In diesem Artikel geht es um den Morbus Scheuermann. Es werden unter anderem die Ursachen, Symptome und Therapie besprochen. Auch die Prognose, weitere Risiken und die Diagnose mittels Röntgen werden thematisiert.
Der Morbus Scheuermann, eine im Jugendalter auftretende Wachstumsstörung an Grund und Deckplatten der Wirbelkörper der Brust- und / oder Lendenwirbelsäule mit vermehrter Kyphose bzw. verminderter Lordose (Ab- bzw. Zunahme der physiolog. Schwingung der Wirbelsäule). Es müssen mindestens drei benachbarte Wirbelkörper betroffen sein, die jeweils einen Keilwirbelwinkel von mindestens 5 Grad aufweisen. Der Bezeichnung als Morbus Scheuermann geht auf den dänischen Röntgenologen und Erstbeschreiber dieser Erkrankung H. W. Scheuermann (1877-1960) zurück. Es gibt viele Synnyme unter anderem juvenile Kyphose, Adoleszenskyphose, posturale Kyphose und jugendlicher Rundrücken.
Die Ursache des M. Scheuermann ist nicht bekannt.
Mechanische und genetische Faktoren mit einer Minderbelastbarkeit des Wirbelkörpers, Anomalitäten der Wirbelkörperrandleisten, Bandscheibengewebe, das in die Wirbelkörper gelangt, sowie Vitaminmangelsyndrome usw. können eine Rolle spielen.
Auf dem Röntgenbild imponiert eine Keilwirbelbildung und sogenannte Schmorlsche Knötchen, das in den Wirbelkörper eingedrungenes Bandscheibengewebe darstellt.
Letztlich tritt eine Imbalance im Wachstum der vorderen und hinteren Anteile des Wirbelkörpers auf, welche eine Keilwirbelbildung zur Folge hat.
Klinische und radiologische Veränderungen können ab dem 11. Lebensjahr auftreten. Die krankheitstypischen Veränderungen an den Wirbelkörpern sind zum Wachstumsende stabilisiert. Sekundäre Phänomene durch die kyphotische Wirbelsäulenfehlstellung können auch sich auch noch später zeigen.
Insbesondere das ausführen kraftaufwendiger Sportarten im Jugendalter kann eine Entstehung eines Morbus Scheuermann begünstigen. Leistungsturner sind hier im besonderen zu nennen.
Selten kann einem Scheuermann eine Bindegewebsstörung (Kollagen) zu Grunde liegen.
Das Auftreten besonders während der Pubertät lässt den Rückschluß auf eine hormonelle Beteiligung der Erkrankung zu. Viele Knochenwachstumsstörungen, wie z.B. der Morbus Perthes treten während der Pubertät auf.
Der Morbus Scheuermann ist die häufigste Wirbelsäulenveränderung im Wachstumsalter. Nicht jeder Erkrankung geht zwangsläufig mit Symptomen oder Beschwerden einher. Ein Morbus Scheuermann kann bei ca 20 -30 % aller Jugendlichen auf dem Röntgenbild nachgewiesen werden, nur ein geringer Teil entwickelt davon Beschwerden.
4 - 6% der Gesamtbevölkerung sind davon betroffen. Das Geschlechtsverhältnis beträgt männlich : weiblich = 2:1. Das typische Erkrankungsalter liegt zwischen dem 11.-13. Lebensjahr.
In den meisten Fällen befällt der Scheuermann die Brustwirbelsäule, seltener die Lendenwirbelsäule. Bei gleichzeitigem Befall spricht man von einen thorakolumbalen Scheuermann.
Wie bei vielen Erkrankungen gibt es keine eindeutigen Symptome, die auf einen Morbus Scheuermann hindeuten. Häufig stehen im Anfangsstadium diffuse Rückenschmerzen im Vordergrund.
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Die Erkrankung Morbus Scheuermann bildet sich typischerweise in drei Stadien aus:
Initialstadium:
Während des ersten Stadium des Morbus Scheuermann bestehen meist keine Beschwerden. Dieses Stadium wird in den meisten Fällen nur im Röntgenbild erkannt.
Ausbildungsstadium:
Während des zweiten Stadium des des Morbus Scheuermann kommt es vermehrt zu Schmerzen. Es bilden sich Deformierungen an den WirbeIkörpern. Durch eine Keilwirbelbildung kann sich im Brustwirkelsäulenbereich ein so genannter Rundrücken, im Lendenwirbelsäulenbereich einen so genannten Flachrückenbilden.
