Tollwut

Synonyme

Wutkrankheit, Hydrophobie, Griechisch: Lyssa, Lateinisch: Rabies Französisch: La Rage

Definition

Tollwut ist eine Infektionskrankheit des zentralen Nervensystems. Der Erreger ist der zu den Rhabdoviren gehörende Tollwutvirus und wird durch einen Biss infizierter, den Virus im Speichel ausscheidender Tiere wie Hunde oder Füchse übertragen.

Erreger

Der Tollwutvirus ist ein Virus, der Nervenzellen infiziert und sich dort vermehrt (neurotroper Virus). Er gehört zur Gruppe der Rhabdoviren. Rhabdoviren haben eine Hülle aus Eiweißmolekülen, einen Einzelstrang einer Kopie der DNA (RNA) und sind meist stäbchenförmig. Das Virus ist unter Wild- und Haustieren weit verbreitet. Betroffene Tiere sind: Füchse, Rehe, Hunde und Katzen. Aber auch Fledermäuse, Frettchen, Dachse, Waschbären, Stinktiere und Wölfe können Überträger sein.

Übertragung

Die Übertragung erfolgt über den infizierten Speichel oder Urin tollwutkranker Tiere, vor allem bei Biss- und Kratzverletzungen, aber auch bei zutraulichem Lecken in Bereichen kleiner Hautverletzungen. Die intakte Haut kann von dem Virus nicht durchdrungen werden, dafür aber intakte Schleimhaut wie zum Beispiel der Mundschleimhaut. Auch in der Milch der erkrankten Tiere befinden sich die Viren. Als tollwutverdächtig gilt jedes Tier, das sich in einem tollwutgefährdeten Gebiet untypisch verhält. Leitsymptom eines befallenen Tiers ist die fehlende Scheu vor Menschen in freier Wildbahn. Gefährdet sind vor allem Tierärzte, Förster, Jäger, Waldarbeiter, Schlächter und Laborpersonal.

Die sehr unterschiedliche Inkubationszeit liegt zwischen 10 Tagen und mehreren Monaten. Sie ist umso kürzer, je näher die Viruseintrittsstelle zum zentralen Nervensystem gelegen ist.

Epidemiologie

Tollwut ist eine sehr seltene Infektionskrankheit. Die Erkrankungshäufigkeit liegt etwa bei 1:100.000.000 weltweit. Zwischen 1977 und 1992 gab es vier Todesfälle aufgrund von Tollwut in Deutschland. Zuletzt wurde im Jahr 2007 bei einem Mann Tollwut festgestellt, der sich während eines Aufenthaltes in Marokko durch einen Hundebiss infiziert hatte. In Indien gibt es 50.000 Tollwuttote jährlich.

Zu einer Übertragung von Rabiesviren kam es im Sommer 2004 bei einer Organtransplantation in den USA. Alle Organempfänger starben an den Folgen der Infektion. Im Jahr 2005 kam es auch in Deutschland zu solch einem Vorfall: Die Organspenderin übertrug das Virus auf die Empfänger. Drei davon starben an Tollwut, die anderen drei überlebten. Die Spenderin hatte sich zuvor in Indien aufgehalten.

Historie

Tollwut gehört zu den am längsten bekannten Infektionskrankheiten. Bereits etwa 2300 v.Chr. war bekannt, dass die Erkrankung durch einen Biss übertragen werden kann. In der Antike beschäftigten sich Aristoteles und Euripides, ein griechischer Dramatiker, mit der Krankheit und auch in der griechischen Mythologie war zum Beispiel Artemis, die Göttin der Jagd, eine Kundgeberin oder Opfer der Tollwut. Augustinus von Hippo, römischer Philosoph des Mittelalters, vermutete den Ursprung der Tollwut beim Teufel. Sirius (griechisch: Hund), der Hauptstern im Sternenbild des Großen Hundes ist, bekam seinen Namen durch den Glauben, dass er Verbreiter der Seuche ist. Deshalb wurden im Hochsommer, wenn Sirius besonders nah an der Sonne stand, Hunde, von denen man vermutete, dass sie an Tollwut erkrankt sind, gefoltert und getötet. Die Tollwut wird schon seit langer Zeit von Mythen, Aberglaube und Fantasien der Menschen begleitet, vor allem weil sie unweigerlich zum Tod führte. Auch der Ursprung des Glaubens an Werwölfe steht in enger Verbindung mit der Erkrankung, da Tollwut durch den Biss von Wölfen übertragen wurde und ein so infizierter Mensch „wolfsähnlich“ wurde. Behandelt wurde die Tollwut mit dem Hubertusschlüssel, der dem heiligen Hubertus, dem Schutzpatron der Jagd, geweiht wurde. Dieses Instrument war ein Schlüssel oder ein Nagel, der über Kohle zum Glühen gebracht wurde und dann zum Ausbrennen der Bisswunde verwendet wurde. Allerdings wurde 1828 die Anwendung des Hubertusschlüssels kirchlich verboten. 1885 wurde der Impfstoff von Louis Pasteur (1822-1895), französischer Mediziner und Bakteriologe, entwickelt. Dafür setzte er abgeschwächte Tollwut-Viren in das Rückenmark von Kaninchen ein, die Kaninchen bildeten Antikörper gegen die Viren und Pasteur stellte aus dem getrockneten Rückenmark den ersten Impfstoff gegen Tollwut her.

