liegenden in die stehende Position) auf. Allgemein stellt sich häufig tägliche Müdigkeit und Leistungsschwäche ein. Bezüglich der geistigen Fähigkeit auf der Arbeit etc. fällt oftmals eine starke Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit auf. Da der Körper versucht, das Blutvolumen bei Hypotonie auf die überlebenswichtigen Organe Herz und Gehirn zu zentralisieren, kann es zu einem Kältegefühl in den Fingern und den Zehen, sowie zu allgemeiner Blässe kommen. Durch die Ausbildung von Kreislaufstörungen kann es bis hin zu einem Kreislaufkollaps mit konsekutiver Synkope (Bewusstlosigkeit) kommen. Typisch in Verbindung mit einer starken Müdigkeit ist auch ein erhöhter Schlafbedarf. Die Betroffenen beklagen häufig austretende Schweißausbrüche sowie das Vorkommen von Herzklopfen, Ohrensausen oder ein schneller Puls.
All diese Erscheinungen sind als ein Kompensationsversuch des Herzens zurückzuführen, welches den niedrigen Blutdruck durch eine Steigerung der Herzfrequenz und des Schlagvolumens versucht auszugleichen.

Lesen Sie mehr zum Thema unter: Symptome bei niedrigem BlutdruckNiedriger Blutdruck und Kopfschmerzen oder Niedriger Blutdruck und niedriger Puls

Kurzfristige Folgen von niedrigem Blutdruck

Kurzfristig kann es bei niedrigem Blutdruck (Hypotonie) vor allem zu einer Dysbalance des Kreislaufes kommen. Vor allem bei jungen Frauen mit schlankem Körperbau kommt es vermehrt zu mehrere Sekunden andauernden Synkopen (Bewusstlosigkeit), welche in der Regel jedoch reversibel (rückgängig) sind. Angekündigt werden diese vor allem von Warnzeichen wie Schwindel und Schwarzwerden vor den Augen. Gefährlich können diese Synkopen werden, wenn es zu Stürzen kommt.

Lesen Sie mehr zum Thema unter: Niedriger Blutdruck und Schwindel

Langfristige Folgen von zu niedrigem Blutdruck

Wenn Blutdruckwerte (Hypotonie) mäßig verringert sind und keine spezifischen Symptome verursachen (vor allem Synkopen), sollten sie in der Regel nicht als behandlungsbedürftig angesehen werden. Ganz im Gegenteil, es gibt keine Hinweise darauf, dass niedrige Blutdruckwerte auf Dauer eine bestimmte Schädigung des Herz-Kreislaufsystems bedingen. Vielmehr besitzt eine Hypotonie schützende Effekte auf das Gefäßsystem.

Jedoch sollte die Hypotonie beim Auftreten von oben genannten Symptomen therapeutisch behandelt werden. Wichtig ist es dabei, vor allem mögliche Komplikationen wie Stürze oder ein andauernder Leistungsabfall auf der Arbeit etc. zu verhindern. Auf lange Sicht kann bei niedrigem Blutdruck, verursacht durch einen Volumenmangel, eine mögliche Verringerung der Nierendurchblutung als kritisch eingestuft werden. Wie bei einer Nierenarterienstenose kommt es hierbei zu einem Abfall der glomerulären Filtrationsrate (GFR). Auf Dauer kann zum Beispiel eine Niereninsuffizienz entstehen. 
Mehreren Berichten zufolge erhöht sich durch Hypotonie und der damit verbundenen verminderten Blutversorgung des Gehirns das Schlaganfallrisiko.

Langfristige Folgen können sich zum Beispiel auch dann ergeben, wenn es im Rahmen einer Hypotonie zu rezidivierenden Stürzen kommt. Besonders bei älteren Menschen (z.B. Schenkelhalsfrakturen) oder Schwangeren (z.B. traumatische Verletzung des Feten) können diese zu ernsthaften langfristigen Komplikationen führen.

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Kann hinter einem zu niedrigem Blutdruck auch eine ernsthafte Erkrankung stecken?

Hinter zu niedrigem Blutdruck (Hypotonie) kann durchaus eine ernsthafte Erkrankung stecken. Vor allem eine organische Erkrankung sollte als Ursache der Hypotonie ausgeschlossen werden. Zum Beispiel zeigen sich bestimmte Herzrhythmusstörungen (unter anderem Vorhofflimmern, Reentry-Tachykardien etc.) mit einer begleitenden Hypotonie. Sie sollten zeitnah mit Antiarrhythmika behandelt werden.

Auch eine Schilddrüsenunterfunktion, vor allem in Form einer Hashimoto-Thyreoiditis kann mit einer Hypotonie einhergehen. Hierbei handelt es sich um eine autoimmunvermittelte Erkrankung. Das Risiko für weitere Autoimmunerkrankungen ist dabei erhöht (zum Beispiel Diabetes mellitus Typ 1).

Wichtig ist es bei neu aufgetretenem Hypotonus mit begleitender Symptomatik eine diagnostische Ursachenfindung anzuschließen. Eine klinische Untersuchung sollte vor allem von einer Ultraschalluntersuchung des Herzens (Echokardiografie) ergänzt werden. Hierdurch können organische Ursachen der Hypotonie ausgeschlossen werden. Bei einer echokardiografischen Untersuchung würde man zum Beispiel Anzeichen für eine Herzrhythmusstörung oder eine Herzinsuffizienz (Herzmuskelschwäche) vorfinden.

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Wann ist ein niedriger Blutdruck während einer OP gefährlich?

Während vieler operativer Eingriffe wird ein gewisses Absinken der Blutdruckwerte bis auf ein bestimmtes Maß angestrebt, um mögliche Komplikationen wie zum Beispiel intraoperative Blutungen zu verhindern. Ein zu geringer Blutdruck während einer Operation wird hingegen als kritisch betrachtet. Ein zu niedriger Blutdruck vor der OP erhöht nach Studien sogar die postoperative Sterblichkeit, während ein Bluthochdruck diese verringert.

Die eingesetzten Anästhetika haben einen regulierenden Effekt auf die Blutgefäße, indem diese erweitert (Vasodilatation) werden. Folglich sinkt der Blutdruck ab. Bei gesunden Patienten hat dies nur geringe Auswirkungen. Bei Patienten mit vor allem Vorerkrankungen im Bereich des Herz-Kreislaufsystems oder Flüssigkeitsmangel kann eine Anästhesie jedoch schwerwiegende Auswirkungen auf den Blutdruck haben. Wenn der Anästhesist einen kritischen Blutdruckabfall bemerkt (zum Beispiel durch einen reflektorischen Anstieg der Herzfrequenz) werden Gegenmaßnahmen eingeleitet. Diese sind unter anderem die Gabe von Sympathomimetika (zum Beispiel Noradrenalin, Cafedrin-Theodrenalin in Form von Akrinor® oder Ephedrin) oder die Volumengabe in Form von Infusionen zum Ausgleich des Flüssigkeitshaushaltes.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 02.05.2018 - Letzte Änderung: 25.07.2023