Taubheit - Sensibilitätsstörung

Defintion

Eine Sensibilitätsstörung ist eine vorübergehende Reizung oder auch eine dauerhafte Schädigung des Nerven. Hierdurch kommt es zu fehlgeleiteten Empfindungen bei äußeren Reizungen des Körpers des Betroffenen.

Genau wie es sehr viele verschiedene Ursachen für die Entstehung der Sensibilitätsstörung geben kann, gibt es eine große Anzahl an Formen der Sensibilitätsstörung. Deshalb sind auch die Diagnosen und so die Behandlungsmöglichkeiten sehr vielfältig.
Eine Prophylaxe (Vorbeugung) gegen Sensibilitätsstörungen, die garantiert eine Taubheit verhindern kann, gibt es leider nicht.
Durch eine Sensibilitätsstörung kommt es zu einem veränderten Empfinden von äußeren Reizen. Diese Störung wird durch eine Veränderung an den Nerven bewirkt.

Formen der Sensibilitätsstörung

Es werden sieben verschiedene Reize unterschieden:

  • Berührungsempfinden
  • Temperaturempfinden
  • Vibrationsempfinden
  • Schmerzempfinden
  • Bewegungsempfinden
  • Lageempfinden
  • Kraftempfinden

Liegt nun eine Sensibilitätsstörung vor, so werden diese Reize entweder als unangenehm oder gar als schmerzhaft (sogenannte Dysästhesie), stärker (bei der Hyperästhesie) oder schwächer (bei der Hypästhesie) als sonst wahrgenommen. Ebenso ist eine völlige Empfindungsstörung möglich, sodass der Reiz gar nicht wahrgenommen werden kann (Anästhesie).

Eine andere Form der Sensibilitätsstörung stellt die Parästhesie dar, bei der die Empfindung zwar vorhanden ist, aber nicht durch einen entsprechenden Reiz ausgelöst worden ist. Allgemein kennt man das von dem harmlosen Fall, wenn einem der Arm oder das Bein „eingeschlafen“ ist, man also ein „Ameisenlaufen“ über dem Bereich spürt, obwohl dort nichts entlang läuft.

Es kann im weiteren Verlauf zum Taubheitsgefühl kommen. Das bedeutet, dass die Haut keine mechanischen Reize oder Schmerzemfindung weiterleitet. Dabei kann z.B. das Gesicht, einzelne Gliedmaßen oder die Ohrmuschel betroffen sein. 
Erfahren Sie mehr unter: Taubheitsgefühl am Ohr - Was stecket dahinter?

Sensibilitätsstörungen, die länger andauern als ein „eingeschlafenes/-r Bein/Arm“, sind generell sehr ernst zu nehmen, da sie weitreichende Folgen haben können. Liegt bei dem Betroffenen nämlich eine Anästhesie vor, also ein Fehlen des Schmerzempfindens, so kann es dazu kommen, dass eine versehentliche Verletzung nicht bemerkt wird und so auch nicht adäquat versorgt werden kann. Hier ist Verbluten, eine Infektion der Wunde und so langfristig ein „Verstümmeln“ mögliche Folge.

Ursachen

Eine Sensibilitätsstörung wird durch eine Funktionsstörung der Nerven ausgelöst, daher muss die Ursache für diese Störung auch im Bereich der Nervenfunktion gesucht werden.

Bei Migräne liegt oft eine vorübergehende Reizung der Nerven vor. Weitere Einschränkungen der regulären Nervenfunktion können Durchblutungsstörungen (beispielsweise als leichte Variante der „eingeschlafene Arm“), der Befall durch Viren (zum Beispiel Herpesviren) oder auch die Behandlung mit Medikamenten, die zu einer dauerhaften Nervenschädigung führen, sein.

Zu möglichen Ursachen für Durchblutungsstörungen, die dann zu Nervenschädigungen führen können, zählen die folgenden:

Generelle Erkrankungen, die zu Sensibilitätsstörungen führen können, sind:

Informieren Sie  sich hier rund über das Thema: Die Sensibilitätsstörungen​​​​​​​.

Diagnose und Verlauf

Hält eine Sensibilitätsstörung längere Zeit an, so muss dringend eine ärztliche Untersuchung erfolgen. Nur so kann festgestellt werden, ob es sich um eine zeitweise Nervenreizung oder eine schwerwiegende Krankheit handelt, die behandelt werden muss.

