Psychosomatische Rückenschmerzen

Was versteht man unter psychosomatischen Rückenschmerzen?

Die Psychosomatik ist ein medizinischer Teilbereich, der sich mit körperlichen Beschwerden beschäftigt, die unter anderem auf psychische Faktoren zurückzuführen sind. Heutzutage nehmen psychische Erkrankungen aufgrund von Stresssituationen, Drucksituationen im Alltag, Depressionen, Angst- und Panikzuständen und zahlreichen anderen Faktoren stark zu.

Verbindungen zwischen körperlichen Beschwerden, sogenannten „somatischen“ Erkrankungen und psychischen Einflüssen sind erwiesen. Die körperlichen Symptome sind dabei keineswegs nur eine Einbildung, sondern ein ernstzunehmender und häufig auch messbarer Zustand, dessen Ursache unter anderem die Psyche ist. Psychosomatische Rückenschmerzen können verschiedene Formen annehmen. In den meisten Fällen treten aufgrund von Bewegungsarmut, Bandscheibenvorfällen, Muskelverspannungen oder anderen körperlichen Erkrankungen zu einem Zeitpunkt Rückenschmerzen auf.

Aufgrund von psychischen Umständen kann der Schmerz als psychosomatischer Rückenschmerz chronifizieren, obwohl später kein körperlicher Grund für den Schmerz vorliegt. Menschen mit depressiven Symptomen leiden sogar bis zu doppelt so häufig unter chronischen Rückenschmerzen wie gesunde Menschen. Bei etwa 15-20% chronischen Rückenschmerzen in der gesamten Gesellschaft, stellt der psychosomatische Rückenschmerz also ein enorm häufiges und wichtiges Krankheitsbild dar.

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Ursachen für psychosomatische Rückenschmerzen

Die psychischen Ursachen, die sich in der Folge als Rückenschmerz manifestieren können, sind zahlreich. Die häufigsten Erkrankungen und Ursachen in diesem Zusammenhang sind Depressionen, Angst- und Panikzustände, psychisch belastende Stresssituationen und soziale Instabilität. Das Hauptproblem dieser Erkrankungsbilder liegt in den heutigen Gesellschaftsstrukturen und der Alltagswelt. Immer höher werdende Ansprüche, belastende soziale Situationen und ein Leistungsdruck im Arbeits- und Privatleben stehen Zeitmangel, einer Antriebslosigkeit, Bewegungsarmut, und permanentem Stress gegenüber.

Der psychische Druck kann sich dadurch nur mangelhaft entladen und die psychische Gesundheit rückt in der heutigen Gesellschaft immer mehr in den Hintergrund. Im Krankheitsbild der psychosomatischen Rückenschmerzen kommen häufig orthopädische Probleme aufgrund von Bewegungsarmut, starren Bürotätigkeiten, Muskelverspannungen und Muskelschwächen im Rücken hinzu. Diese sind oft ein erster Auslöser der Rückenschmerzen.

Der psychische Druck, der sich anstaut, ist anschließend nur der letzte Faktor, der den Schmerz aufrecht erhält und sich als Reaktion auf einen stressigen Alltag entläd. Der seelische Stress kann statt auf eine Anhäufung belastender Situationen auch auf einmalige einschneidende Erlebnisse wie einen Todesfall oder eine Trennung zurückzuführen sein.

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Begleitende Symptome

Die Symptome psychischer Erkrankungen aber auch somatischer Folgebeschwerden können zahlreich sein. Psychische Symptome, die bei psychosomatischen Rückenschmerzen im Vordergrund stehen, sind Antrieblosigkeit, gedrückte Stimmung, negative Gedanken, eingeschränkte Leistungsfähigkeit, Angst vor sozialen Situationen, Herzrasen, Schweißausbrüche, Trauer, Suizidgedanken und viele mehr. Dies alles können Begleitsymptome auslösender psychischer Erkrankungen sein, sie müssen jedoch keinesfalls gemeinsam oder gleichzeitig auftreten.

