Morbus Meulengracht

Morbus Meulengracht

Morbus Gilbert-Meulengracht 

Gilbert-Syndrom

Morbus Meulengracht (Morbus Gilbert-Meulengracht, Gilbert-Syndrom) ist eine harmlose Erkrankung, die durch eine angeborene Stoffwechselstörung der Leber hervorgerufen wird. Die Erkrankung wird über die Eltern auf die Kinder vererbt.

Durch eine Genmutation wird Bilirubin, das Abbauprodukt der roten Blutkörperchen, langsamer verstoffwechselt und mit der Galle ausgeschieden. In der Folge steigt der Plasmaspiegel von Bilirubin an und führt zu verschiedenen Symptomen.

Der Morbus Meulengracht ist eine vererbte Erkrankung, bei der es durch eine genetische Mutation zu einer verminderten Aktivität des Enzyms UDP-Glucuronyltransferase kommt. Dabei handelt es sich um einen autosomal-rezessiven Erbgang, das heißt, dass die Mutation auf beiden Chromosomen (von Mutter und Vater) vorliegen muss, damit die Erkrankung beim Kind zum Ausbruch kommt. Kinder, deren Eltern bzw. ein Elternteil von der Krankheit betroffen sind, haben ein deutlich höheres Risiko, an Morbus Meulengracht zu erkranken.

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Symptome und Diagnose

Was können die begleitenden Symptome bei einem Morbus Meulengracht sein?

Morbus Meulengracht ist eine relativ harmlose Erkrankung, die sich nur selten durch Symptome bemerkbar macht. Die Patienten leiden eventuell unter Bauchschmerzen, die vor allem als  unangenehmes Druckgefühl im rechten Oberbauch wahrgenommen werden.

Außerdem können Verdauungsstörungen, Übelkeit und Blähungen auftreten. Weitere Symptome sind depressive Verstimmungen, Erschöpfung und ein allgemeines Unwohlsein, sowie Kopfschmerzen, Migräneattacken und Appetitlosigkeit.

In manchen Fällen kommt es durch den Anstieg der Bilirubinkonzentration im Blut zur Gelbsucht, man spricht dabei von einem sogenannten intrahepatischen Ikterus. Die Gelbsucht äußert sich durch eine intensive Gelbfärbung der Skleren (das Weiße der Augen) und der Haut, verläuft aber ansonsten schmerzlos. Außerdem haben die Patienten farblosen, weißen Stuhlgang.

Die Symptome treten verstärkt bei Hunger und längeren Fastenperioden auf, aber auch der Genuss von Alkohol oder Zigaretten können die Beschwerden auslösen. Allerdings gibt es keine Korrelation zwischen der Schwere der Symptome und der Konzentration des überschüssigen Bilirubins im Blutplasma.

Bauchschmerzen bei Morbus Meulengracht

Bauchschmerzen, die in vorübergehenden Schüben mehr oder weniger stark auftreten, sind ein typisches Begleitsymptom bei Morbus Meulengracht. In seltenen Fällen treten die Bauchschmerzen in Kombination mit Verdauungsstörungen, Blähungen oder sogar Übelkeit mit metallischem Geschmack im Mund auf. Die Symptome verschlimmern sich nach dem Genuss von Alkohol oder Nikotin.

Blähungen bei Morbus Meulengracht

Neben Bauchschmerzen und Übelkeit können auch Blähungen ein Symptom für Morbus Meulengracht sein. Durch die Blähungen kann der Bauch stark aufgebläht sein (Meteorismus). Desweiteren leiden die betroffenen Personen vermehrt unter einem Völlegefühl und Bauchrumoren. Blähende Kost kann die Symptome noch verschlimmern. Hausmittel wie Kümmel und Fencheltee, aber auch ausreichende Bewegung und regelmäßiger Sport helfen gegen Blähungen.

Müdigkeit bei Morbus Meulengracht

In seltenen Fällen leiden Morbus Meulengracht-Patienten unter einer permanenten Müdigkeit, körperlicher Abgeschlagenheit und Konzentrationsstörungen. In schweren Fällen sprechen Ärzte von einem chronischen Erschöpfungssyndrom oder Fatigue. Dabei handelt es sich um eine außerordentliche Müdigkeit, die in keiner Relation zu den vorangegangen körperlichen Aktivitäten steht.

