Orthese - Gründe und Formen

Definition - Was ist eine Orthese?

Eine Orthese ist ein medizinisches Hilfsmittel, das zur Unterstützung von Funktionen des Bewegungsapparates, insbesondere von Gelenken, eingesetzt wird. Sie werden nach Operationen, Unfällen oder bei angeborenen Fehlstellungen eingesetzt und dienen der Sicherung oder Wiederherstellung von Haltungen.

Dabei gibt es Orthesen zum Beispiel für alle größeren Gelenke wie Knie oder Handgelenk, aber auch für den Rücken. Meist handelt es sich bei einer Orthese um eine Schiene aus Kunststoff und verschiedenen Bändern, die eine Führung und Stabilisierung am eingesetzten Körperteil ermöglichen.

Wofür braucht man eine Orthese?

Das mögliche Einsatzgebiet ist sehr groß, da diese aus unterschiedlichen Gründen und an einer Vielzahl von Körperteilen eingesetzt werden können. Ein häufiger Grund, weswegen man eine Orthese braucht, sind Verletzungen von Gelenken oder Bändern.

Eine oft vorkommende Verletzung ist ein Kreuzbandriss am Knie, den man sich unter anderem beim Skifahren oder Fußballspielen zuziehen kann. Häufig wird dann für einige Wochen eine Knieorthese verordnet, damit diese das Kniegelenk von außen stabil hält und weiteren Verletzungen vorgebeugt wird.

Bei älteren Menschen sind häufig Verschleißerscheinungen der Gelenke (Arthrose) oder Knochenschwund (Osteoporose) der Grund, weshalb die Verwendung einer Orthese angezeigt ist. Diese können zur Stabilisierung von Körperteilen beitragen und damit die Lebensqualität aufrechterhalten. Menschen mit einer Fußheberschwäche zum Beispiel infolge eines Bandscheibenvorfalls können mithilfe einer speziellen Orthese beim Gehen unterstützt werden.

Auch bei Kindern stellen Orthesen bei vielen Erkrankungen einen wichtigen Bestandteil der Therapie dar. Angeborene Fehlstellung der Hüfte oder der Füße sind dabei am häufigsten der Grund dafür, dass eine Orthesenbehandlung notwendig wird. Durch eine rechtzeitige und konsequente Therapie kann dadurch oftmals eine Fehlstellung korrigiert werden, sodass das Kind normal laufen lernen gehen.

Auch für den Fall, dass eine Fehlstellung nicht mehr oder nicht vollständig behoben werden kann, können Orthesen häufig zumindest ein Hilfsmittel zur Stabilisierung darstellen.

Zuletzt werden Orthesen auch teilweise von gesunden Menschen verwendet, um einer Verletzung oder Überbelastung vorzubeugen. Leistungssportler zum Beispiel aus dem Laufsportbereich verwenden gelegentlich Orthesen für die Beine, um Gelenke und Bänder zu stützen und so zu schützen.

Wie wirkt eine Orthese?

Trotz der Vielfältigkeit der verschiedenen Orthesen und der Unterschiede in Form und Größe liegt Orthesen meist ein gemeinsames Wirkprinzip zugrunde. Es handelt sich um das sogenannte Dreikräfteprinzip.

Dabei wird der Effekt der Orthese dadurch erzielt, dass es drei Berührungspunkte am entsprechenden Körperteil gibt, wobei zwei der Stabilisierung dienen und einen Druck ausübt.

Bei sogenannten aktiven Orthesen kommt diese Wirkung am besten in Bewegung zur Geltung, das bedeutet, dass die Aktivität des Verwenders notwendig ist.
Passive Orthesen dagegen stützen das Gelenk dagegen auch in Ruhe vollständig.

Wichtigste Voraussetzung für eine gute Wirkung jeder Orthese ist, dass diese genau sitzt und gegebenenfalls nach den Maßen des Patienten angepasst wird. Zudem sollte auch die individuellen Ansprüche an das Hilfstmittel berücksichtigt werden.

Ebenfalls ist es wichtig, dass ein guter Tragekomfort gegeben ist und zum Beispiel Druckstellen rechtzeitig erkannt und ausgeglichen werden. Für eine möglichst optimale Wirkung ist neben der individuellen Anpassung zum Beispiel durch einen Orthopädietechniker im Sanitätshaus auch eine Unterweisung zum richtigen Anlegen der Orthese wichtig.

Welche Orthesen gibt es?

