Narkose während der Schwangerschaft

Allgemeines

Es kommt vor, dass eine Vollnarkose bei Frauen, die schwanger sind, nicht vermieden werden kann. Die Planung und Durchführung dieser nichtgynäkologischen Eingriffe wird von dem behandelnden Anästhesisten übernommen. Insgesamt werden jedes Jahr 0,5-%-1,6% aller Schwangeren einem solchen Eingriff unterzogen.
Eine Vollnarkose und der damit verbundene operative Eingriff während der Schwangerschaft stellen immer ein gewisses Risiko für die Mutter sowie das Kind dar, weshalb die Entscheidung für einen solchen Eingriff nie leichtfertig erfolgen sollte.
Die Vollnarkose stellt sicher, dass während einem chirurgischen Eingriff keine Schmerzen wahrgenommen werden können und dass der Patient nicht bei Bewusstsein ist. Außerdem werden vegetative Reflexe ausgeschaltet und die Muskulatur des Körpers entspannt.

Besonderheiten einer Narkose in der Schwangerschaft

Eine Vollnarkose bei einer schwangeren Frau stellt immer eine Herausforderung für das behandelnde Team dar, da anstatt wie üblich nur ein Patient, nun die Verantwortung für zwei Patienten übernommen werden muss. Gleichzeitig finden während der Schwangerschaft einige biologische Veränderungen statt, die während der Durchführung einer Narkose unbedingt beachtet werden müssen.

Die Veränderung der Atemorgane stellt einen besonders wichtigen Teil während der Überwachung der Narkose dar. Es ist wichtig, die Mutter und damit auch das Kind mit genügend Sauerstoff zu versorgen, da sonst Schäden des Kindes nicht ausgeschlossen werden können.
Paradoxerweise ist eine Überversorgung der Mutter mit Sauerstoff kontraproduktiv für die Versorgung des Feten, da bei zu viel Sauerstoff im Blut der Mutter weniger Sauerstoff über die Plazenta zum Kind gelangt.
Die Veränderungen der Atemorgane führen dazu, dass die Narkosegase schneller wirken, jedoch beim Absetzten der Mittel auch schneller aus dem Körper entweichen können. Gleichzeitig kommt es zu einer gesteigerten Durchblutung der Schleimhäute, was für die Sicherung der Atemwege durch eine Intubation schwierig ist. Es kommt hierbei häufiger zu Blutungen, beziehungsweise muss die Sicherung der Atemwege in diesen Fällen auf einem anderen Weg erfolgen.

Durch die Schwangerschaft kommt es außerdem zu einer Veränderung im Bereich des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems. Das Blutvolumen sowie die Pulsfrequenz nehmen im Laufe der Schwangerschaft immer weiter zu. Gleichzeitig steigt außerdem der Blutdruck der Mutter.

Alle Medikamente, die für eine Vollnarkose verwendet werden, sind plazentagängig und gelangen so auch zum Fetus. Ob die Medikamente der Entwicklung des Kindes schaden können, wird im Moment untersucht und ist noch nicht sicher geklärt. Im Tiermodell wurde eine Verbindung von erhaltenen Narkosen im Kindesalter zu einer später auftretenden Lernschwäche festgestellt. Retrospektive Studien konnten jedoch bisher nur teilweise diesen Zusammenhang bestätigen.

Darf ich eine örtliche Betäubung während der Schwangerschaft bekommen?

Grundsätzlich kann eine örtliche Betäubung während der Schwangerschaft bedenklos durchgeführt werden. Es sollte lediglich vorab geklärt werden, dass eine Schwangerschaft besteht, sodass das Lokalanästhetikum und gegebenenfalls die Dosis des Lokalanästhetikums angepasst werden können.

Wenn möglich sollte Eingriff während der Schwangerschaft vorzugsweise in örtlicher Betäubung erfolgen, anstatt in Vollnarkose. Jedoch sollten auch nur Eingriffe durchgeführt werden, die unmittelbaren Handlungsbedarf erfordern, d. h., sollte die Möglichkeit bestehen, den Eingriff nach die Geburt zu verlegen, wäre dies der beste Weg für Mutter und Kind.

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Welche Risiken bestehen für das Baby bei örtlicher Betäubung?

Bei der richtigen Wahl des Lokalanästhetikums und der richtigen Verabreichung und Dosierung bestehen keine Risiken für das ungeborene Kind.
Grundsätzlich gilt, dass Präparate bevorzugt werden sollten, die eine hohe Plasmaeiweißbindung haben, um eine systemische Wirkung gering zu halten.

Gefährlich für das Baby können allerdings Zusätze wie Adrenalin und Noradrenalin in den den Betäubungsmittelmischungen sein, die zu einer Vasokonstriktion, also einer Einengung, der Gefäße führen können. Kommt es zusätzlich zu einer Vasokonstriktion in den versorgenden Gefäßen der Plazenta, kann es zu einer schweren Plazentainsuffizienz mit lebensbedrohlicher Minderversorgung des Fötus kommen. Neben einer Plazentainsuffizienz können diese Zusätze auch zu Herzrasen und Blutdruckschwankungen beim Baby führen.

Wenn Adrenalin oder Noradrenalin verwendet werden, muss daher auf eine hohe Verdünnung (z.B. 1: 200 000) geachtet werden.  