Depression bei Morbus Meulengracht

In Folge des Morbus Meulengracht können eine Depression oder depressive Verstimmungen bei den Patienten auftreten. Die Patienten fühlen sich hoffnungslos und völlig unmotiviert. Einfache Tätigkeiten des alltäglichen Lebens überfordern sie. Bei den ersten Anzeichen einer Depression wendet man sich am besten sofort an den behandelnden Arzt, da die Depressionen mit der richtigen Behandlung schnell wieder verschwinden.

Diagnose eines Morbus Meulengracht

Der Arzt diagnostiziert einen Morbus Meulengracht durch eine Blutuntersuchung. Eine erhöhte Konzentration des indirekten (unkonjugierten) Bilirubins im Blutplasma bei ansonsten normalen Leber- und Blutwerten geben einen Hinweis auf die Erkrankung.

Desweiteren kann die Mutation im Gen der UDP-Glucuronyltransferase mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) nachgewiesen werden. Die Symptome eines Morbus Meulengracht können sowohl durch den Patienten als auch den Arzt fehlinterpretiert und als schwere chronische Lebererkrankung (z. B. durch Hepatitis B oder Hepatitis C) gedeutet werden, weswegen im Zweifel ein Gentest zum eindeutigen Nachweis angebracht ist.

Bilirubinwert bei Morbus Meulengracht

Die Konzentration des indirekten Bilirubins ist bei einem Morbus Meulengracht erhöht und liegt über dem Normwert bei 2-5 mg/dl. Als indirektes Bilirubin bezeichnet man Bilirubin, das in der Leber noch nicht mit Glucuronsäure konjugiert wurde und somit auch nicht wasserlöslich ist.

Im Blut ist das indirekte Bilirubin an ein bestimmtes Transportprotein, das Albumin, gebunden. Zur Überprüfung des Bilirubinwertes nimmt der Arzt eine Blutprobe ab. Die Labordiagnostik bestimmt den gesamten Bilirubinwert und den Wert des konjugierten Bilirubins in einer Blutprobe im Plasma (zellfreies Blut) oder im Serum (Plasma ohne Gerinnungsfaktoren) des Patienten. Die Konzentration des indirekten Bilirubins ergibt sich als Differenz zwischen dem Gesamtwert und dem Wert des konjugierten Bilirubins.

Behandlung eines Morbus Meulengracht

Morbus Meulengracht ist prinzipiell nicht heilbar, da die Stoffwechselstörung genetisch vererbt und angeboren ist. Meistens kommen die Betroffenen auch ohne eine Behandlung gut zurecht und benötigen keine Therapie. In schweren Fällen können die Symptome und gastrointestinalen Beschwerden medikamentös behandelt werden, wobei die Nebenwirkungen der verschriebenen Medikamente oftmals schwerwiegender sind als die Symptome selbst. Üblicherweise treten die Symptome in Schüben auf und klingen auch ohne Behandlung schnell wieder von alleine ab.

Die Betroffenen können allerdings dafür sorgen, dass die Symptome nur selten und in leichter Form auftreten. Vor allem die durch die Gelbsucht verfärbten Augen sind für die Patienten äußerst belastend. Durch ausreichendes Trinken wird der Körper ordentlich „durchgespült“ und das angefallene Bilirubin kann schneller über die Nieren ausgeschieden werden.

Die Beschwerden werden durch bestimmte Verhaltensweisen verstärkt hervorgerufen. Ein entsprechender Lebensstil, bei dem die Patienten nicht Rauchen, Alkohol und lange Hungerphasen meiden sowie ausreichend schlafen, verhindert einen Anstieg der Bilirubinkonzentration im Blut und die damit verbundenen Symptome. Dadurch kann man die Erkrankung gut in den Griff bekommen und die gesundheitliche Beeinträchtigung bleibt gering.

Homöopathie bei Morbus Meuelngracht

Es gibt auch alternativmedizinische und homöopathische Methoden, um die Symptome von Morbus Meulengracht zu lindern. Ein spezieller chinesischer Tee aus verschiedenen Kräutern, der Yin Zhi Huang Tee, kann der Leber dabei helfen, überschüssiges Bilirubin verstärkt auszuscheiden. Eine Reihe von homöopathischen Mitteln, wie Carduus marianus, Crotalus und Chionanthus virginica, wirken unterstützend gegen Gelbsucht. Ein Arzt für Homöopathie oder Naturheilkunde kann individuell auf die Beschwerden des Patienten eingehen und einen passenden homöopathischen Behandlungsplan erstellen.