Ursachen

Das Virus vermehrt sich zunächst an der Eintrittsstelle im Muskel - und Bindegewebe, um dann entlang der Nerven ins Rückenmark und ins Gehirn zu gelangen. Dort befallen sie die Nervenzellen und vermehren sich ein weiteres Mal. So kommt es zu einer akuten Entzündung (Enzephalitis) und sogenannte Negri-Körperchen entwickeln sich, die zum Teil aus unreifen Viren bestehen. Wenn eine bestimmte Anzahl von Viren erreicht ist, breiten sie sich wieder entlang der Nerven aus, was zu Lähmungen des Körpers und letztendlich zum Tod führt. Auch Speichel- und Tränendrüsen können befallen werden, sodass der Virus mit deren Sekret ausgeschieden werden kann. Aber nur bei 30 bis 40% der Infizierten kommt es zum Ausbruch der Krankheit, die dann aber immer tödlich endet. Bei der aggressiven Form ist vor allem das Gehirn betroffen, bei der stillen Form kommt es zu einer Entzündung des Rückenmarks (Myelitis).

Symptome

Tollwut ist eine Entzündung des Gehirns (Enzephalitis) mit den drei wichtigsten Symptomen (Symptomtrias) Erregungszustände, Krämpfe und Lähmungen.

Die Krankheit verläuft in drei Stadien:

  • Prodromalstadium (melancholisches Stadium): Dieses Stadium ist unterschiedlich lang und ist gekennzeichnet durch Schmerzen an der Wunde, ein unspezifisches Krankheitsgefühl, leichte Temperaturerhöhung, Kopfschmerzen, Übelkeit, depressive Stimmung und Wesensveränderungen wie Nervosität.
  • Exzitationsstadium: Es entwickeln sich Schmerzen und störende Empfindungen wie Kribbeln (Parästhesien) im Bereich der Wunde, ebenso Atemstörungen, hohes Fieber, Angstzustände, Verwirrtheit und psychische Erregbarkeit, die schon bei geringsten Anlässen zu Wutanfällen führt. Außerdem kommt es zu verstärktem Speichel- und Tränenfluss, wobei der Speichel aufgrund der Lähmung der Rachenmuskulatur nicht mehr richtig geschluckt werden kann und deshalb aus dem Mund läuft. Der Anblick von Flüssigkeit löst heftige Schlundmuskelkrämpfe aus, was als eine Abneigung gegen Trinken (Hydrophobie) bezeichnet wird. Die Hydrophobie und die Schluckbehinderung verhindern die Verdünnung des Virus, was die giftige Wirkung des Virus erhöht.
  • Paralytisches Stadium: Nach 1-3 Tagen kommt es zu einem Rückgang der Erregbarkeit und zu fortschreitenden Lähmungen der Muskeln (motorisch) und der Berührungssinne (sensibel). Der Tod kommt durch eine zentrale Atemlähmung und Kreislaufversagen. In diesem Stadium ist der tödliche Ausgang nicht mehr aufzuhalten.

Diagnose

Die Diagnose von Tollwut ist bei anfänglich unspezifischen Symptomen schwierig. Zunächst ergibt sich der Verdacht auf Tollwut durch die Beobachtung der Symptomatik und die Befragung des Patienten nach seiner Vorgeschichte (Anamnese).

Die DNA des Tollwutvirus kann in Speichel, Hornhaut des Auges und Hirnflüssigkeit (Liquor cerebrospinalis) mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR), ein Verfahren zu Vervielfältigung der DNA, nachgewiesen werden. Erreger- und Antikörpernachweis sind aber nur bedingt verwertbar, da ein negativer Erregernachweis Tollwut nicht ausschließt und Antikörper erst verzögert nach etwa 7 bis 10 Tagen in Blut und Liquor nachweisbar sind. Im Gewebe des Gehirns können nach dem Tod die bereits erwähnten Negri-Körperchen gefunden werden.