Orthesen lassen sich nach verschiedenen Kategorien einordnen. Eine Einteilung erfolgt danach, an welchem Körperteil diese verwendet werden. So gibt es Orthesen für Arme und Hände, Beine und Füße sowie für den Rumpf, das heißt Rücken oder Nacken. Zudem unterscheidet man zwischen Orthesen die nur aktiv wirken und solchen die auch passiv stützen. Bei den nur aktiv wirksamen Orthesen erfolgt eine Wirkung nur bei Bewegung durch den Träger.

Eine weitere wichtige Einteilung erfolgt anhand des Zwecks, den die Orthese erfüllen soll. Zum kann das Ziel die Ruhigstellung eines Gelenks zum Beispiel nach einer Operation sein, damit die Wunden verheilen können. Oft werden diese Orthesen auch als Lagerungsschienen bezeichnet. Bei Verletzungen von Bändern kommen dagegen häufig Orthesen zum Einsatz, die der Stabilisierung des Gelenks von außen dienen wie zum Beispiel nach einem Kreuzbandriss im Kniegelenk. Sogennante Retentions- oder Redressionsschienen kommen zum Einsatz, um Fehlstellungen auszugleichen oder zu beheben.

Eine weitere Gruppe stellen Orthesen für den Längenausgleich da, wenn zum Beispiel ein Bein länger ist als das andere. Zusätzlich unterscheiden sich die verschiedenen Orthesen aufgrund der Materialien, aus dem sie bestehen. Neben verschiedenen Arten von Kunststoff kann auch Carbon (Kohlenstofffasern) verbaut werden.

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Knieorthese

Das Kniegelenk ist das größte Gelenk des menschlichen Körpers und es besitzt einen komplexen Aufbau mit verschiedenen Bändern, die der Stabilisierung bei gleichzeitig gegebener Beweglichkeit dienen. Bei einer Schädigung von Bandstrukturen zum Beispiel durch einen Unfall ist daher häufig der Einsatz eine Kniegelenksorthese notwendig.

Diese bildet von außen einen stabilen Rahmen um das Gelenk und ersetzt dadurch die durch die Verletzungen verloren gegangene Stabilität soweit es geht. Zudem sind Knieorthesen meist mit Achsgelenken ausgestattet. Diese lassen sich in verschiedenen Winkeln fixieren und schränken so das Bewegungsausmaß im Knie ein. Dadurch, dass über meist mehrere Wochen die Bewegung immer mehr freigeben wird, kann erreicht werden, dass sich die geschädigten Strukturen erholen und das Kniegelenk auch ohne Orthese wieder stabil wird.

Wenn eine Operation am Knie erfolgt ist, wird dagegen meist zunächst eine vollständige Ruhigstellung des Gelenks erforderlich. Dadurch wird sichergestellt, dass die Wunde sowie die inneren Strukturen verheilen können und es nicht durch vorzeitige Bewegungen zu einer erneuten Schädigung kommt. Bei den dafür eingesetzten Orthesen handelt es sich um sogenannte Knielagerungsschienen. Dabei wird das Knie nicht gestreckt, sondern meist in einem bestimmten Beugewinkel fixiert, je nachdem, welcher Eingriff erfolgt ist und welche Strukturen verletzt waren. Da es nach einer Operation zu einer Schwellung des Gewebes kommen kann, ist zusätzlich eine Verstellbarkeit der Weite der Knieorthese wichtig.

Unterschenkelorthese

Eine Unterschenkelorthese wird zum Beispiel dann verordnet, wenn es zu einem Riss und Teilriss der Achillessehne gekommen ist. Durch die Unterschenkelorthese wird der Fuß in einer Spitzfußstellung fixiert. Dadurch wird ermöglicht, dass die Sehne wieder zusammenwachsen kann und zudem verhindert, dass es durch Senken des Fußes zu einer weiteren Verletzung kommt.

Der Winkel zwischen Unterschenkel und Fuß wird dabei durch den Einsatz eines Keils erreicht und ist zum Anfang der Orthesenbehandlung am größten, da so die Sehnenenden am besten aneinander liegen. Nach und nach wird in den kommenden Wochen durch den Wechsel auf immer kleiner werdende Keile der Winkel verringert, bis der Fuß wieder in seiner neutralen Stellung von 90 Grad ist. Dadurch wird einer Verkürzung der Sehne vorgebeugt.

Andere Gründe, weshalb eine Unterschenkelorthese verwendet wird, sind zum Beispiel Knochenbrüche an Schien- oder Wadenbein. Zudem können auch durch Umknicken Bänder am Fuß reißen oder überdehnt werden, sodass auch hier das zeitweilige Tragen einer Orthese notwendig wird.

Sprunggelenksorthese

Verletzungen am Sprunggelenk zählen zu den häufigsten Verletzungen des Bewegungsapparates beim Menschen. Der Unfallmechanismus ist dabei meist ein Umknicken nach innen oder nach außen. Dabei kann es sowohl zur Überdehnung oder einem Riss von Bändern als auch zu einem Knochenbruch an Innen- oder Außenknöchel kommen.

