Schwindel und Wirbelsäulenerkrankungen

Allgemeines

Schwindel, in der medizinischen Fachsprache auch Vertigo genannt, ist das Empfinden eines Drehgefühls oder Schwankens. Man empfindet teilweise Angst und das Gefühl, man würde ohnmächtig werden. Im medizinischen Sinne ist Schwindel die Wahrnehmung von nicht realen Bewegungen zwischen sich und der Umwelt (bspw. „Es dreht sich alles um mich herum“). Es gibt verschiedene Arten von Schwindel, die sich in ihren Ursachen und ihrem Charakter unterscheiden können.

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Zu den Ursachen gehören unter anderem Störungen im Vestibularapparat (Gleichgewichtsorgan) und im zentralen Nervensystem. Auch kardiovaskuläre (Herz und Gefäße betreffend) und psychisch bedingte Ursachen spielen eine Rolle. Eine Hauptursache für Schwindel, die sogar recht häufig vertreten ist, ist eine Erkrankung der Wirbelsäule. Der folgende Artikel befasst sich nun etwas genauer mit Erkrankungen der Wirbelsäule, vor allem der Halswirbelsäule, und der Frage, wie diese mit dem Symptom des Schwindels zusammenhängen.

Erkrankungen der Halswirbelsäule

Die menschliche Halswirbelsäule umfasst sieben Wirbel und befindet sich zwischen Kopf und Brustwirbelsäule. Die ersten beiden Halswirbel, welche man Atlas und Axis nennt, stellen hierbei eine Besonderheit dar. Sie unterscheiden sich in ihrem Aufbau von den anderen Wirbeln und bilden zusammen mit dem Occipitalknochen des Schädels das obere und untere Kopfgelenk. Diese Gelenke werden durch einen starken Bandapparat gesichert und ermöglichen wichtige Bewegungen des Kopfes gegen die Wirbelsäule.

Schleudertrauma

Die Halswirbelsäule ist sehr beweglich und kann leicht verletzt werden.
Die häufigsten Verletzungen der Halswirbelsäule geschehen im Straßenverkehr bei Autounfällen. Es kommt hier meist zum Schleudertrauma, bei welchem die Halswirbelsäule, der Kopf, das Gehirn und das Rückenmark nicht direkt geschädigt werden. Es kommt im Rahmen des Unfalls zu einer Beschleunigung und folglich Überstreckung der Halswirbelsäule, die dann nach 1 bis 3 Tagen zu Symptomen wie Schwindel, Kopfschmerzen oder Nackenschmerzen, Gangunsicherheiten und Sprachstörungen führen können.
Es handelt sich beim Schleudertrauma um ein Beschleunigungstrauma der Halswirbelsäule. In der Regel heilt das Schleudertrauma folgenlos ab. Es kann aber auch zu einer Chronifizierung, sp
Auf die Prognose scheinen aber Symptome wie Tinnitus, Schwindelattacken und Nackenschmerzen in der akuten Phase eines Schleudertraumas einen negativen Einfluss zu haben.
Der Schwindel entsteht in erster Linie durch die abrupte und schnelle Kopfbewegung im Rahmen des Unfalls, aber auch durch Überstreckungen und Verspannungen der Muskulatur an der Halswirbelsäule.
Die Therapie besteht in einer aktiven Übungstherapie, Physiotherapie und Krankengymnastik. Schonhaltungen sollten strengstens vermieden werden, da sie die Symptomatik sogar noch verschlechtern können. Daher sieht man von der ursprünglich praktizierten Ruhigstellung der Halswirbelsäule mit einer Halskrause mittlerweile ab. Auch Schmerzmittel wie Diclofenac und Ibuprofen sowie Muskelrelaxantien werden angewendet, um die Verspannungen der Muskulatur zu lösen.
Das Schleudertrauma ist zwar keine sehr angenehme Angelegenheit, jedoch handelt es sich trotz teils sehr unangenehmer Symptome um keine lebensbedrohliche Verletzung.

Verletzung des Bandapparats

Sollte der Bandapparat der Kopfgelenke verletzt werden, können Instabilitäten zwischen Kopf und Hals auftreten. Eine Verletzung des Bandapparates kann ebenfalls im Rahmen eines Unfalls oder aber einer anderen Gewalteinwirkung entstehen. Solche Instabilitäten führen nicht nur zu Schmerzen sondern unter anderem auch zu Schwindel, Bewusstseinsstörungen, Benommenheit und Desorientierung. Der Schwindel ist dann meist kein Drehschwindel sondern eher ein anhaltendes Gefühl der Benommenheit und des Unwohlseins.
Schwere Verletzungen im Rahmen eines Unfalls können bis hin zum Tod führen.
Bei den Bändern, die hier verletzt werden, handelt es sich in der Regel um die Alarligamente (auch Flügelband genannt), welche das Kopfgelenk sichern. Auch andere Bandstrukturen und Gelenkkapseln im Kopfgelenksverbund können bei Überdehnung, Ruptur und Läsionen zu der bereits beschriebenen Symptomatik führen.
Je nachdem welche Strukturen betroffen sind und wie stark sie verletzt wurden, sind unterschiedliche Therapien indiziert. Bei sehr schweren Verletzungen der knöchernen Strukturen und Verletzungen des Kapsel-Bandapparates sind Operationen von Nöten. Ansonsten besteht die Therapie in einer Stabilisierung der Wirbelsäule durch Verbände und aktiven Übungen sowie Schmerzmitteln zur Linderung der Beschwerden.

