Nervenwurzelreizung

Definition

Von einer Nervenwurzelreizung spricht man, sobald es zu einer Irritation im Bereich der zentralen Nervenwurzeln kommt. Als sogenannte zentrale Nerven bezeichnet man diejenigen, die vom Gehirn ausgehend im Rückenmark verlaufen sowie das Gehirn direkt mitsamt seinen Nerven. Letztere sind von Nervenwurzelreizungen im eigentlichen Sinne eher weniger betroffen. Der Nervenwurzelreizung können verschiedene Ursachen zu Grunde liegen. Beispielsweise eine Kompression der Wurzel nach einem Bandscheibenvorfall oder einer Entzündung.

Lesen Sie hier mehr zum Thema: Nervenwurzelkompression

Ursachen

Wie bereits erwähnt können viele verschiedene Ursachen der auslösende Faktor einer Nervenwurzelreizung sein. In den meisten Fällen wird sie durch einen Bandscheibenvorfall (Bandscheibenprolaps) oder eine Bandscheibenvorwölbung (Bandscheibenprotrusion) verursacht. Auf Grund des Vorschubes der Bandscheibe bei Vorfall oder Vorwölbung dringt sie in den Wirbelkanal ein, in dem normalerweise lediglich die Nervenwurzeln ihren Platz haben. Die Bandscheibe komprimiert die Nerven auf Grund des begrenzten Platzangebotes

Aus dieser Kompression entsteht rasch eine Reizung der betroffenen Nervenwurzel und über längere Zeit unter Umständen auch eine lokale Entzündung. So kann aus der mechanischen Belastung von Abschnitten der Wirbelsäule eine sogenannte Nervenwurzelentzündung entstehen. Nach einem ähnlichen Muster – über die Einengung der Nervenwurzel im Wirbelkanal – können auch Spinalkanalstenosen, Wirbelkörperbrüche, Raumforderungen (beispielsweise Tumore oder knöcherne Auswüchse), chronische Entzündungen oder chronisch-degenerative Veränderungen eine typische Nervenwurzelreizung verursachen. Seltener finden sich Nervenwurzelreizungen, die auf eine reine Blockade der Beweglichkeit bei dauerhaften Fehlhaltungen, Durchblutungsstörungen im Bereich der Wirbelsäule oder Zysten in der Nähe der Wirbelgelenke zurückzuführen sind.

Lesen Sie hier mehr zum Thema unter Ursachen von Rückenschmerzen.

Symptome

Scharfe, stechende, teils elektrisierende Schmerzen sind typisch für das Vorliegen einer Nervenwurzelreizung. Die Schmerzen verlaufen dabei häufig mit dem „normalen“, also anatomisch korrekten Nervenverlauf. Weitere Symptome können Gefühlsstörungen und ein unangenehmes Kribbeln sein. In der Regel kommt es bei einer reinen Nervenwurzelreizung allerdings nicht zu Taubheitsgefühlen oder einem erkennbaren Kraftverlust der Muskeln. Diese Dinge sprechen eher für eine größere Verletzung der Nervenwurzel oder mindestens für eine starke und dauerhafte Kompression. Meist kommt zu den charakteristischen Schmerzen eine reflektorische Verspannung der Rückenmuskulatur dazu, die ihrerseits wieder Schmerzen verursacht – ein Teufelskreis!

Diagnose

Die Diagnose einer Nervenwurzelreizung ist in vielen Fällen bereits eine klinische Diagnose. Das heißt ein Arzt kann sie schon mit Hilfe der Befragung des Patienten (Anamnese) und dessen typischen Beschwerden stellen. Routinemäßig sollten zudem die Reflexe der betroffenen Stelle überprüft sowie zusätzliche Tests durchgeführt werden. Nur wenn das nicht ausreicht, um einen eindeutigen Befund zu bestätigen, oder wenn man eine eher seltene Ursache vermutet, greift man auf die Hilfe von bildgebenden Verfahren zurück. Mittel der Wahl zur Diagnosestellung ist hierbei die Magnetresonanztomographie (MRT). Unter Umständen kommt auch eine Computertomographie (CT) zum Einsatz.

Lesen Sie mehr zum Thema unter MRT der Wirbelsäule.

