Taubheitsgefühl im Gesicht

Definition

Ein Taubheitsgefühl oder Sensibilitätsstörung ist ein verändertes Empfinden, was meistens durch eine inadäquate Antwort der Nerven auf einen Reiz entsteht. Der Reiz kann Berührung, Temperatur, Vibration oder Schmerz sein. Diese Missempfindung kann sich unterschiedlich anfühlen, etwa in Form eines Kribbelns (Parästhesie) oder eines pelzigen Gefühls und kann überall auftreten, unter anderem auch im Gesicht.

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Ursachen

Die Ursachen eines Taubheitsgefühls im Gesicht können vielfältig sein. Grundsätzlich kann die Schädigung oder Reizung eines Nervs dafür verantwortlich sein. Das kann bei einer peripheren Nervenentzündung zum Beispiel mit Herpesviren auftreten (Gürtelrose) oder bei einer zentralen Entzündung im Fall einer Multiplen Sklerose. Wenn das Taubheitsgefühl von Lähmungserscheinungen begleitet wird, muss man an einem Schlaganfall als mögliche Ursache denken und sich sofort beim Arzt vorstellen.

Informieren Sie sich hier rund über das Thema: Die Sensibilitätsstörung.

Psychosomatische Ursachen

Wenn sich allerdings keine körperliche oder sogenannte organische Ursache finden lässt, ist auch eine psychosomatische Störung in Betracht zu ziehen. Hierbei handelt es sich um Patienten, die in der Vergangenheit traumatische Erlebnisse, Misshandlungen oder Stresserfahrungen durchgemacht haben. Bei erneuter Konfrontation mit einer Stresssituation reagieren die Betroffene mit körperlichen Symptomen, die allerdings auf keine körperliche Erkrankung zurückzuführen sind. In dieser großen Gruppe der psychosomatischen Störungen gibt es die dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörung, die sich als Taubheitsgefühle oder Schmerzen äußern kann.

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Taubheitsgefühle durch Stress

Nicht nur Patienten mit einer psychosomatischen Störung können durch Stress Taubheitsgefühle entwickeln. Bei einer langanhaltender Stressphase ist der Kortisolspiegel als Stresshormon im Blut erhöht. Dies kann langfristig unseren Immunsystem schwächen und uns gegenüber Entzündungen anfälliger machen. Ein Beispiel dafür ist die oben genannte Gürtelrose, die als Reaktivierung der Windpockenviren die Nerven im Gesicht befallen können. Hierbei können Sensibilitätsstörungen auftauchen, allerdings werden diese meistens von starken Schmerzen, Bläschen und Rötung gefolgt oder begleitet.

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Nasennebenhöhlenentzündung

Eine weitere Ursache, die Missempfindungen im Bereich des Gesichts verursachen kann, ist eine Nasennebenhöhlenentzündung (Sinusitis). Typisch dafür ist ein Druckgefühl, aber auch starke Schmerzen im Bereich der betroffenen Nebenhöhle. Der Druckschmerz befindet sich meistens in der Stirn, zwischen den Augen oder im Bereich des Kiefers. Begleitend ist die Nase verstopft und kann eitrigen Sekret absondern. Meistens ist der Allgemeinzustand gemindert und es kann Fieber auftreten. Da es sich hierbei um eine bakterielle Entzündung handelt, sollte man sich umgehend ärztlich vorstellen.

Weitere Informationen finden Sie unter: Nasennebenhöhlenentzündung

Mittelohrentzündung

Eine weitere Entzündung, die ausstrahlende Schmerzen und Überempfindlichkeit im Gesicht, aber vor allem im Ohr verursacht, ist die akute Mittelohrentzündung (Otitis media). Häufig ist diese eine Mischinfektion von Viren und Bakterien, die typischerweise einen viralen Atemwegsinfekt begleitet oder bei Belüftungsprobleme des Mittelohrs auftritt. Begleitsymptome können Fieber, Hörstörungen und allgemeines Krankheitsgefühl sein. Bei Verdacht auf einer Mittelohrentzündung sollten Sie einen Arzt konsultieren.