Der zuständige Facharzt nennt sich Neurologe und befragt zunächst den Patienten im sogenannten Anamnesegespräch nach den genauen Empfindungen und Beobachtungen. So bringt er in Erfahrung, seit wann die Symptome bereits vorliegen und ob eventuell bereits mögliche Ursachen bekannt sind. Auch Vorerkrankungen, zurückliegende Operationen, Familienerkrankungen und regelmäßige Medikamente werden erfragt.

Zusätzlich wird dann eine körperliche Untersuchung durchgeführt und im Labor eine Blutprobe untersucht. Außerdem wird die neurologische Untersuchung (Reflexe, Temperaturempfinden, Schmerzempfinden etc.) durchgeführt.

Außerdem können weiterführende Untersuchungen zur Feststellung helfen:

Behandlung

Eine Sensibilitätsstörung wird entsprechend ihrer Ursache therapiert.
Wenn ein Nerv eingeklemmt ist, so muss dieser durch Massage, gymnastische Übungen oder eine Operation befreit werden, um eine Besserung der Symptome zu erreichen.

Liegt eine Dysästhesie oder eine Hyperästhesie vor, so kann es empfehlenswert sein, durch schmerzlindernde Medikamente für eine Verminderung der als Schmerzen empfundenen normalen Reize zu sorgen.

Möglich ist die Behandlung mit Antidepressiva, die vielfach zu einer Besserung der Symptome verhelfen.

Wenn ein Schlaganfall vorliegt, so muss unverzüglich intensivmedizinisch eingegriffen werden. Andernfalls kann es zu bleibenden Schäden oder sogar dem Tod des Betroffenen kommen.

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Wird die Sensibilitätsstörung als Nebenwirkung eines Medikaments beobachtet, so muss das entsprechende Medikament unter ärztlicher Kontrolle abgesetzt werden.
Wenn Bakterien zu einer Infektion geführt haben, die eine Reizung der Nerven mit folgender Sensibilitätsstörung bewirkt, so muss der Betroffene schnellstmöglich antibiotisch behandelt werden.

Außerdem kann auch schwerer Alkoholmissbrauch zu Sensibilitätsstörungen führen. Hier ist eine Entziehungskur, sowie eine begleitende Einnahme von Vitamin B1 empfehlenswert, um die fortschreitende Zerstörung von Nervenfasern aufzuhalten.

Bei Diabetikern ist eine regelmäßige Kontrolle der Blutzuckerwerte notwendig, sodass diese konstant in einem gesunden Bereich gehalten werden. Zusätzlich ist die Einnahme von Alpha-Liponsäure hilfreich.

Meistens ist es bei Vorliegen von anhaltenden Sensibilitätsstörungen nicht möglich, auf eine dauerhafte Medikamenteneinnahme zu verzichten

Vorbeugung

Eine wirkliche Vorbeugung gegen Sensibilitätsstörungen gibt es leider nicht. Generell kann man sagen, dass eine ausgewogene Ernährung und die ausreichende Zuführung von Vitaminen und Mineralstoffen zu einer Gesunderhaltung der Nerven beiträgt.

Viel Bewegung, das Vermeiden von Stress und gut sitzende Kleidung/Schuhe können zudem die Gefahr einer Nervenerkrankung reduzieren.
Physiotherapeutische Behandlungen können längerfristig ebenfalls vorbeugend gegen Sensibilitätsstörungen helfen.

Dermatome

Ein Dermatom ist ein Hautgebiet, das von den Nervenfasern einer bestimmten Rüchenmarkswurzel (Spinalnervenwurzel) alleine versorgt und gesteuert wird.

Der Begriff „Dermatom“ stammt dabei aus dem Griechischen ab und setzt sich aus den beiden Worten Haut und Abschnitt zusammen. In der Medizin ist die Kenntnis der Dermatome insbesondere bei Sensibilitätsausfällen sehr wichtig.

Einteilung der Dermatome:

Ein Embryo verfügt über drei sogenannte Keimblätter (Ektoderm, Mesoderm, Entoderm), aus denen sich im Laufe des Heranreifens die verschiedenen Gewebetypen entwickeln.

Im Bereich des Rumpfs bilden sich zuerst seitlich des Neuralrohrs aus dem Mesoderm die „Urwirbel“ (Somiten).

Aus dem seitlich-hinteren Anteil dieser Somiten entstehen letztlich die Unterhaut und die Haut. So kommt es zu einer 1:1-Zuordnung von einem Spinalnerven zu einem bestimmten Hautgebiet. Aus diesem Grund werden die entsprechenden Dermatome auch nach den sie versorgenden Nerven benannt.

Im Bereich der Halswirbel existieren acht Spinalnerven, die als C1 bis C8 bezeichnet werden und so werden auch die zugehörigen Dermatome benannt.

