Was sind die Nebenwirkungen von Valproinsäure?

Einleitung

Valproinsäure, auch Valproat  genannt, ist ein Mittel zur Behandlung von Epilepsie auch Anfallsleiden genannt. Es gehört dementsprechend zu der Medikamentengruppe der Antiepileptika.
Es handelt sich um ein sehr potentes Arzneimittel, dessen Wirkungsmechanismus allerdings noch nicht vollständig erklärt werden konnte.

Warum kann Valproinsäure Nebenwirkungen verursachen?

Wahrscheinlich greift Valproinsäure über eine Verstärkung hemmender Signale in das Neurotransmittersystem im Gehirn an. Wie alle Arzneimittel können auch bei der Einnahme von Valproinsäure Nebenwirkungen auftreten, davon sind einige häufig, andere traten bei Studien nur gelegentlich oder sehr selten auf.

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Mögliche Nebenwirkungen von Valproinsäure

Sehr häufig:

  • Thrombozytopenie (Verminderung der Blutplättchen)
  • Leukopenie (Verminderung der weißen Blutkörperchen)
  • Klinisch nicht relevante Erhöhungen von Ammoniak im Serum

Häufig:

  • Gewichtszu- oder -abnahmen
  • Verminderter oder vermehrter Appetit
  • Schläfrigkeit und Schwindel
  • Zittern, Gefühlsstörungen wie Kribbeln oder Taubheit der Haut
  • Vorübergehender Haarausfall

Gelegentlich: 

  • Blutungen, Kopfschmerzen, Verwirrtheit 
  • Verspannungen, Gangunsicherheit, übersteigerte Aktivität 
  • Stupor (eine körperliche Erstarrung bei wachem Bewusstsein)
  • Organische Hirnerkrankung, die sich nach dem Absetzen zurückbilden kann
  • Durchfall und übermäßige Speichelbildung,
  • Schwerwiegende, teilweise tödlich verlaufende Leberfunktionsstörungen (bei Kindern ist das Risiko erhöht),
  • Ödeme (Wassereinlagerungen im Gewebe)

Selten: 

  • Lupus erythematodes und Vaskulitis  (Immunreaktionen des Körpers)
  • Nierenfunktionsstörung
  • Störung der Gehirnfunktion inklusive geistiger Leistungsfähigkeit
  • Unregelmäßige Regelblutung
  • Zystisch vergrößerte Eierstöcke

Sehr selten:

  • Störung der Knochenmarksfunktion
  • Schwerwiegende Blutarmut
  • Hyponatriämie (erniedrigte Natriumkonzentration im Blut)
  • Schädigung der Bauchspeicheldrüse mit teilweise tödlichem Ausgang

In Einzelfällen beobachtet:

  • Überempfindlichkeitsreaktionen,
  • Eosinophilie
  • Pleuraerguss
  • Sinnestäuschungen, Hirnleistungsstörungen, Bewegungsstörungen
  • Ohrengeräusche, vorübergehender oder bleibender Hörverlust
  • Verringerung der Knochendichte (Osteoporose)
  • Bettnässen bei Kindern
  • Abfall der Körpertemperatur

Gewichtszunahme

Zu den möglichen Nebenwirkungen bei der Einnahme von Valproinsäure gehört ein gesteigerter Appetit und daraus resultierende Gewichtszunahme. Einige Studien sprechen von einer Gewichtszunahme bei zwischen 20 und 70% der mit dem Antiepileptikum behandelten Patienten. Vielerlei Ursachen kommen für die Nebenwirkung bei der Therapie infrage:

  • Eine Störung des sogenannten neuroendokrinen Regelsystems (also eine hormonelle Störung)
  • Eine durch Valproinsäure induzierte Insulinresistenz, die den Blutzucker ansteigen lässt
  • Ein verringerter Abbau von Fettsäuren im Blut, die zur Neusynthese von Fettspeicher führt
  • Verminderte körperliche Aktivität
  • Eine durch zu hohe Kalorienzufuhr aus diesen Faktoren resultierende Gewichtszunahme

