Myotone Dystrophie

Synonyme

Dystrophia myotonica, Curschmann-Krankheit, Morbus Curschmann-Steinert

engl.: Myotonic (muscular) Dystrophy.

Einleitung

Die myotone Dystrophie ist eine der häufigsten Muskeldystrophien. Sie geht mit Muskelschwäche und Muskelschwund besonders der Gesichtsregion, des Halses, der Unterarme und Hände sowie der Unterschenkel und Füße einher. Charakteristisch ist hierbei die Kombination der Symptome Muskelschwäche und verzögerte Muskelerschlaffung nach Kontraktion. Begleitend treten in unterschiedlicher Ausprägung Störungen anderer Körpersysteme auf: Hodenschwund und Hormonstörungen, Herzrhythmusstörungen, Linsentrübung (grauer Star), Schluck- und Sprechstörungen, gelegentlich ist die intellektuelle Leistungsfähigkeit im Krankheitsverlauf beeinträchtigt. Die myotone Dystrophie ist eine Erbkrankheit, die die Tendenz zeigt, von Generation zu Generation früher aufzutreten. Als Ursache der Erkrankung wurde eine charakteristische Veränderung im Erbgut auf Chromosom 19 gefunden, die zum verminderten Aufbau eines Proteins führt, dass die Intaktheit der Muskelfasermembran sicherstellt. Insgesamt ist die Ausprägung der Erkrankung und der Befall verschiedener Organe von Patient zu Patient unterschiedlich, die Lebenserwartung der Patienten wird vor allem vom Befall des Herzens bestimmt. Eine ursächliche Therapie der Erkrankung besteht nicht, die krankheitsbedingten Symptome der betroffenen Organe können durch Medikamente symptomatisch behandelt werden. Bei Operationen besteht ein erhöhtes Narkoserisiko, das durch die Verwendung bestimmter Medikamente zu vermindern ist.

Definition

Die dystrophische Myotonie ist die häufigste Muskeldystrophie des Erwachsenenalters und geht mit Muskelschwäche, -schwund und verzögerter Entspannung des Muskels nach Aktivität einher. Weiter kann die Erkrankung verschiedene andere Organsysteme betreffen. Klinisch werden 3 Verlaufsformen der myotonen Dystrophie unterschieden

  • eine kongenitale (angeborene) mit Beginn der Symptomatik im Säuglingsalter
  • eine adulte (häufigste Form) mit Beginn im zweiten und dritten Lebensjahrzehnt und
  • eine späte Form mit Beginn erst in höherem Lebensalter.

Epidemiologie

Die Häufigkeit der myotonen Dystrophie wird mit 1/8000 – 1/20000 angegeben. Die Erkrankung ist autosomal-dominant vererblich, das heißt, dass die Kinder Betroffener ein 50%iges Risiko haben, selbst zu erkranken, unabhängig vom Geschlecht. Dabei besteht die Tendenz, dass der Erkrankungsbeginn von Generation zu Generation früher liegt und die Krankheit stärker ausgeprägt ist („Antizipation“).

Ursache

Ursächlich für die myotone Dystrophie ist die Verlängerung eines Abschnittes in Chromosom 19 über ein bestimmtes Maß hinaus. Dies führt zu einer reduzierten Produktion eines Proteins, das mitverantwortlich für die Stabilität der Muskelfasermembran ist. Das Ausmaß der Verlängerung nimmt mit der Vererbung von Generation zu Generation zu und zeigt einen gewissen Zusammenhang mit Beginn und Ausprägung der Symptomatik.

Symptome

Bei der Erwachsenenform der myotonen Dystrophie ist die Kombination aus einer fortschreitenden Muskelschwäche, besonders im Bereich der Hand- und Unterarm, Fuß- und Gesichtsmuskulatur mit einer verzögerten Erschlaffungsreaktion der Muskeln nach Betätigung (Myotonie). Auch diese ist besonders an Hand- und Fingermuskulatur sowie an der Gesichts- und Schlundmuskulatur zu beobachten, so berichten Betroffene z. B. über Schwierigkeiten, eine geballte Faust zu lockern oder die zugekniffenen Augen wieder zu öffnen. Im weiteren Verlauf kann die Erkrankung zu fortschreitenden Schluckbeschwerden oder durch Befall der Atemmuskulatur zu einer Beeinträchtigung der Atmung führen.