Therapie

Eine spezifische Therapie gibt es nicht, nur die Symptome können behandelt werden (symptomatische Therapie). Die Bisswunde muss zunächst ausgiebig mit Wasser gespült und mit Seife gereinigt werden. Anschließend wird sie wie üblich desinfiziert und muss offen gehalten werden. Eventuell muss chirurgisch Gewebe aus der Wunde entfernt werden (Exzision). Weiterhin können dem Patienten im Endstadium der Krankheit intensivmedizinische Maßnahmen helfen. Dafür wird er auf die Intensivstation aufgenommen, wo die Vitalzeichen überwacht werden, der Patient mit Medikamenten ruhig und schläfrig gemacht wird und zuletzt beatmet wird.

Bei begründetem Verdacht auf Tollwut muss sofort eine Simultanimpfung durchgeführt werden, was bedeutet, dass der Patient gleichzeitig Tollwut-Antikörper (passive Impfung) und den Tollwut-Impfstoff (aktive Impfung) bekommt. Etwa die Hälfte der Tollwut-Antikörper sollen dabei um die Wunde herum injiziert werden, damit die im Gewebe verbliebenen Viren direkt neutralisiert werden. Die Impfung ist aber nur während des frühen Stadiums, dem Prodromalstadium, wirksam. Zusätzlich muss der Tetanus -Schutz kontrolliert werden.

Auch ist es möglich nach dem Kontakt mit dem Erreger, eine Maßnahme zum Schutz des Körpers zu ergreifen und somit dem Ausbruch der Erkrankung zu entkommen. Lesen Sie für detaillierte Informationen unseren Artikel: Postexpositionsprophylaxe - Die Rettung?​​​​​​​

Merke:

Der Verdacht, die Erkrankung und der Tod an Tollwut sind meldepflichtig und müssen innerhalb von 24 Stunden dem Gesundheitsamt gemeldet werden!

Prophylaxe

Stark gefährdete Personen werden gegen Tollwut geimpft. Der HDC-Impfstoff (human diploid cell) beinhaltet inaktivierte Tollwut-Viren, die die Erkrankung nicht mehr auslösen können. Die Viren werden in menschlichen Zellen oder in Hühnerzellen gezüchtet. Nach der Injektion bildet der Körper dann Antikörper gegen die Viren. Diese aktive Impfung ist relativ schmerzlos und wird in mehreren Dosen im Abstand von einigen Tagen oder einer Woche in den Arm verabreicht. Der genaue Impfplan ist präparateabhängig und wird vom Hersteller angegeben. Meist beinhaltet dieser 3 Dosen an den Tagen 0, 7, 21 oder 28. Die Impfung muss nach einem Jahr und danach alle 3-5 Jahre wiederholt werden.

--> Siehe auch: Impfungen für Erwachsene

Prognose/Rehabilitation

Nur bei 30 bis 40% der Infizierten kommt es zum Ausbruch der Krankheit, die dann ohne Behandlung immer tödlich endet. Meist tritt der Tod durch Atemstillstand ein. Erfolgt die Simultanimpfung aber rechtszeitig und vorschriftmäßig, ist die Wahrscheinlichkeit an Tollwut zu erkranken sehr gering.

Zusammenfassung

Die Tollwut ist eine lebensgefährliche, durch Viren ausgelöste Infektionskrankheit, die meist durch den Kontakt mit Speichel bzw. durch den Biss eines infizierten Tieres übertragen wird. Ohne Behandlung führt der Ausbruch der Krankheit immer zum Tod. Todesursache ist meist der Atemstillstand durch Lähmung der Atemmuskulatur. Je näher die Viruseintrittsstelle zum zentralen Nervensystem (ZNS) gelegen ist, desto schneller bricht die Krankheit aus. Das Virus befällt das zentrale Nervensystem und verursacht so Lähmungen, Krämpfe, Missempfindungen in der Haut, aber auch Angstzustände, Verwirrtheit und den Hang, schnell Wutanfälle zu bekommen. Eine Simultanimpfung mit Tollwut-Impfstoff und Tollwut-Antikörper kann den Ausbruch der Erkrankung nach der Infektion verhindern, wenn sie rechtzeitig gemacht wird.

Weitere Informationen

Weiterführende Informationen finden Sie auf folgenden Seiten:

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 01.11.2009 - Letzte Änderung: 06.11.2021