Häufig muss nach der Verletzung für einige Zeit eine Sprunggelenksorthese getragen werden. Dies kann bei leichteren Verletzungen die eigentliche Behandlung darstellen. Durch eine sogenannte Stabilisierungsschiene wird ein erneutes Umknicken des Fußes verhindert und gleichzeitig die Beweglichkeit im Sprunggelenk erhalten. In Fällen mit größerem Verletzungsausmaß muss gegebenenfalls zunächst eine Operation erfolgen. Anschließend wird eine Orthese oft erforderlich, um den Sprunggelenksbereich ruhigzustellen, damit die Wunden und verletzten Strukturen verheilen können.

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Handgelenksorthese

Eine Handgelenksorthese besteht in der Regel aus einer Schiene, die von der Handinnenfläche über das Handgelenk bis zum Unterarm verläuft und mit Bändern oder Gurten fixiert ist. Dadurch wird das Gelenk in einer neutralen Stellung fixiert. In dieser ist eine optimale Durchblutung gesichert und die Ruhigstellung so angenehm wie möglich gestaltet.

Eine Handgelenksorthese zur Ruhigstellung des Gelenks wird zum Beispiel nach einem Knochenbruch der Speiche oder einer Operation erforderlich. Auch nach schweren Verstauchungen im Handgelenk oder Reizzuständen im Bereich des Daumens oder Unterarms kann eine Handgelenksorthese als Hilfsmittel eingesetzt werden. Bei Verschleißerkrankungen kann eine Handgelenksorthese ebenfalls zur Stabilisierung und dem Erhalt der Funktionsfähigkeit beitragen.

Ellenbogenorthese

Eine Ellenbogenorthese wird zur Ruhigstellung des Armes in gebeugter Haltung eingesetzt. Dies wird zum Beispiel nach einem Knochenbruch im Bereich des Ellenbogens erforderlich, damit die Heilung nicht durch Bewegungen im Gelenk behindert wird.

Zudem ist in manchen Fällen das Ellenbogengelenk von einer Verschleißerkrankung (Arthrose) oder einer Entzündung betroffen. Auch hier kann eine Ruhigstellung mit einer Ellenbogenorthese dazu beitragen, dass Schmerzen gelindert werden und das Gelenk sich erholt.

Daumenorthese

Eine Daumenorthese wird meist bei einer Verschleißerkrankung des Daumensattelgelenks zwischen Handwurzel und dem ersten Mittelhandknochen verordnet. Von dieser als Rhizarthrose bezeichneten Erkrankung sind vor allem ältere Menschen betroffen. Aufgrund eines Verlusts von Gelenkknorpel reiben im fortgeschrittenen Stadium die Knochenflächen direkt aufeinander und es kommt zu einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung des betroffenen Daumens.

Eine Daumenorthese dient dabei der Stabilisierung des Gelenks, indem es in Funktionsstellung fixiert wird. Dabei wird die Beweglichkeit angrenzender Gelenke kaum beeinträchtigt. Dadurch kann die Greiffähigkeit der Hand oftmals erhalten werden und es treten deutlich weniger Schmerzen auf. Meistens ist in einem solchen Fall die Daueranwendung einer Daumenorthese angezeigt.

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Rückenorthese

Rumpf- oder Rückenorthesen werden meist auch als Korsett bezeichnet. Dabei kann man zwischen aktiven und passiven Korsetten unterschieden. Die passiven Stützorthesen dienen in erster Linie der Entlastung und Unterstützung bei Menschen, die aufgrund einer Erkrankung an einer Instabilität der Wirbelsäule leiden, die mit starken Schmerzen einhergehen kann.

Beispiele hierfür sind Krebsleiden, die in die Knochen gestrahlt haben oder ein stark ausgeprägter Knochenschwund, von dem vor allem ältere Frauen betroffen sein können. Durch das Korsett sollen Schmerzen gelindert und der Rücken stabilisiert werden, um Knochenbrüchen und einer Querschnittslähmung vorzubeugen.

Die aktiven Rückenorthesen dagegen werden zur Behandlung von Erkrankungen eingesetzt, bei denen eine Fehlstatik der Wirbelsäule vorliegt, die möglichst korrigiert werden soll. Besonders wichtig und aussichtsreich ist dabei die Behandlung von Kindern und Jugendlichen, da in diesem Alter Fehlhaltungen noch am besten korrigiert oder deren Entwicklung zumindest positiv beeinflusst werden kann.