Jedoch mit einer Ausnahme: Dermatom C1 gibt es nicht, da die Spinalnervenfaser des ersten Halswirbels ausschließlich motorische und keine sensiblen Funktionen besitzt.

Die Rumpfwirbel haben zwölf Spinalnerven und auch zwölf Dermatome, die Th1 bis Th12 genannt werden.
Lenden- und Sakralwirbel haben je fünf Spinalnerven, sodass die Dermatome dazu L1 bis L5 und S1 bis S5 genannt werden.

Bereits beim ungeborenen Kind sind diese Zuordnungen angelegt und bleiben auch beim Erwachsenen bestehen.Leichter einzuordnen ist die Zugehörigkeit von Spinalnerv und Dermatom, wenn man sich den Menschen vornübergebeugt vorstellt (also in seiner ursprünglichsten, tiernahen Haltung), sodass Arme und Beine im 90 Grad-Winkel vom Rücken aus gen Boden zeigen. So lässt sich der Körper dann in Streifen einteilen, aus denen sich die Dermatome ablesen lassen. Angefangen wird dabei mit dem Dermatom C2 am Kopf und geendet mit dem Dermatom S5 an der Rückseite des Gesäßes.

Lesen Sie auchTaubheitsgefühl am Kopf und der Kopfhaut, Taubheitsgefühl im Arm

Sensibilität in den Dermatomen

Die Dermatome sind am Körper jedoch nicht durch klare Linien voneinander getrennt, sondern es kommt zu einer teilweisen Überlappung. Es wird angenommen, dass diese Überlappung beim Empfinden von Berührungsreizen stärker ausgeprägt ist, als bei der Empfindung von Schmerz oder Temperatur.

So ist es bei den Patienten oft so, dass der Ausfall des einen Spinalnervens erst einmal unbemerkt bleibt, da die angrenzenden Spinalnerven das betroffene Dermatom weiterhin mitversorgen. Fallen zwei nebeneinander liegende Segmente aus, so wird die Sensibilitätsstörung jedoch meist deutlich wahrnehmbar.

Neben den Dermatomen gibt es auf der Haut auch sogenannte Autonomgebiete. Dies sind Versorgungsgebiete bestimmter körperzentrumsferner Nerven, die keine Spinalnerven sind.

Übertragung aus inneren Organen

Ebenso wie die Haut werden auch die inneren Organe teilweise durch die Spinalnerven versorgt. So gelingt es dem Gehirn teilweise nicht, empfangene Signale einer Wahrnehmung exakt dem Ursprungsort zuzuordnen. So kommt es bei einem Herzinfarkt auch zum typischen schmerzhaften Ausstrahlen in den linken Arm (Dermatom Th1-Th5). Bei einer Erkrankung der Leber oder auch der Gallenwege kommt es zu Schmerzen in den Dermatomen Th6 – Th9 (rechts). Auf diese Weise lässt sich fast jedem Organ ein Hautbereich zuordnen.

In manchen Fällen ist der Schmerz nicht auf nur ein Dermatom beschränkt, sondern breitet sich auf die angrenzenden Gebiete aus oder betrifft sogar eine komplette Körperhälfte (Generalisation). Dieser Vorgang wird als übertragener Schmerz bezeichnet und kann bei der Diagnosestellung wichtiges Merkmal sein.

Bandscheibenvorfall als Ursache der Taubheit

Von besonderer Bedeutung sind die Dermatome bei der Diagnostik von Bandscheibenvorfällen.
Der geleeartige Kern der Bandscheibe ist hier herausgerutscht und drückt auf eine Spinalnervenfaser, sodass es in den zugeordneten Segmenten und Dermatomen zu Störungen und Ausfällen kommt.
Durch die Lokalisation des genauen sensiblen Ausfalls in einem bestimmten Dermatom kann zugeordnet werden, in welcher Höhe genau der Bandscheibenvorfall stattgefunden hat.
Meist liegt der Bandscheibenvorfall im Bereich L4/5 vor, sodass es zu einem verminderten Berührungsempfinden an der Unterschenkelinnenseite und des Fußes kommt. Liegt der Bandscheibenvorfall hingegen im Bereich L5/S1, so kommt es zu Sensibilitätsstörungen an der Fußaußenseite und an der Fußsohle.

Lesen Sie mehr zum Thema unter: Ist ein Taubheit Anzeichen eines Bandscheibenvorfalls?

Autor: Dr. N. Gumpert Veröffentlicht: 18.08.2014 - Letzte Änderung: 06.11.2021