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Migräne als Ursache für Taubheitsgefühle

Migräne kann eine weitere Ursache für Taubheitsgefühle im Gesicht darstellen. Die Symptome der Migräne sind klassischerweise starke einseitige Kopfschmerzen, die oft von Übelkeit, Licht- und Lärmempfindlichkeit begleitet werden. Allerdings können schon vor den Migräneanfall fokal neurologische Symptome auftreten, die sogennante Aura. Diese Symptome können vielfältig sein, zum Beispiel können Gesichtsfeldausfälle, Flimmern, Sprachstörungen, aber auch Sensibilitätsstörungen auftreten. Somit kann ein plötzliches Taubheitsgefühl im Gesicht, bei bekannter Migräne, eine Aura sein. Die Dauer des Auras darf nicht 60min überschreiten, danach sollte eine ärztliche Vorstellung sofort erfolgen. Normalerweise wird die Aura von den starken Kopfschmerzen gefolgt, manchmal bleiben diese aber aus.

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Taubheitsgefühle durch Schilddrüse

Eine Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose) geht oft mit einer ganzen Reihe unspezifischer Symptome ein. Typischerweise sind die Patienten mit Leistungsabfall, Verstopfung, Gewichtszunahme und Kälteintoleranz konfrontiert. Selten können auch Taubheitsgefühle auftreten, allerdings ist dieser Symptom nicht spezifisch für eine Schilddrüsenerkrankung.

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Kann das auch von der Halswirbelsäule kommen?

Im Fall von Taubheitsgefühlen stellt sich oft die Frage, ob die Ursache die Wirbelsäule sein könnte. Generell ist es richtig, dass Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule, zum Beispiel beim Bandscheibenvorfall, Sensibilitätsstörungen verursachen könnnen. Im spezifischen Fall von Taubheitsgefühle im Gesicht kann allerdings dies nicht an der Halswirbelsäule liegen. Wenn es einen Bandscheibenvorfall im Bereich der ersten Halswirbeln gäbe, dann würde am ehesten der Hinterkopf betroffen sein. Für die Sensibilität des Gesichts sind nicht die Nerven aus dem Rückenmark zuständig, sondern der sogenannte Trigeminusnerv, der als Hirnnerv eigenständig verläuft und nicht aus dem Rückenmark austritt.

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Taubheitsgefühl an Ohr und Wange

Sensibilitätsstörungen im Bereich des Ohrs oder der Wange können auch Frühsymptome sein. Bei einem Hörsturz fangen die Symptome oft mit einem pelzigen Gefühl der Ohrmuschel oder das Gefühl als hätte man ,,Watte im Ohr’’ an. Als Hauptsymptom tritt dann die schmerzlose Innenohrschwerhörigkeit. Ein Taubheitsgefühl der Wange kann in manchen Fällen als Frühsymptom einer Gesichtslähmung (Fazialisparese) auftreten. In beiden Fällen sollte man sich umgehend ärztlich untersuchen lassen.

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Diagnose

Die Diagnose einer Sensibilitätsstörung im Bereich des Gesichts wird hauptsächlich anhand der Klinik des Patienten gestellt. Das Beschreiben der Beschwerden und die klinische Untersuchung sind an dieser Stelle ganz wichtig. Die genaue Erhebung der Symptome und mögliche Begleitsymptome, sowie Grunderkrankungen ist der erste Schritt. In der klinischen Untersuchung sollten die unterschiedliche Reize wie Berührungsempfinden, Schmerz, Temperatur und Vibration getestet werden. Eine gründliche körperliche und neurologische Untersuchung sind zur Ursachenfindung unentbehrlich.

Weitere begleitende Symptome

Wichtige begleitende Symptome sind Lähmungserscheinungen oder Sprachstörungen. Im Fall einer Durchblutungsstörung des Gehirns kann das Taubheitsgefühl des Gesichts mit einer Lähmung des Gesichts und des Arms oder der ganzen Körperhälfte einhergehen. In diesem Fall sollte man sofort ärztliche Hilfe holen. Bei Sensibilitätsstörungen sollte man auch an der Multiplen Sklerose denken, die von weiteren neurologischen Ausfälle, wie Lähmungen, Augenbewegungsstörungen oder Sehstörungen, begleitet werden kann.