Subluxation zwischen Atlas und Axis

Bei sehr starken Verletzungen des Bandapparates und einem vollständigen Riss der Gelenkkapsel droht eine Subluxation zwischen den ersten zwei Halswirbeln (Atlas und Axis). Dies ist eine unvollständige Ausrenkung des Gelenks. Es entsteht eine sehr große Instabilität zwischen dem Kopf und der Halswirbelsäule, die zu einer basilären Impression führen kann. Dabei verschiebt sich die Halswirbelsäule dadurch dass sie nicht mehr ausreichend gesichert wird, in Richtung der Schädelbasis und drückt auf das Stammhirn. Es entsteht eine typische sogenannte Stammhirnsymptomatik, die aus Schwindel, Benommenheit, Sehstörungen und ausgeprägten Bewusstseinsstörungen besteht.

Krebserkrankungen

Auch Metastasen und selten Primärtumore (Tumore, die in der Halswirbelsäule entstanden sind) können zu einer Raumforderung im Bereich wichtiger Strukturen wie bspw. der Kopfgelenke führen und Instabilitäten sowie damit einhergehend Schwindel verursachen. Die Therapie umfasst je nach Art und Ausmaß der Krebserkrankung Operationen, Chemotherapie und Bestrahlungen.

Andere Erkrankungen der Halswirbelsäule

Es gibt auch andere Erkrankungen wie Osteomalazie, Osteoporose und Bandscheibenvorfälle der Halswirbelsäule, an denen die Halswirbelsäule mitbeteiligt sein kann. Die Therapie richtet sich hier primär nach der bestehenden Vorerkrankung

Verspannungen Nackenmuskulatur

Schwindel kann auch ganz einfach auf Verspannungen und Überstreckungen im Bereich der Nackenmuskulatur zurückzuführen sein. Diese können beispielsweise die Folge sehr statischer (bspw. bei Büroarbeit) oder mangelnder Bewegung und Stress sein. Man merkt dies im Alltag oft bei extremen Bewegungen der Halswirbelsäule, bspw. beim Überstrecken des Kopfes nach hinten.
Auch Nackenschmerzen und Verspannungen in Ruhe sind ein Hinweis darauf, dass die Ursache des Schwindels in der Halswirbelsäule liegt.
Hier empfiehlt es sich statische Kopfhaltungen zu vermeiden und die Wirbelsäule mit Übungen zu stärken. Diese Übungen kann man alleine zuhause durchführen oder bei sehr starken Beschwerden mit einem Physiotherapeuten oder Krankengymnasten absprechen. Es handelt sich zum einen um Übungen, die die Muskulatur stärken und entspannen und zum anderen um solche, die dem Bandapparat dehnen und entlasten. Fehlhaltungen müssen im Alltag beseitigt werden.
Vor allem bei sehr statischen Arbeitshaltungen empfiehlt es sich von Zeit zu Zeit den Nacken zu dehnen oder die Sitzhaltung zu ändern.
Bei akuten Schmerzen im Nacken und Schwindelanfällen kann Wärme sehr gut tun. Ein Wärmekissen kann so kurzfristig die Beschwerden lindern. Das Arbeiten über Kopf sollte aber generell besonders während einer schmerzenden Phase vermieden werden, um den Nacken nicht noch mehr zu überstrecken. Ein passendes Nackenkissen kann den Nacken im Alltag ebenfalls entlasten und entspannen.

Untersuchung der Halswirbelsäule

Bei der Untersuchung der Halswirbelsäule hat der Arzt verschiedene Möglichkeiten. Zunächst ist das Patientengespräch sehr wichtig, in dem die Symptome genau erfragt werden. Bei Unfällen ist der genaue Ablauf von Bedeutung. So können erste Verdachtsdiagnosen gestellt werden. Um die Ursache für den Schwindel genau bestimmen zu können ist eine Inspektion und das Abtasten der Wirbelsäule unerlässlich. Auch verschiedene Bewegungstests sind von Bedeutung. So kann der Untersucher feststellen, ob bspw. schmerzhafte Verspannungen beim Patienten bestehen. Zuletzt stehen bildgebende Verfahren zur Auswahl wie das Röntgen, MRT und CT. Diese können Verletzungen und Schädigungen der Halswirbelsäule genau abbilden und ermöglichen so eine gezielte Therapie.

Weiterführende Informationen

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 01.06.2015 - Letzte Änderung: 19.07.2023