MRT- und/oder CT-Bilder zeigen dann besonders deutlich die Bandscheiben und erlauben es, neben der Diagnose Nervenwurzelreizung oftmals die Ursache zu benennen. Je nach Beschwerdebild des Patienten kann in seltenen Fällen auch mal ein konventionelles Röntgenbild oder eine spezielle MR-Myelografie in Frage kommen, über die ein Arzt aber individuell entscheidet und informiert. Besteht der Verdacht auf eine akute Entzündung im Wirbelkanal oder im Gehirn als Ursache der Nervenwurzelreizung, erfolgt zudem eine Punktion des Nervenwassers (Liquor cerebrospinalis) zur Bestätigung oder dem Ausschluss einer Entzündung.

Therapie

Die Therapie der Nervenwurzelreizung erfolgt im überwiegenden Teil der Fälle konservativ mit Medikamenten. Es stehen entzündungshemmende Medikamente (Antiphlogistika), Cortisonpräparate, Muskelspannungs-vermindernde Wirkstoffe (Myotonolytika) oder auch lokale Schmerzmittel (Analgetika) zur Verfügung. Schmerzen, die sich dadurch nicht oder nur unwesentlich lindern lassen, bessern sich manchmal unter der Einnahme bestimmter Antidepressiva. Zusätzlich sollte der Patient mit Krankengymnastik (Physiotherapie) begleitet werden. Bei große Bandscheibenvorfällen oder untypischen Ursachen kann eine Operation eine weitere Alternative zur Behandlung sein. Diese erfolgt – wenn überhaupt - bevorzugt mikrochirurgisch. Das bedeutet mit möglichst minimaler Verletzung und geringstmöglichem Risiko. In wissenschaftlichen Studien nicht eindeutig belegt ist der Einsatz von Akupunktur gegen Nervenwurzelreizungen oder der sogenannten TENS Therapie, die eine Nervenreizstimulation zur Symptomlinderung vorschlägt. Nichtsdestoweniger berichten einige Patienten von außergewöhnlichen Behandlungserfolgen unter diesen Therapien.

Lesen Sie hier mehr zum Thema: Behandlung eines Bandscheibenvorfall

Dauer

Der akute Fall einer Nervenwurzelentzündung dauert je nach Schwere und Ausprägung in der Regel zwischen einer Woche und einem halben Jahr. Unter adäquater Therapie sollten sich die Schmerzen rasch bessern. Eine anhaltende Reizung oder andere Beeinträchtigung der Nervenwurzel kann chronifizieren und in schwer therapiebare Schmerzen münden. Diese können Patienten dann unter Umständen lebenslang begleiten.

Das könnte Sie auch interessieren: Dauer eines eingeklemmten Nervs

Nervenwurzelreizung der Halswirbelsäule

Seltener als Beschwerden der Lendenwirbelsäule, aber deutlich häufiger als solche der Brustwirbelsäule kommt es zu Nervenwurzelreizungen der Halswirbelsäule (HWS). Die relativ kleinen Halswirbel mit ihren dazugehörigen Bandscheiben sind allein auf Grund ihrer Beschaffenheit und Größe empfindlicher gegenüber Reizzuständen. Nichtsdestotrotz tragen sie natürlich wesentlich weniger Gewicht als beispielsweise die Lendenwirbelsäule und unterliegen deswegen auch weniger starken Belastungen. Bei Nervenwurzelreizungen der HWS kommt es in Abhängigkeit von der genauen Lokalisation der Irritation zu Kribbelgefühlen und Taubheit im Arm und/oder im Bereich der Hände. Diese Sensibilitätsstörungen können einseitig, bei großer Reizung aber auch zeitgleich auf beiden Seiten spürbar werden. Auch hier können Reflexausfälle und Funktionsschwächen bestimmter Kennmuskeln klinische Hinweise auf den Ort der Nervenläsion beziehungsweise -reizung geben.

Das könnte Sie auch interessieren: Symptome eines HWS-Syndroms.

Nervenwurzelreizung der Brustwirbelsäule

Als mittlerer Abschnitt der Wirbelsäule sind die Brustwirbel deutlich seltener von Bandscheibenvorfällen oder Quetschungen betroffen als die Lendenwirbelsäule. In den Fällen, in denen dies dennoch vorkommt, präsentiert sich meist das Bild einer Intercostalneuralgie. Darunter versteht man gürtelförmige Schmerzen im Bereich des Oberkörpers mit plötzlicher Schmerzausstrahlung entlang der Rippen. Zusätzlich kann es zu weiteren Symptomen kommen. Gefühlsstörungen bei Nervenwurzelreizungen im Bereich der Brustwirbelsäule verlaufen analog zu den entsprechenden Schmerzen meist ebenfalls Gürtel- beziehungsweise ringförmig um den Brustkorb herum.