Oftmals können psychische Beschwerden auch unbemerkt entstehen und gänzlich symptomlos verlaufen oder durch Stress unterdrückt werden. Typische somatische Erkrankungen und Symptome, die mit psychischen Beschwerden verknüpft sein können, sind funktionelle Störungen des Herz-Kreislaufsystems, Schmerzen am ganzen Körper, Darm- und Verdauungsbeschwerden, Übergewicht oder Magersucht, Bulimie, Atemprobleme, Inkontinenz, Tinnitus oder Juckreiz. Dies stellt lediglich eine Auswahl psychosomatischer Beschwerdebilder dar.
Liegt bereits ein psychosomatischer Rückenschmerz vor, ist die Wahrscheinlichkeit für eines dieser Krankheitsbilder auch erhöht. Keineswegs jedoch muss eines dieser Symptome zusätzlich zum Rückenschmerz auftreten.

Psychosomatische Rückenschmerzen und Bauchschmerzen

Bauchschmerzen stellen ein häufiges und sehr unspezifisches Symptom dar. In den meisten Fällen entstehen sie aufgrund von Verdauungsbeschwerden und anderen vorübergehenden Erkrankungen des Darmes. Im Zusammenhang mit einem psychosomatischen Rückenschmerz muss jedoch bei längerfristigen und therapieresistenten Bauchschmerzen an weitere psychosomatische Erkrankungen gedacht werden.

Durch das Vorliegen einer psychosomatischen Erkrankung erhöht sich die Wahrscheinlichkeit dafür, auch an einem Reizdarmsyndrom oder einer Essstörung zu erkranken. Das Reizdarmsyndrom kann mit Blähungen, Bauchschmerzen und Verdauungsproblemen einhergehen. Ähnlich wie der psychosomatische Rückenschmerz kann das Reizdarmsyndrom aufgrund von verschiedenen somatischen Erkrankungen entstehen und über Stress und psychische Konflikte aufrechterhalten werden.

Bevor die Diagnose einer psychosomatischen Verdauungsstörung gestellt wird, müssen jedoch in jedem Fall sämtliche somatische Ursachen sicher ausgeschlossen sein.

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Diagnose der psychosomatischen Rückenschmerzen

In der Diagnostik der psychosomatischen Rückenschmerzen steht zunächst im Vordergrund, eine somatische Ursache (körperliche) sicher auszuschließen. Dazu sollten körperliche Untersuchungen, bildgebende Verfahren und weitere diagnostische Mittel eingesetzt werden. Mögliche somatische Ursachen des Rückenschmerzes können die Bandscheibenvorwölbung, ein Bandscheibenvorfall, Muskelverspannungen, Wirbelkörperverletzungen oder Blockaden der Wirbel und der Rückenmuskulatur sein. Erst wenn diese Ursachen ausgeschlossen sind, kann an eine psychische Ursache der somatischen Beschwerden gedacht werden.
Die anschließende Diagnostik erfolgt anhand längerer Gespräche und einer psychotherapeutischen Beratung, um mögliche Ursachen aufdecken zu können. Hierbei können Stresssituationen, seelische Konflikte und andere psychische Ursachen entdeckt, analysiert und therapiert werden. In der Diagnostik ist zu beachten, dass eine langwierige und zu ausführliche Diagnostik somatischer Ursachen die psychischen Belastungen verstärken kann. Nach dem Ausschluss eines Bandscheibenvorfalls etwa sollten keine permanenten Folgeuntersuchungen erfolgen, um die Beschwerden nicht zu erhöhen.

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Psychosomatische Rückenschmerzen oder doch ein Bandscheibenvorfall?

Am Anfang der psychosomatischen Diagnostik muss selbstverständlich der sichere Ausschluss einer potentiellen somatischen Ursache des Rückenschmerzes erfolgen. Ein chronischer Schmerz im Rücken, insbesondere in der Lendenwirbelsäule, kann in vielen Fällen durch Bandscheibenprobleme verursacht werden. Nicht nur bei älteren Patienten, sondern auch bei jungen Menschen kann ein Bandscheibenvorfall auftreten und starke Schmerzen verursachen.

Zum Ausschluss des Bandscheibenvorfalls muss eine CT oder MRT Untersuchung erfolgen, auf der sich eventuelle Vorwölbungen oder Risse der Bandscheiben erkennen lassen. Liegt ein Bandscheibenvorfall vor, müssen sofort therapeutische Schritte eingeleitet werden, in seltenen Fällen auch Operationen. Ist jedoch kein Bandscheibenvorfall im radiologischen Bild zu erkennen, kann eine psychosomatische Ursache hinter den Beschwerden stecken.