Endstadium:
Im Endstadium treten am häufigsten Schmerzen auf. Der deformierende Wachstumsprozess ist abgeschlossen. Durch die Fehlbildung der Wirbelkörper kommt es zu einer Überlastung der angrenzenden Strukturen, wie Bänder, Wirbelgelenke und Muskulatur. Durch eine dauerhafte Überlastung setzt ein frühzeitiger Verschleiß und damit Arthrose der Wirbelsäule (degenerative Veränderungen) ein.
Folgen der Erkrankung können sein:
Bei den meisten Patienten verläuft die Krankheit im Kindes- und Jugendalter meist schmerzlos. Erst im Erwachsenenalter kommt es zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr zu Rückenschmerzen, diversen Muskelverspannungen oder zusätzlichen Schädigungen an der Wirbelsäule. Der Grund liegt in der langjährigen Überbelastung der formveränderten und wachstumsgestörten Wirbelkörper. Häufig bildet sich zusätzlich zur Erkrankung ein deutliches Hohlkreuz sowie ein Rundrücken aus. Diese verursachen starke Schmerzen sowohl in den Armen und Beinen. Deutliche Bewegungseinschränkungen und Steifheit in der gesamten Wirbelsäule sind ebenfalls zu beobachten.
Therapieziele des Morbus Scheuermann:
Die Therapie des Morbus Scheuermann hängt vom Erkrankungsstadium, wie auch von Ausmaß der Fehlbildung und Beschwerdesymptomatik ab.
So lange das Wachstum nicht abgeschlossen ist, ist theoretisch eine Wachstumskorrektur möglich. Durch muskuläre Stabilisierung kann eine Verbesserung erzielt werden.
Bei leichtgradigen Erkrankungen des Morbus Scheuermann ist eine muskuläre Stabilisierung, die den Haltungsschaden ausgleicht in Kombination mit Bewegungsübungen sicherlich ausreichend.
Sollte sich jedoch ein ausgeprägter Rundrücken bilden, kann eine Korsettanpassung oder Aufrichtungsoperation notwendig werden. Diese kann jedoch erst nach Abschluß der Wachstumsphase durchgeführt werden.
Durch Veränderungen vieler Kleinigkeiten im Alltag können häufig Beschwerdearmut oder -freiheit erreicht werden.
Wichtig beim Morbus Scheuermann ist die Ergonomie Ihres Arbeitsplatzes, alle Arbeitsbereiche sollten rückengerecht eingestellt sein.
Eine Rückenschule weist Ihnen viele hilfreiche Tips im Alltag, wie Sie rückenschonender Arbeiten können. Durch muskuläre Aufbau- und Entspannungsübungen, die Sie täglich mehrfach “zwischendurch” durchführen können, werden häufig große Erfolge erzielt.
Eine sachgerechte Anwendung aller Übungen ist hierbei wichtig!
Weitere Informationen erhalten Sie auch unter unserem Thema: Rückenschule.
Durch eine intensive krankengymnastische Behandlung des Morbus Scheuermann sollte eine muskuläre Stabilisierung erreicht werden. Verkürzte Muskelgruppen müssen aufgedehnt werden.
Gegen muskuläre Dysbalancen können Rotlicht, Massagen, sowie physikalische Maßnahmen wie Elektrotherapie (TENS) angewendet werden.
Beim Morbus Scheuermann stehen prinzipiell verschiedene Arten der Therapie zur Verfügung. Welche davon bei einem bestimmten Patienten am sinnvollsten ist, hängt von einer Vielzahl von individuellen Gegebenheiten (zum Beispiel Alter, Begleiterkrankungen und persönlichen Vorlieben), vor allem aber von dem Schweregrad des Morbus Scheuermann. Daher muss eine geeignete Therapie auf jeden Patienten einzeln abgestimmt werden und sollte daher in jedem Fall mit einem Arzt besprochen werden.
Der wichtigste Therapiebaustein beim Morbus Scheuermann ist die Krankengymnastik. Durch die Krümmung der Brustwirbelsäule sind die Brustmuskeln praktisch verkürzt und die Rückenmuskeln nicht effektiv genug. Daher besteht eine Physiotherapie vor allem aus zwei Komponenten: die Rückenmuskulatur muss gestärkt werden, um den Rücken aufzurichten und die Bauchmuskulatur muss gedehnt werden.