Am Herzen werden Rhythmusstörungen beobachtet, Herzrasen und –stolpern. Im Bereich der Geschlechtsorgane zeigen sich Symptome wie Hodenschrumpfung, ausbleibende oder unregelmäßige Menstruation und Schwangerschaftskomplikationen.

Weiter treten bei den Patienten gehäuft Linsentrübungen am Auge (Katarakt, „grauer Star“) und eine Innenohrschwerhörigkeit auf.

Bei der kindlichen Form der myotonen Dystrophie fallen die betroffenen Kinder schon früh durch Muskelschwäche („floppy infant“ = schlaffes Neugeborenes), Trink- und Gedeihschwäche und verzögerte motorische Entwicklung auf. Der Verlauf der Erkrankung ist meist schwerer. Die späte Verlaufsform der Erkrankung kann unter Umständen atypisch verlaufen und beispielsweise erst im Rahmen weiterführender Diagnostik bei grauem Star entdeckt werden oder im Rahmen einer familiären Abklärung von Krankheitsfällen bei direkten Nachkommen. Patienten mit einer myotonen Dystrophie haben ein erhöhtes Narkoserisiko, da durch die Krankheit verschiedene gängige Narkosemittel häufiger zu Komplikationen besonders im Bereich des Herz – Kreislaufsystem und der Atmung führen können als bei diesbezüglich gesunden Patienten. Daher ist es wichtig, dass der Narkosearzt im Vorfeld einer Operation über das Vorliegen der Erkrankung informiert ist.

Differentialdiagnosen

An Differentialdiagnosen kommen je nach vorherrschender Symptomatik andere Erkrankungen des myotonen Formenkreises (verzögerte Lockerung der Muskulatur) oder andere Muskeldystrophien (Muskelschwund) in Betracht. Weiterhin können auch Erkrankungen des Nervensystems zu Schwäche und Schwund der durch die betroffenen Nerven angesteuerten Muskulatur führen.

Diagnostik

Klinisch wegweisend ist das Vorliegen einer Myotonie (verzögerte Entspannung) der Muskulatur mit einer Muskelatrophie (Verkleinerung und Schwund der Muskeln). Bei der Messung der elektrischen Muskeleigenaktivität im EMG (Elektromyogramm) zeigt sich dementsprechend ein charakteristischer Befund aus niedriger Höhe der Einzelausschläge (wie bei Muskeldystrophien) und dem Auftreten von schnellen Entladungsserien (wie bei Myotonien, so genanntes „Sturzkampfbombergeräusch).

Bei der Blutuntersuchung zeigen sich die Symptome eines Muskelzelluntergangs (erhöhter Wert eines Muskelenzyms, „CK“) sowie eventuell die Folgen einer Beteiligung des Hormonsystems (erniedrigte Werte für Geschlechtshormone). Die humangenetische Untersuchung kann in Blutzellen die für die myotone Dystrophie charakteristische Verlängerung eines Abschnittes auf Chromosom 19 nachweisen. Wurde die Diagnose einer myotonen Dystrophie gestellt, ist die Abklärung der Funktion des Herzens zumindest mittels EKG (Elektrokardiogramm) wichtig, um frühzeitig Hinweise auf eine eventuelle Funktionsstörung zu finden.

Therapie

Eine ursächliche Therapie der myotonen Dystrophie ist derzeit nicht möglich. Herzrhythmusstörungen können medikamentös und gegebenenfalls durch einen Herzschrittmacher versorgt werden, die Muskelverkrampfungen durch Medikamente, die stabilisierend auf den Aktivierungszustand der Muskelzelle wirken. Beim Vorliegen von Hormonstörungen können auch diese medikamentös therapiert werden. Gegen die Symptome der Muskelschwäche kann in gewissem Rahmen mit Krankengymnastik vorgegangen werden, um die Beweglichkeit der Patienten zu sichern und Fehlhaltungen vorzubeugen.

Prognose

Die Erkrankung verläuft langsam fortschreitend und von Patient zu Patient unterschiedlich. Die Lebenserwartung der Patienten ist auf durchschnittlich 50 – 60 Jahre vermindert, häufig tritt der Tod durch Herzversagen ein.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 18.02.2009 - Letzte Änderung: 06.11.2021