Therapie eines Speichen- und Handgelenksbruchs

Hinweis

Sie befinden sich hier im Unterthema Symptome des Speichenbruchs. Allgemeine Informationen zum Thema finden Sie unter Speichenbruch oder unter Speichenbruch Dauer.

Therapie des Handgelenksbruchs

Handgelenksnahe Brüche / Speichenbruch können grundsätzlich konservativ oder operativ therapiert werden. Die Entscheidung wird anhand des Röntgenbildes gestellt.

Grundsätzlich müssen alle instabilen Frakturen operativ versorgt werden. Anzeichen für eine instabile Fraktur sind:

  • Metaphysäre Trümmerfraktur
  • Dislokation der Gelenkfläche von mehr als 20°
  • Abrissfraktur des Ellengriffels
  • Frakturen mit Handgelenksbeteiligung
  • Dislokation zwischen Radius (Speiche) und Ulna (Elle)
  • Ellenvorschub von mehr als 3mm
  • Patientenalter über 60 Jahre

Liegen drei oder mehr der genannten Kriterien vor ist von einer instabilen Situation auszugehen und der Bruch sollte operiert werden. Eine ausreichende Brucheinrichtung und Stabilisierung im Gipsverband ist bei instabilen Frakturen meistens nicht zu erreichen.

Ziel jeder Therapiemaßnahme ist es, eine normale Handgelenksfunktion wieder herzustellen.

Heilung mit Perspektive / Prognose

Die Prognose der Heilung hängt entscheidend von der Bruchform der Radiusfraktur, der Bruchversorgung und der Nachbehandlung (Physiotherapie) ab.
Nur wenn es gelingt den Bruch stufenlos einzurichten und stabile Verhältnisse im Bruchbereich zu schaffen, darf mit guten Ergebnissen gerechnet werden. Andernfalls kann es zur Falschgelenkbildung (ungenügende Stabilität) und zur Handgelenksarthrose (Präarthrose durch Gelenkstufe) kommen.
Die Folgen wären Schmerzen, Bewegungseinschränkung und Funktionsverlust des Handgelenkes mit Auswirkungen auf den ganzen Arm.

Prinzipiell besteht bei ausgedehnten Handgelenksverletzungen auch bei optimaler Therapie eine schlechtere Prognose als bei unkomplizierten distalen Radiusfrakturen. Ein unkomplizierter Speichenbruch heilen normalerweise folgenlos aus.

Komplikationen

Komplikationen können bei der konservativen wie bei der operativen Therapie vorkommen.

Komplikationen bei konservative Therapie:

  • Abrutschen der Fraktur (Sekundäre Dislokation)
  • Druckschäden durch Gips
  • Falschgelenkbildung (Pseudarthrose)
  • Morbus Sudeck
    Der Morbus Sudeck oder auch CRPS genannt, ist eine der gefürchtetsten Komplikationen des Handgelenksbruchs.

Komplikationen bei operative Therapie:

  • Gefäß- Sehnen- und Nervenverletzungen
  • Infektion
  • (Abrutschen der Fraktur)
  • Implantatlockerung
  • Falschgelenkbildung (Pseudarthrose)
  • Morbus Sudeck
    Ein Mobus Sudeck oder CRPS tritt nach opertiver Versorgung deutlich häufiger auf, als nach Gips-Therapie.
    Grundsätzlich kann man aber nicht unterscheiden, ob der Bruch (Gewalteinwirkung) oder die Operation den CRPS ausgelöst hat.

Konservative Therapie

Am Anfang jeder Therapie steht die Fraktureinrichtung (Reposition), im Anschluss daran die Frakturstabilisierung. Einfache, nicht verschobene (nicht dislozierte) Frakturen müssen nicht eingerichtet werden. Diese Art der Fraktur kann problemlos im Gipsverband über 6 Wochen ausbehandelt werden. Die meisten kindlichen Radiusfrakturen fallen darunter (ca. 3 Wochen Gips).