Wichtig in der Behandlung chronischer und psychosomatischer Schmerzen ist, dass die somatische Diagnostik der Bandscheiben nicht überflüssigerweise wiederholt wird, wenn kein Anlass auf einen neu aufgetretenen Bandscheibenvorfall besteht. Eine wiederholte, unnötige Diagnostik kann die Schmerzen verschlimmern und psychische Konflikte verschärfen. 

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Therapie bei psychosomatischen Rückenschmerzen

Therapeutisch bestehen bei dem Krankheitsbild der psychosomatischen Rückenschmerzen viele verschiedene Ansätze, um akute Beschwerden zu lindern, die psychische Gesundheit zu stabilisieren oder primär psychosomatischen Erkrankungen vorzubeugen. Die Prävention psychischer Beschwerden im Alltag stellt auch einen wichtigen Faktor in der Akuttherapie dar. Wichte Ansätze, um im Alltag entspannt zu bleiben und Stress nicht anzustauen, bestehen darin, oft innezuhalten, auf den eigenen Körper zu hören, bewusste Ruhezeiten im Tag einzubauen, über schwierige Situationen frühzeitig zu reden und Stresssituationen nach Möglichkeit zu entgehen.

Zu Beginn der Therapie steht für den Betroffenen im Vordergrund, den Zusammenhang zwischen der psychischen Belastung und den somatischen Beschwerden zu verstehen, nachzuvollziehen und zu akzeptieren. Unter professioneller Anleitung sollten anschließend die Konflikte durchdacht, analysiert und aufgearbeitet werden. Wichtig ist dabei, die genauen Schmerzauslöser aufzudecken, ein Vermeidungsverhalten abzulegen, und bewusst gegen den Schmerz anzugehen. Bei psychosomatischen Rückenschmerzen sind begleitende Bewegungstherapien unerlässlich. Auch wenn die Ursache der Rückenschmerzen psychosomatisch ist, sind Sport, Muskelaufbau, Muskelentspannungen und Yoga wichtige Hilfen um den Rücken zu stärken, sowie Stress und Anspannung der Muskulatur vorzubeugen.

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Bedeutung psychosomatischer Rückenschmerzen

Die Bedeutung einer psychosomatischen Erkrankung ist bei jedem Betroffenen unterschiedlich. Die Rückenschmerzen können als akutes Zeichen einer momentanen psychischen Belastung auftreten, aber auch als chronische Folge langjähriger psychischer Beschwerden. In jedem Fall ist der Schmerz als Ausdruck und Entladung einer belasteten Psyche zu verstehen und kann nur dann kausal therapiert werden, wenn die psychische Belastung als Ursache akzeptiert und behandelt wird.

Im Gegensatz zu somatischen Symptomen haben psychische Erkrankungen geringere Möglichkeiten, sich bei Anspannungen, Überlastungen und Stress bemerkbar zu machen. Auch die Stimmung kann trotz erheblicher psychischer Belastungen unverändert bleiben. Deshalb ist es auch für Nicht-Betroffene unerlässlich, auf die eigene psychische Gesundheit zu achten und sich im Alltag ausreichende Ruhe zu gönnen, damit sich Belastungen nicht anstauen und als somatisches Symptom entladen können.

Dauer psychosomatischer Rückenschmerzen

Die Dauer psychosomatischer Rückenschmerzen lässt sich nicht pauschal festlegen. Leider handelt es sich bei diesen Beschwerden um ein Krankheitsbild, welches häufig chronifiziert und sich sehr langwierig gestalten kann. Akute Beschwerden des Rückens nach Verspannungen oder Bandscheibenvorfällen können häufig innerhalb weniger Wochen mit einer geeigneten Physiotherapie abklingen.

Ein Rückenschmerz, der aufgrund eines psychischen Konflikts entsteht, kann jedoch schwer zu therapieren sein und auch mit einer guten Therapie hartnäckig bestehen bleiben. Von einem chronischen Verlauf spricht man nach 6 Monaten. Um chronische Schmerzen kontrollieren zu können, ist eine alleinige kausale Therapie oft nicht mehr ausreichend. Bei diesen langen Verläufen müssen multimodale Schmerztherapien zum Einsatz kommen, die verschiedene Symptome und Ursachen behandeln.

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 05.04.2019 - Letzte Änderung: 30.03.2024