Ursachen eines Morbus Meulengracht

Die Ursache des Morbus Meulengracht ist eine sogenannte funktionelle Hyperbilirubinämie. Das bedeutet, dass der Bilirubinwert im Blutplasma aufgrund einer Leberfunktionsstörung über den Normwert angestiegen ist. Normalerweise wird Hämoglobin, der Hauptbestandteil der roten Blutkörperchen, in der Leber zu Bilirubin umgewandelt und mit der Gallenflüssigkeit über den Darm ausgeschieden. Ein wichtiger Schritt in diesem Prozess ist die Verbindung des Bilirubins mit Glucuronsäure (Konjugation), sodass das Bilirubin wasserlöslich wird und in der konjugierten Form die Galle abgegeben werden kann.

Beim Morbus Meulengracht ist die Konjugation des Bilirubins durch einen Enzymdefekt gestört. Das zuständige Enzym, die UDP-Glucuronoyltransferase, funktioniert nur zu etwa 30 Prozent. Dadurch läuft der ganze Vorgang wesentlich langsamer ab und überschüssiges, unkonjugiertes Bilirubin sammelt sich in der Leber und im Blut an (Hyperbilirubinämie).

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Verlauf und Prognose

Normalerweise verläuft Morbus Meulengracht völlig harmlos und die Patienten leben von der Krankheit völlig unbeeinträchtigt. Eine medikamentöse Therapie mit Enzyminduktoren (z. B. Phenobarbital oder Rifampicin) ist meistens nicht nötig und wird aufgrund der unerwünschten Nebenwirkungen nur selten verschrieben. Nur wenige Patienten leider unter Symptomen und generell ist die Lebenserwartung durch einen Morbus Meulengracht nicht verringert, da es durch die Hyperbilirubinämie zu keiner Schädigung der inneren Organe kommt.

Wie ernähre ich mich bei einem Morbus Meulengracht am besten?

Generell können sich Personen mit Morbus Meulengracht völlig normal ernähren und müssen nur wenige Sachen beachten. Längere Hungerperioden oder Fasten führen dazu, dass die Bilirubinkonzentration im Blut ansteigt und die Symptome von Morbus Meulengracht sich verschlimmern. Aus diesem Grund müssen die Patienten darauf achten, dass sie ausreichend und regelmäßig Nahrung zu sich nehmen. Auch bei Morgenübelkeit durch eine Schwangerschaft müssen betroffene Schwangere bedenken, dass sie trotz des Erbrechens ausreichend Kalorien zu sich nehmen und somit keinen Schub von Symptomen provozieren.

Die Patienten müssen außerdem darauf achten, sich ausgewogen und nicht zu einseitig zu ernähren, da auch fettarme Nahrung den Bilirubinwert ansteigen lassen kann. Die richtige Ernährung kann viel bewirken und sich positiv auf die Beschwerden bei Morbus Meulengracht wirken. Eine ausreichende Zufuhr von Wasser bewirkt, dass die Nieren vermehrt arbeiten und beschleunigt die Entgiftung des Körpers. Dadurch kann die Bilirubinkonzentration im Blut gesenkt werden. Frisches Obst und Gemüse liefern Ballaststoffe und Vitamine, die gegen die schnelle Ermüdung und Schlappheit helfen können. Gegen wiederkehrende Übelkeit können frisch aufgebrühter Pfefferminztee oder Pfefferminzlutschbonbons für unterwegs hilfreich sein.

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Welche Auswirkung hat Sport auf meine Morbus Meulengracht und welchen Sport darf ich machen?

Generell sind Personen mit Morbus Meulengracht in keiner Weise körperlich beeinträchtigt und können jeden Sport ausüben, der ihnen zusagt. Sport und körperliche Betätigung tragen leider nicht dazu bei, dass die Bilirubinwerte  im Blut sinken. Allerdings kann sich eine regelmäßige sportliche Betätigung positiv auf die durch Morbus Meulengracht verursachten Symptome auswirken.

Vor allem die schnelle Ermüdung und die andauernde Abgeschlagenheit lassen sich mit Ausdauertraining, wie Laufen, Fahrradfahren oder Schwimmen, gut in den Griff bekommen. Es ist aber wichtig, dass die Patienten darauf achten, vor und nach dem Lauf ausreichend Kohlenhydrate und Kalorien zu sich zu nehmen, da sich ansonsten die Übelkeit und die Gelbfärbung der Haut durch das Fasten verschlimmern können.