Alle verschobenen Frakturen müssen zunächst in eine korrekte (physiologische) Position gebracht werden. Dies geschieht durch Zug und Gegenzug an Oberarm und Handgelenk unter beweglicher Röntgenkontrolle (Bildwandlerkontrolle). Weil das Repositionsmanöver für den Patienten schmerzhaft ist, wird zuvor eine lokale Betäubung durchgeführt.

Betäubung

Schmerzfreiheit lässt sich durch eine Bruchspaltanästhesie, eine Regionalanästhesie oder eine Leitungsanästhesie erreichen.
Weitere Informationen finden Sie auch unter: Anästhesie

  • Bruchspaltanästhesie: 10 ml eines 1% Lokalanästhetikums werden in den Bruchspalt instilliert.
    Vorteil: Leichte, vom Chirurgen eigentätig durchführbare Anästhesie.
    Nachteil: Nicht immer wird vollständige Schmerzfreiheit erreicht.
  • Regionalanästhesie: 20-40 ml eines 1% Lokalanästhetikums wird in das Venensystem des betroffenen Armes injiziert und der Abfluss über eine Blutleeremanschette verhindert.
    Vorteil: Sichere Schmerzfreiheit
    Nachteil: Komplikationen durch abflutendes Lokalanästhetikum möglich. Anästhesist notwendig.
  • Leitungsanästhesie: 20-40 ml eines 1% Lokalanästhetikums werden in den Bereich des Nervengelechtes in der Axelhöhle (Armplexus) instilliert.
    Vorteil: Sichere Schmerzfreiheit
    Nachteil: Anästhesie benötigt einige Zeit. Anästhesist notwendig.

Ist das gewünschte Repositionsergebnis erreicht, soll dieses zuverlässig gehalten werden, um ein späteres Abrutschen (sekundäre Dislokation) zu unterbinden.

Gips

Die Frakturruhigstellung (Retention), die dafür notwendig ist, wird durch einen Gips - Verband gewährleistet. Eine gut anmodellierte, streckseitig angelegte, im Bruchbereich leicht umschließende Gipsschiene ist dafür ausreichend. Der Gips sollte bis zu den Mittelhandköpfchen reichen, das Handgelenk in 20-30° Streckstellung sich befinden. Der Faustschluss und die Ellenbogenbeugung sollen durch den Gipsverband nicht behindert werden. Nach der Gipsanlage sollte eine Röntgenstellungskontrolle erfolgen um eine sekundäre Dislokation durch die Gipsanlage auszuschließen.

Unterarmgips

Tipps zum Umgang mit der Gipsschiene / Nachbehandlung:

  • Die Bruchheilung benötigt durchschnittlich (4)-6 Wochen. In dieser Zeit darf das Handgelenk nicht belastet werden (kein Heben, Abstützen etc.)
  • Schulter und Ellenbogen sollen bewegt werden (beugt einer Einsteifung vor).
  • Zumindest in der Anfangszeit Hochlagern des Armes (besserer venöser und lymphatischer Abstrom; bessere Heilung).
  • Aktives Trainieren des Faustschlusses. Abwechselnd volle Streckung der Finger und Faustschluss unter Betonung der Fingerkuppen (besserer venöser und lymphatischer Abstrom; bessere Heilung).
  • Drückenden Gips unverzüglich erneuern lassen(Nekrosegefahr / Druckgeschwür).
  • Bei Sensibilitätsstörungen (z.B. Kribbeln in den Fingern) und Durchblutungsstörungen der Finger unverzügliche Wiedervorstellung beim Arzt.
  • Gelockerten Gips (nach dem Abschwellen, 3-6 Tage) erneuern lassen (Gefahr der Frakturdislokation durch ungenügende Stabilisierung).
  • Röntgenverlaufskontrollen nach 3 Tagen, 1,2 und 4 Wochen (Beurteilung der Bruchstellung und Bruchheilung (Frakturkonsolidierung)).
  • Nach Abschluss der Bruchheilung ist eine Physiotherapie / Ergotherapie empfehlenswert (Förderung der Handgelenksbeweglichkeit / -funktion)

Operative Therapie

Alle instabilen Brüche und solche mit begleitenden Gefäß- Nervenverletzungen müssen operativ versorgt werden. Ebenso Brüche, bei denen keine befriedigende Brucheinrichtung gelingt.