Darüber hinaus soll die Wirbelsäule durch andere Übungen beweglich gehalten werden. Solch eine Therapie sollte zunächst durch einen erfahrenen Arzt oder Physiotherapeuten angeleitet werden und dann aber auch regelmäßig zu Hause durchgeführt werden, um einen Nutzen zu zeigen. Vor allem, wenn sich ein Patient noch im Wachstum befindet, genügt die Krankengymnastik oftmals als einzige Therapie, um den Morbus Scheuermann in den Griff zu bekommen.
Lesen Sie mehr zum Thema unter: Übungen gegen Rundrücken
Physiotherapeutische Übungen können ein Fortschreiten der Erkrankung verzögern sowie zu einer Linderung der Beschwerden führen. Diese Übungen sollten unter fachkundiger Anleitung erlernt und später auch selbstständig zu Hause weitergeführt werden.
Die manuelle Therapie dient der Beseitigung von Funktionsstörungen des Bewegungsapparates (Gelenke, Muskel und Nerven). Sie wird von Physiotherapeuten mit einer speziellen Weiterbildung durchgeführt. Mittels gezielter Dehn-, Mobilisations- und Entspannungsübungen sollen die Beschwerden gelindert werden.
Weitere Informationen zu dieser Behandlungsform finden Sie unter Manuelle Therapie.
Eine weitere Möglichkeit besteht (vor allem beim Morbus Scheuermann der Brustwirbelsäule) in dem Tragen eines besonderen Korsetts, z.B. eines Milwaukee-Korsetts, welches dafür sorgt, dass die Wirbelsäule aufgerichtet wird.
Damit ein Behandlungserfolg verzeichnet werden kann, ist es allerdings wichtig, dass dieses Korsett in der Anfangszeit fast den gesamten Tag getragen wird und nur zur Körperpflege ausgezogen wird. Später reicht es dann häufig, wenn das Korsett nur über Nacht angezogen wird.
Das Problem hierbei ist, dass viele Kinder und Jugendliche aufgrund des Tragens eines Korsetts geärgert werden oder davor zumindest Angst haben und es deshalb nicht regelmäßig anlegen. Wird ein Korsett getragen, so müssen in regelmäßigen Abständen Besuche beim Arzt vereinbart werden, um zu überprüfen, ob das Korsett noch richtig sitzt und es gegebenenfalls anzupassen.
Normalerweise bereitet der Morbus Scheuermann keinerlei Schmerzen. Gelegentlich kann es jedoch sein, dass durch die Verkrümmung der Wirbelsäule Nerven eingeklemmt oder Muskeln fehlbelastet werden, wodurch dann doch einmal Schmerzen auftreten können. In einem solchen Fall ist eine Behandlung mit Schmerzmitteln (insbesondere aus der Gruppe der nicht-steroidalen Antirheumatika, also zum Beispiel Ibuprofen) und / oder muskelentspannenden Medikamenten (Muskelrelaxantien) indiziert.
Zusätzlich zu all diesen Möglichkeiten der Therapie sind bestimmte Veränderungen des Alltags sinnvoll.
So sollte man beim Morbus Scheuermann durchaus darauf achten, sich körperlich zu betätigen, vor allem durch rückenschonenende Sportarten wie zum Beispiel Schwimmen oder Gymnastik. Sportarten, die mit Gewalteinwirkung auf den Rücken oder Sprüngen / Erschütterungen einhergehen, wie zum Beispiel Kampfsportarten oder Weit- / Hochsprung sollten hingegen eher vermieden werden.
Außerdem ist bei Morbus Scheuermann-Patienten eine aufrechte Grundhaltung noch wichtiger als sowieso schon. Zudem wird das Liegen auf dem Bauch (beim Lesen oder auch beim Schlafen) von vielen Betroffenen als angenehm empfunden. Besonders bei Kindern / Jugendlichen oder anderen Personen, die viel Zeit am Schreibtisch verbringen, ist es ratsam die Höhe von Tisch und Stuhl so anzupassen, dass eine rückenfreundliche Sitzhöhe erreicht wird.
Nur in wenigen Fällen ist beim Morbus Scheuermann eine operative Therapie notwendig. Eine Operation wird zum Beispiel dann durchgeführt, wenn
Hierbei müssen Risiken und Vorteile einer Operation natürlich stets sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Die Voraussetzung für die Entscheidung zu einem chirurgischen Eingriff ist allerdings immer, dass die Wachstumsphase bereits abgeschlossen ist.