Ob Patienten von dieser Nebenwirkung betroffen sind, wird durch viele Faktoren beeinflusst:

  • Geschlecht (Frauen sind häufiger betroffen als Männer)
  • Lebensphase (die Pubertät als kritischer Zeitpunkt)
  • Dauer und Dosis der Behandlung
  • Ausgangsgewicht
  • Genetische Veranlagung 

Eine Gewichtszunahme führt bei vielen Patienten zum Abbruch der Therapie mit Valproinsäure, außerdem steigert Übergewicht das Risiko für das Metabolische Syndrom und Diabetes Mellitus.

Bei der Einführung der Therapie mit Valproinsäure sollte der Patient über die möglichen Nebenwirkungen aufgeklärt werden und sein Körpergewicht im Auge behalten. Körperliche Aktivität und ausgewogene Ernährung können eine Gewichtszunahme verhindern. Sollte das Körpergewicht dennoch stark ansteigen, ist eine Umstellung der Therapie auf ein anderes Antiepileptikum zu erwägen.

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Hautausschlag

Valproinsäure kann verschiedene Nebenwirkungen auf die Haut haben. Eine mögliche, aber seltene Nebenwirkung von Valproinsäure sind Hautausschläge. Das Risiko ist in der Monotherapie relativ gering, steigt aber besonders in der Kombinationstherapie mit dem Antiepileptikum Lamotrigin.

Obwohl eine allergische Reaktion vermutet wird, ist der Mechanismus hinter der Entstehung von Hautausschlägen nicht vollständig erklärt. Der Ausschlag kann kleinere Areale, aber auch den ganzen Körper betreffen. Daneben können Hauterhebungen wie Pusteln oder Quaddeln auftreten, außerdem ein Juckreiz.

Eine seltene Nebenwirkung bei der Therapie mit Valproat ist auch das Auftreten eines Lupus erythematodes, einer Immunerkrankung. Diese geht mit schmetterlingsförmigen und schuppenden Hautausschlägen, vor allem an den Händen einher.

Juckreiz

Juckreiz tritt meist als Begleiterscheinung von Hautausschlägen bei der Valproattherapie auf.
Treten Hautreaktionen wie Rötung, Ausschlag oder Juckreiz auf, sollte umgehend ein Arzt aufgesucht werden. Dieser kann wenn nötig die Behandlung mit Valproinsäure beenden und ein alternatives Antiepileptikum verschreiben.

Kopfschmerzen

Bei der Einnahme von Valproinsäure können gelegentlich Kopfschmerzen auftreten. Interessanterweise wird das Medikament im Off-Label-Gebrauch aber auch zur Migräneprophylaxe oder zur Vorbeugung von Cluster-Kopfschmerz eingesetzt, was zeigt, dass Kopfschmerzen nicht bei jedem Anwender auftreten müssen.

Treten neben Kopfscherzen weitere neurologischen Symptome wie Schwindel, Gangunsicherheit, Sehstörungen, Verhaltensstörungen oder sogar Wahnvorstellungen auf, sollte unbedingt ein Arzt konsultiert werden.

Im schwersten Fall kann die Einnahme von Valproat zu einer sogenannten Enzephalopathie (Hirnerkrankung) führen, die sich akut oder chronisch manifestieren kann.

Schwindel

Schwindel ist ein unspezifisches Symptom und tritt bei der Therapie mit Valproinsäure als häufige Nebenwirkung auf.
Oftmals kann man Schwindelattacken durch langsames Aufrichten aus dem Sitzen oder Liegen zuvorkommen, besteht das Schwindelgefühl allerdings längerfristig und schränkt den Alltag stark ein, sollte ein Arzt konsultiert werden.

Sehstörungen

Eine weitere mögliche Nebenwirkung bei der Therapie mit Valproinsäure sind Sehstörungen, wie etwa das Sehen von Doppelbildern. Auch ein von außen sichtbarer Nystagmus  (ein schnelles Augenzucken) kann auftreten.