Schmerzen im Gesicht

Weitere Missempfindungen, die im Gesicht auftreten können, sind Schmerzen. Dabei kann sich um eine sogenannte Trigeminusneuralgie handeln, die oft aufgrund von einer Kompression des Trigeminusnervs durch ein Blutgefäß entsteht. Die Schmerzen sind elektrisierend, blitzartig, einseitig und sehr stark. Die Dauer beträgt wenige Sekunden, die Attacken können sich aber bis zu 100 mal am Tag wiederholen.

Im Verlauf bleibt ein dumpfer Schmerz zwischen den Attacken bestehen. Gesichtsschmerzen können auch aufgrund eines Cluster-Kopfschmerz auftreten. Hier handelt sich auch um stärksten Schmerzen, die hauptsächlich im Bereich des Auges und streng einseitig vorkommen. Die Attacken treten meistens nachts auf und dauern zwischen 15 und 180min. Die können sich im Laufe des Tages bis zu 8 mal wiederholen. Begleitsymptome sind vermehrtes Tränen des Auges und Rötung, Nasenlaufen oder Schwitzen der Gesichtshälfte. Die Cluster-Kopfschmerzen häufen sich meistens in bestimmten Perioden und können zwischen den Episoden komplett ausbleiben.

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Therapie

Zur Behandlung der Trigeminusneuralgie werden Medikamente aus der Epilepsietherapie benutzt, die gut bei dieser Art von Schmerzen helfen. Mittel der ersten Wahl wäre Carbamazepin, welches man langsam aufdosiert und als Monotherapie einnimmt. Bei akuten Schmerzen kann man Carbamazepin in seiner schnellwirksamen Form nehmen. Im Verlauf kann man bei gutem Ansprechen die Therapie wieder langsam reduzieren. Wichtig zu beachten bei der Trigeminusneuralgie ist, dass normale Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol keine Wirkung haben.
Die Therapie des akuten Cluster-Kopfschmerz besteht in der Inhalation von 100%igem Sauerstoff und in der Einnahme von Triptane, die man als Spritze unter der Haut oder als Nasenspray nehmen kann. Bei dieser Erkrankung spielt die Prophylaxe eine große Rolle, da die Schmerzen für die Patienten eine große Qual sind. Als Kurzzeitprophylaxe wird meistens Kortison verabreicht, dennoch sollte man immer eine Langzeitprohylaxe erwägen. Hier wird in erster Linie Verapamil benutzt, einen Calciumantagonist. Auch hier sind normale Schmerzmittel wirkungslos.

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Dauer

Die Dauer der Trigeminusattacken beschränkt sich auf wenigen Sekunden, aber wie oben erwähnt, können sie sich sehr oft hintereinander wiederholen. Etwa ein Drittel der Patienten erleben nur eine Episode im Leben. Allerdings verschlimmert sich diese Erkrankung häufig im Laufe des Lebens. Über 50% der Betroffenen haben schmerzfreie Phasen über mehr als sechs Monate. Bei jedem fünften halten diese Phasen über ein Jahr. Beim Cluster-Kopfschmerz unterscheidet man die episodische und die chronische Form. In der episodischen Form, die etwa 75% der Patienten haben, sind diese mindestens über einen Monat beschwerdefrei. 25% der Betroffene leiden an chronische Schmerzen, die keine oder nur kurze Phasen von Schmerzfreiheit haben.

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Wie ist die Prognose?

Die Therapie der Trigeminusneuralgie hat eine relativ gute Prognose. Etwa 80% der Patienten sprechen auf die Medikamente gut an, allerdings werden im Verlauf immer höhere Dosen für das selbe Effekt notwendig. Es gibt dennoch mehrere Medikamente, die man ausprobieren kann. Unter bestimmten Voraussetzungen kann man die Kompression des Nervs operativ beheben, mit ganz gute Erfolgsquoten von bis zu 82% schmerzbefreite Patienten.

Die Prognose vom Cluster-Kopfschmerz ist mit einer Spontanheilung von 40% in der episodischen Form und von 17% in der chronischen Form etwas bescheiden. In bis zu 15% der Fälle geht der episodischer Kopfschmerz in einer chronischen Form über. Allerdings haben sowohl der Sauerstoff, wie auch die Medikamente sehr gute Ansprechquoten und können die Schmerzen schnell lindern.

 

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 29.05.2019 - Letzte Änderung: 06.11.2021