Vor jeder Operation muss der Patient über die Art des Eingriffs, Alternativen sowie Risiken und Erfolgsaussichten informiert werden und schriftlich sein Einverständnis geben.

Entscheidend für das gewählte Operationsverfahren (Osteosyntheseverfahren) sind der Frakturtyp (Klassifikation), das Alter der Patienten, die Knochenqualität und begleitende Weichteilverletzungen.

In aller Regel erfolgt die Operation bereits notfallmäßig am Unfalltag. Bei starker Weichteilschwellung muss ggf. 3-5 Tage abgewartet werden (zwischenzeitlich Hochlagern, Kühlen, Ruhigstellung im Gips) bis operiert werden kann.

  • Spickdrahtosteosynthese: Der Bruch wird geschlossen eingerichtet und mit durch die Haut eingebrachten Drähten von innen stabilisiert. Die Drähte überbrücken dabei die Bruchzone und werden in der gegenüberliegenden Knochenwand (Kortikalis) befestigt. Anschließend werden die Drahtenden unter Hautniveau gekürzt. Nach der Operation wird zusätzlich eine streckseitige (dorsale) Gipsschiene angelegt, weil durch die Drähte allein meist keine übungsstabile Situation geschaffen wird. 6 Wochen nach der Operation können die eingebrachten Drähte in einem kleinen, ambulanten Eingriff in Lokalanästhesie entfernt werden.
    Vorteil: Kleiner, wenig belastender operativer Eingriff
    Nachteil: Keine sichere Übungsstabilität. Gips notwendig. Folgeeingriff notwendig.
     
  • Plattenosteosynthese: Die beste Bruchstabilisierung wird durch eine Verplattung der Bruchzone erreicht. Besonders geeignet sind dafür winkelstabile Platten, die eine sehr hohe Bruchstabilisierung erreichen. Eingebracht werden die Platten entweder streck- oder beugeseitig am Handgelenk.

Röntgenbild Handgelenksbruch

Röntgenbild Bruch des Handgelenks von seitlich gesehen.
Das linke Bild zeigt den Bruch, rechts wurde die Fraktur mit einer Platte versorgt.

Operation Speichenbruch

Platte und Schrauben
Bevorzugt wird ein beugeseitiges Anlegen der Platte, weil es streckseitig zu Irritationen der Strecksehen kommen kann, die ohne größeren Weichteilschutz direkt über der implantierten Platte verlaufen. Auch Brüche bei schlechter Knochensubstanz, wie den osteoporotischen Frakturen, können mit winkelstabilen Platten gut primärstabilisiert werden. Das postoperative Anlegen einer Gipsschiene ist nicht notwendig.
Physiotherapeutische Übungsmaßnahmen können gleich nach der Operation beginnen. Die aus Titan bestehenden Platten müssen nicht unbedingt entfernt werden.
Vorteil:
Sofortige Übungsstabilität. Implantatverbleib möglich.
Nachteil: Größerer Eingriff.

Äußerer Knochenspanner (Fixateur externe)
Die versorgung eines Speichenbruch mit einem Fixateur externe bleibt bestimmten Problemfällen vorbehalten. Ein Einsatz wird in Betracht gezogen bei offenen Frakturen, ausgedehnten Trümmerfrakturen, intraartikulären Frakturen und infizierten Frakturen. Therapieprinzip ist, nach geschlossener Brucheinrichtung eine Bruchstabilisierung durch eine äußere, gelenküberbrückende Fixierung zu erreichen. Dazu werden Schrauben (Schanzschrauben) in den bruchfernen Speichenknochen und den 2. Mittelhandknochen eingebracht und über Backen und Stäbe miteinander verspannt.
Vorteil:
Bruchstabilisierung bei schwierigen Weichteil- und Knochenverhältnissen möglich.
Nachteil:
Meist Verfahrenswechsel notwendig (Drahtspickung/Platte). Bei Ausbehandlung im Fixateur werden häufiger Falschgelenkbildungen beobachtet.

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 12.10.2010 - Letzte Änderung: 30.03.2024