Vor allem durch exzessiven Sport und schwere körperliche Betätigung können sich die Symptome des Morbus Meulengracht ebenfalls verschlimmern. In den Muskeln kommt das Protein Myoglobin vor, das als Sauerstoffspeicher dient und dem Hämoglobin im Blut ähnelt. Myoglobin wird auf ähnlichem Weg wie Hämoglobin über Biliverdin in der Leber abgebaut, daher steigt die Bilirubinkonzentration durch den vermehrten Abbau von Muskelzellen beim Sport an.

Bei Problemen oder einer Verschlechterung der Symptome durch den Sport sollten die Betroffenen am besten gemeinsam mit ihrem Arzt besprechen, welche Sportart am besten für sie geeignet ist und wie diese sich positiv auf die Erkrankung und die damit verbundenen Beschwerden auswirken kann.

Welchen Einfluss hat Alkohol auf Morbus Meulengracht?

Alkohol wird in der Leber durch das Enzym Alkoholdehydrogenase abgebaut. Durch den Alkoholgenuss wird das Lebergewebe geschädigt und die Leber weiter in ihrer Funktion eingeschränkt. In der Folge steigen die Konzentrationen von indirektem (konjugiertem) und direktem (nicht-konjugiertem) Bilirubin im Blut an. Alkohol erhöht den Bilirubinwert bei Morbus Meulengracht erheblich und Patienten sollten auf den Genuss alkoholhaltiger Getränke daher strikt meiden.

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Welche Medikamente sind bei der Verstoffwechslung betroffen?

Beim Morbus Meulengracht ist die UDP-Glucuronyltransferase in seiner Funktion eingeschränkt. Da das Enzym neben der Ausscheidung von Bilirubin auch für den Abbau anderer Medikamente wichtig ist, kann die Erkrankung die Wirkung von Medikamenten verändern und zu unerwünschten Wechselwirkungen führen.

Zu den Medikamenten, die von der UDP-Glucuronyltransferase abgebaut werden zählen verschiedene HIV-Medikamente (Indinavir oder Atazanavir), cholesterinsenkende Medikamente (Atorvastatin und Simvastatin) und Schmerztabletten mit den Wirkstoffen Ibuprofen und Paracetamol.

Darf ich Ibuprofen bei Morbus Meulengracht nehmen?

Der Wirkstoff Ibuprofen wird in der Leber durch die UDP-Glucuronyltransferase abgebaut. Bei Morbus Meulengracht findet dieser Vorgang verlangsamt statt und es kann zu einer Überdosierung von Ibuprofen kommen. Generell werden für eine Vergiftung mit Ibuprofen relativ hohe Dosen benötigt, die nicht so leicht zu erreichen sind, weshalb die Einnahme von Ibuprofen bei Patienten mit Morbus Meulengracht als unbedenklicher gilt als beispielsweise Paracetamol. Trotzdem sollte die Einnahme mit dem Arzt abgesprochen werden, da es durch eine Überdosierung zu Nierenschäden kommen kann.

Darf ich Paracetamol bei Morbus Meulengracht nehmen?

Patienten mit Morbus Meulengracht dürfen vorsichtshalber kein Paracetamol einnehmen, da aufgrund der unzureichenden Verstoffwechslung mit UDP-Glucuronyltransferase vermehrt ein giftiges Zwischenprodukt anfallen kann. Ab einer gewissen Konzentration kann das Toxin nicht mehr ausgeschieden werden und bindet an Leberzellproteine, wodurch irreversible Leberschäden entstehen und schließlich zu einem Leberversagen führen können.

Wirkt die Pille bei Morbus Meulengracht?

Auch Estradiol und Ethinylestradiol, die Östrogen-Bestanteile oraler Kontrazeptiva („Pille“), werden durch das betroffene Enzym UDP-Glucuronyltransferase abgebaut. In der Folge wird bei Morbus Meulengracht die Pille langsamer abgebaut. Bei den Präparaten, die heutzutage auf dem Markt sind, ist die Östrogenkonzentration allerdings relativ niedrig, weshalb eine Einnahme nach Absprache mit dem behandelnden Frauenarzt möglich ist.

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 26.03.2019 - Letzte Änderung: 12.01.2023