Diese Nebenwirkungen können bei praktisch allen Antiepileptika auftreten und die Fahrtüchtigkeit und das Bedienen von Maschinen beeinflussen. Bei Sehstörungen sollte der behandelnde Neurologe konsultiert werden.

Zittern

Zittern, medizinisch als Tremor  bezeichnet, tritt bei der Einnahme von Valproinsäure häufig als Nebenwirkung auf. Dabei kann es ein isoliertes Symptom sein und erfordert nicht zwingend ein Absetzen des Medikaments, allerdings kann ein Tremor auch ein Hinweis auf eine durch Valproat induzierte akute oder chronische Enzephalopathie sein.

Weitere Begleitsymptome können den Verdacht einer Enzephalopathie verstärken: 

  • Konzentrationsstörungen
  • Desorientierung, Verlangsamung
  • Inkontinenz
  • Asterixis (ein zuckendes Herabfallen der gestreckten Arme)

Eine akute Valproat-Enzephalopathie erfordert das Absetzen der Therapie und bildet sich genau wie die chronische Valproat-Enzephalopathie danach meist vollständig zurück. Treten diese oder andere neurologische Nebenwirkungen auf, sollte der Patient unbedingt einen Arzt aufsuchen.

Haarausfall

Vorübergehender Haarausfall gilt als weitere häufige Nebenwirkung von Valproinsäure. Dieser stellt sich als sogenannter diffuser Haarausfall dar, betrifft also den kompletten Kopf. Ein Verlust von Axillar- oder Schambehaarung ist dagegen seltener.

Der Haarausfall manifestiert sich frühestens vier Tage bis zwei Wochen nach Beginn der Einnahme. Der Haarausfall ist jedoch nur vorübergehend, nach etwa ein bis drei Monaten nach Beendigung der Behandlung wächst das Haar wieder nach.

Missempfindungen

Missempfindungen werden medizinisch als Parästhesien bezeichnet und können als häufige Nebenwirkungen von Valproinsäure auftreten. Die Empfindung ist dabei unangenehm bis schmerzhaft, Patienten beschreiben verschiedene Symptome:

  • Kribbeln, Taubheitsgefühl
  • Eingeschlafene Glieder
  • Wärme- oder Kälteempfindungen ohne adäquate Reize

Das Auftreten und die Intensität der Missempfindungen sind dabei dosisabhängig, steigern sich also bei erhöhter Zufuhr des Medikamentes. Bei unangenehmen und schmerzhaften Missempfindungen sollte der behandelnde Neurologe konsultiert werden.

Welche Nebenwirkungen können beim Absetzen entstehen?

Medikamente sollten niemals eigenständig vom Patient, sondern immer in Rücksprache mit einem Arzt abgesetzt werden. Manchmal machen Nebenwirkungen das Absetzen des Antiepileptikums notwendig. Unabhängig davon kann auch nach der empfohlenen zweijährigen Anfallsfreiheit eine Absetzung des Medikaments in Erwägung gezogen werden.

In jedem Fall handelt es sich bei dem Absetzen von Antiepileptika wie Valproat um eine individuelle Entscheidung, die unter der Betreuung eines erfahrenen Neurologen erfolgen sollte. Die Dosis von Valproinsäure sollte dabei möglichst schrittweise reduziert, also ausgeschlichen werden. Hinweise auf besondere Nebenwirkungen beim Absetzen von Valproinsäure gibt es bisher nicht. Allerdings kann es, wie bei anderen Antiepileptika, besonders bei zu raschem Absetzen zu Entzugsanfällen kommen.

Auch leichtere Anfallstypen wie Auren können auftreten und sollten den Absetzversuch stoppen. Der Patient sollte ausführlich über den Absetzversuch sowie die möglichen Risiken dabei aufgeklärt werden und regelmäßige Kontrollen einhalten, um ihn erfolgreich und risikoarm durchzuführen.

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 20.12.2017 - Letzte Änderung: 06.11.2021