Bei einer Operation bei Morbus Scheuermann werden zunächst Bandscheiben entfernt, die verschlissen sind. Die dadurch entstehenden Lücken werden durch körpereigenes Knochenmaterial wieder aufgefüllt. Anschließend werden Metallplatten und Schrauben in die Wirbelsäule gebohrt, damit diese aufgerichtet und stabilisiert wird und auch in dieser Position verbleibt. Häufig wird empfohlen, nach einem solchen Eingriff für einige Wochen oder Monate noch ein Korsett zu tragen, um die Wirbelsäule und die Heilung zu unterstützen.
Um einer Verschlimmerung entgegenzuwirken, sollte die Rückenmuskulatur gestärkt und die Beweglichkeit der Wirbelsäule gefördert werden. Dazu sind gelenkschonende Sportarten wie Schwimmen, Yoga, Pilates sowie Entspannungsübungen zu empfehlen. Zusätzlich sollte eine Rückengymnastik und/ oder ein spezifisches Krafttraining regelmäßig absolviert werden. Besonders im Jugendalter ist es wichtig die Rücken-, Bauch- und Rumpfmuskulatur mittels Sport zu trainieren. Dadurch werden Muskeln, Knochen, Bandscheiben, Sehnen und Knorpel vor weiteren Schäden sowie Verletzungen geschützt.
Aufgrund der krankhaften Formveränderung der Wirbelkörper kommt es zu einer ständigen Über- und Fehlbelastung der Bandscheiben. Aufgrund dessen verändern diese ihre Position und Lage, werden dünner oder können sich ganz zurückbilden. Somit ist das Risiko im Erwachsenenalter an einem Bandscheibenvorfall zu erkranken beim Morbus Scheuermann deutlich erhöht.
Mehr hierzu: Spätfolgen eines Morbus Scheuermann
Alte in der Therapie genannten Verfahren können selbstverständlich auch aus prophylaktischen Zwecken eingesetzt werden. Ein gutes muskuläres Korsett sollte sich schon in der Kindheit angeeignet werden damit Beschwerden erst gar nicht aufkommen können.
Insbesondere das Training der Bauch- und Rückenmuskulatur, Schwimmen (besonders Rückenschwimmen, kein Delphin), Vermeidung von Leistungssport, kein Tragen und Heben schwerer Lasten, Lesen in Bauchlage sowie eine angemessene Höhe und Neigung der Schreibtischplatte.
In den meisten Fällen bereitet ein Morbus Scheuermann keine Beschwerden und wird nur als Zufallsdiagnose im Röntgenbild diagnostiziert. Durch Fehlstellungen der Wirbelsäule können sich chronische Rückenbeschwerden oder Bandscheibenvorfälle entwickeln.
Dauerhafte Fehlstellungen, die vom Grad der Ausprägung einer operativen Therapie bedürfen, stellt meist die Ausnahme dar.
Im Anfangsstadium fallen bei Morbus Scheuermann die Haltungsschwächen, meist in der Brustwirbelsäule auf (Buckelbildung).
Klinisch kann die Diagnose durch den Nachweise der Fixierung der Rundrückenbildung (Unfähigkeit den Rundrücken aktiv auszugleichen) gesichert werden.
Weist das Röntgenbild die Scheuermann - typischen Veränderungen auf, kann die Diagnose gestellt werden.
Beim Morbus Scheuermann können im Röntgenbild schon deutliche Veränderungen der Wirbelkörperform sowie deren Wachstumsstörungen erkannt werden. Zusätzlich lassen sich meist ein Rundrücken sowie ein Hohlkreuz aufgrund der langjährigen Über- und Fehlbelastungen der Wirbelsäule diagnostizieren. Auch eine dreidimensionale Verdrehung und Verbiegung der Wirbelsäule (Skoliose) ist meist sichtbar. Um das genaue Ausmaß der Erkrankung festzustellen, sollte die komplette Wirbelsäule von vorne sowie von der Seite geröntgt werden.
Die Röntgenbildaufnahe zeigt den Deckplatteneinbruch eines Wirbelkörpers bei Morbus Scheuermann und den resultierenden Keilwirbel.
Mehrere solcher Keilwirbel führen dann zum Rundrücken.