Das häufigste Beispiel, bei dem eine Behandlung mit einer aktiven Rückenorthese notwendig wird, ist die Skoliose. Dabei ist die Wirbelsäule von hinten betrachtet krumm und weicht nach links oder rechts aus. Zudem sind Wirbelkörper gegeneinander verdreht. Die aktive Rückenorthese kann ihre Wirkung nur entfalten, wenn sie bei körperlicher Aktivität getragen wird. Allerdings muss sie auch nachts getragen werden. In der Regel muss diese 23 Stunden täglich angelegt sein, um ein bestmögliches Behandlungsergebnis zu erzielen.

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Eine weitere Erkrankung, bei denen Rückenorthesen zur Behandlung eingesetzt werden, ist der Morbus Scheuermann. Hierbei kommt es zu einer zunehmenden Versteifung der Wirbelsäule durch knöcherne Anbauten und Verhärtung von Bandstrukturen. Meist sind junge Männer betroffen und eine rechtzeitige und konsequente Behandlung mit einer Rückenorthese ist wichtig, um der Versteifung der Wirbelsäule entgegenzuwirken.

Eine Sonderform der Rückenorthese mit ganz anderem Einsatzgebiet sind Immobilisationsschienen für die Halswirbelsäule. Diese werden zum Beispiel nach einem Verkehrsunfall angelegt, um bei einer möglichen Verletzung der Halswirbelsäule Folgeschäden durch den Transport zu verhindern.

Was sind Orthesenschuhe?

Als Orthesenschuhe bezeichnet man Schuhe, die angezogen werden können, wenn eine Orthese am Fuß oder Unterschenkel getragen werden muss, die das Anziehen normaler Schuhe nicht zulassen. Sie sind breiter als normaler Schuhe und bieten verschiedene Verstellmöglichkeiten und ermöglichen so eine individuelle Anpassung an den Fuß und die Orthese.

Wichtig sind ein möglichst guter Tragekomfort, damit keine Druckstellen entstehen und es nicht zum Abdrücken von Leitungsbahnen kommt. Orthesenschuhe werden insbesondere für Kinder gebraucht, die aufgrund einer Behandlung von Fußfehlstellungen eine Langzeitbehandlung mit Orthesen erhalten.

Es gibt jedoch auch eine Vielzahl von Orthesenschuhen für Erwachsene, die besonders dann notwendig werden, wenn die Orthese langfristig getragen werden muss. Eine andere Art von Hilfstmittel, die gelegentlich auch als Orthesenschuhe bezeichnet werden, stellen spezielle Schuhe da, die dem Ausgleich einer Beinlängendifferenz dienen. Streng genommen handelt es sich hierbei jedoch nicht um eine Orthese.

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Sollte ich eine Orthese auch nachts tragen?

Orthesen sollten grundsätzlich so getragen werden, wie es mit dem Arzt vereinbart wurde. Aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Orthesen kann keine allgemeine Aussage darüber gemacht werden, ob diese nachts getragen werden sollte. In vielen Fällen ist es angebracht oder sogar notwendig, die Orthese auch nachts zu tragen, um zum Beispiel bei einem verletzten Gelenk weiteren Schäden durch Drehen im Schlaf vorzubeugen.

In einigen Fällen ist es dagegen nicht notwendig, die Orthese nachts zu tragen oder dies sollte sogar unterbleiben. Generell sollte bei einigen Orthesen zunächst eine Gewöhnung an das Hilfsmittel stattfinden. Dazu ist es manchmal sinnvoll, diese anfangs nur eine kurze Zeit zu tragen, um wunden Stellen oder Schonhaltungen vorzubeugen. Mit der Zeit werden diese Abschnitte gesteigert bis die Orthese gegebenenfalls durchgängig am Körper belassen wird. Es sollte daher immer mit dem verschreibenden Arzt besprochen werden, wann und wie lange die Orthese getragen werden sollten.

Darf Ich mit einer Orthese Autofahren?

Grundsätzlich darf man mit einer Orthese Autofahren. Dies sollte man jedoch unterlassen, wenn man durch die Orthese oder die zugrunde liegende Verletzung bei der Bedienung des Fahrzeuges eingeschränkt ist.

In manchen Fällen können spezielle Umbauten des Autos notwendig sein, die es dem Orthesenträger ermöglichen, Auto zu fahren. Diesbezüglich kann man sich zum Beispiel im Sanitätshaus beraten lassen. Eine einfache Möglichkeit kann häufig auch der Wechsel auf ein herkömmliches Auto mit Automatikgetriebe sein.

Weitere Informationen

Weitere Informationen rund um das Thema Orthesen erfahren Sie hier:

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 12.04.2019 - Letzte Änderung: 30.03.2024