Nicht selten passiert es, dass ein akuter Bandscheibenvorfall der Brustwirbelsäule auf Grund eben dieser Symptome im ersten Moment für einen Herzinfarkt gehalten wird. Anders als beim Herzinfarkt verstärken sich die Schmerzen einer Nervenwurzelreizung allerdings klassischerweise bei tiefer Einatmung oder der Rotation des Oberkörpers nach links und rechts. Gerade Drehbewegungen reizen die ohnehin schon empfindlichen Nervenwurzeln dann noch zusätzlich, sodass sich sämtliche Symptome deutlich verstärken. Die Diagnose einer Intercostalneuralgie kann also meist schon durch Befragung des Patienten gestellt werden. Lediglich bei untypischen oder lange andauernden Schmerzen sollte auf bildgebende Verfahren und weitere Untersuchungen zurückgegriffen werden.

Lesen Sie hier mehr zum Thema: Intercostalneuralgie

Nervenwurzelreizung der Lendenwirbelsäule

Die Lendenwirbelsäule, oftmals als LWS abgekürzt, ist der häufigste Ort einer Nervenwurzelreizung. Denn hier kommt es ebenfalls zu den meisten Bandscheibenvorfällen. Ganz besonders gefährdet sind die Bandscheiben zwischen den Wirbelkörpern L4 (also dem vierten Lendenwirbelkörper) und L5 sowie zwischen L5 und dem ersten Sakralwirbelkörper (S1). Die Begründung hierfür liegt in der biomechanisch bedingten höheren Belastung des unteren Rückenabschnittes. Die Lendenwirbelsäule trägt einen Großteil des Körpergewichtes, ermöglicht den aufrechten Stand und vollbringt Höchstleitungen beim Anheben schwerer Gegenstände.

Die bekannteste Nervenwurzelreizung der Lendenwirbelsäule ist die – im Volksmund als Ischiasschmerz bezeichnete - Lumboischalgie beim Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule. Sie geht mit sehr charakteristischen brennenden oder stechenden Rückenschmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule, die eventuell bis ins Bein der betroffenen Seite fortgeleitet werden können, sowie Gefühlsstörungen und Lähmungen einher.

Lesen Sie mehr zum Thema unter Lumboischialgie.

Nervenwurzelreizung L5

Der sogenannte Kennmuskeln der Nervenwurzel L5 ist der Musculus extensor hallucis longus, der für das Anziehen der Zehen in Richtung Nase verantwortlich ist ( = Dorsalextension des Fußes). Ein Kennmuskel kennzeichnet einen bestimmten Nerven, da er von eben diesem Nerven versorgt wird und seine Befehle erhält. Kann der Kennmuskel seine eigentliche Funktion nicht mehr zur Genüge ausführen während umliegende Muskeln gänzlich unbeeinträchtigt sind, liegt der Verdacht nahe, dass es sich um ein Problem des Nervens handeln könnte.

Ähnliches gilt für bestimmte Reflexe, weswegen der Tibialis-posterior-Reflex bei Nervenwurzelreizungen im Bereich L5 sorgfältig und im Seitenvergleich getestet werden sollte. Dieser Reflex lässt sich durch einen gezielten Schlag auf den Musculus tibialis posterior auslösen, woraufhin die Innenkante des Fußes mit einer Anhebung reagieren müsste. Neben Muskelschwächen und Reflexstörungen kann es zu Gefühlsstörungen an der Außenseite des Knies, über die Unterschenkelaußenseite und den Fußrücken bis zum Rücken des großen Zehs kommen.

Nervenwurzelreizung S1

Auch bei Nervenwurzelreizungen der Nervenwurzel S1 lässt sich ein Kennmuskel testen; hierbei handelt es sich um den Musculus gastrocnemius, also den Wadenmuskel. Auch der große Pomuskel (M. gluteus maximus) kann betroffen sein. Zusätzlich ist der Achillessehnenreflex von Bedeutung, der die Fußspitze locker nach unten schlagen lässt sobald man die Achillessehne beklopft. Gefühlsstörungen treten bei Nervenwurzelreizungen des Gebietes S1 vor allem an der äußeren Hinterseite des gesamten Beines sowie über der Ferse und an der unteren Außenkante des Fußes auf.

Dieses Thema könnte Sie auch interessieren: S1-Syndrom

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 23.11.2016 - Letzte Änderung: 30.03.2024