Medikamente für die Narkose während der Schwangerschaft

Die Narkose bei einer schwangeren Frau stellt auch in der Auswahl der Medikamente eine Besonderheit in der Anästhesie dar. Das Narkosegas sollte bei Schwangeren niedriger dosiert werden, da diese durch die Veränderung der Atemorgane schneller wirken.
Lachgas sollte für die Verwendung als inhalatives Narkosegas bei der Narkose von Schwangeren vermieden werden, da ein relatives Risiko eines Aborts vorliegt.

Die Risiken in der Verwendung von intravasal in das Gefäßsystem injizierten Medikamenten liegen in der Notwendigkeit der genauen Dosierung dieser Substanzen.
Eine Überdosierung kann leicht dem Fetus schaden, wogegen eine Unterdosierung im Sinne der Mutter gleichermaßen zu vermeiden ist. Gleichzeitig gilt es zu beachten, dass die Verwendung einiger Narkosemittel die Muskelspannung des Uterus verringern oder verstärken kann und damit unter Umständen während der Operation Wehen auftreten können, welche zum Abort des Feten führen können.

Propofol während der Schwangerschaft

Propofol ist für die meisten Narkosen das Mittel der Wahl geworden.

Über eventuelle Folgen für das ungeborene Kind durch eine Narkose mit Propofol während der Schwangerschaft sind nur ungenügend Daten vorhanden.

Deshalb ist der Einsatz nur in absolut notwendigen Fällen zu raten und die Dosis sollte möglichst gering gehalten werden. Wie viele andere Medikamente kann Propofol auch über die Nabelschnur und den Mutterkuchen in den kindlichen Blutkreislauf gelangen und das Kind so auch in gewisser Weise mit narkotisieren und dessen Kreislauffunktion beeinträchtigen.
Grund hierfür ist die hohe Fettlöslichkeit von Propofol.

Diese ist zum Einen notwendig, damit Propofol im Gehirn gut wirken kann und dort den Verlust des Bewusstseins bewirkt. Eben diese Fettlöslichkeit bedingt jedoch leider auch zum Anderen die Narkose des Kindes, da fettlösliche Medikamenten besonders gut durch den Mutterkuchen in den kindlichen Kreislauf gelangen können.

Lesen Sie hierzu auch den Artikel zum Thema Propofol.

Welche Komplikationen können auftreten?

Allgemein gelten bei der Narkose von Schwangeren die selben Nebenwirkungen und Komplikationen, wie bei Gesunden. Eine Narkose ist immer ein medizinischer Eingriff und sollte, besonders während der Schwangerschaft, nicht ohne ernst zu nehmenden Grund durchgeführt werden.
In dem speziellen Sonderfall der Narkose bei Schwangeren sind noch weitere Dinge zu beachten:

Das Aortokavale Kompressionssyndrom ist eine bekannte Komplikation der Spätschwangerschaft. Sie wird bei etwa 16%-20% aller Schwangeren durch das Einnehmen der Rückenlage hervorgerufen.
Hierbei drückt der Uterus auf zwei wichtige große Gefäße des Körpers (Aorta und Vena cava) und kann so heftige Nebenwirkungen mit Schocksymptomatik auslösen.

Einige anästhesiologischen Verfahren, wie die Narkose, begünstigen durch übliche Lagerungen das Auftreten dieses Syndroms. Wenn möglich sollte deshalb bei einem operativen Eingriff die Frau so gelagert werden, dass die Wahrscheinlichkeit eines spontanen Auftretens des Aortokavalen Syndroms möglichst gering bleibt.

Durch die Veränderungen im Bauchraum einer Schwangeren kommt es außerdem häufiger zu einer Aspiration von Mageninhalt während der Narkose. Aus diesem Grund sollte Druck auf den Bauch während der Operation wenn möglich vermieden werden und das Aspirationsrisiko durch eine Intubation gering gehalten werden. Die Durchführung des Eingriffs während einer Oberkörperhochlagerung verringert das Risiko außerdem.

Bei Schwangeren muss besonders der Blutdruck während der Operation im Auge behalten werden, da ein plötzlicher Blutdruckabfall dem Fetus schaden kann.

Das Risiko für einen spontanen Abort während der Narkose ist eine weitere Komplikation während der Narkose. Durch den Einsatz der Narkosemittel, welche Plazenta gängig sind und so auch den Fetus erreichen, sowie der Stress, der durch den Eingriff entsteht, ist ein Abort des Kindes während des Eingriffs nicht auszuschließen.

Lesen Sie mehr zum Thema: Nebenwirkungen einer Narkose

Risiken einer Narkose während der Schwangerschaft

Generell gilt es die Gründe für eine Operation und die verbundene Narkose in der Schwangerschaft sehr sorgfältig abzuwägen und nur bei unaufschiebbaren Eingriffen eine Narkose durchzuführen.
Die Schwangere befindet sich in einer Zeit voller körperlicher Veränderungen, welche auch während der Narkose beachtet werden müssen.

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Jedes Narkoseverfahren birgt seine eigenen Risiken.
Das Besondere einer Periduralanästhesie, einem Narkosemittel, welches in den Rückenmarkskanal injiziert wird, sind die, für diese Art der Narkose üblichen Nebenwirkungen, wie Kopfschmerzen und das Absinken des Blutdruckes. Im schlimmsten Fall tritt eine Minderversorgung des Kindes ein.
Trotzdem gilt die Peridualanästhesie als sehr sicher für das ungeborene Kind.

Etwas risikoreicher gestaltet sich eine Vollnarkose in der Schwangerschaft. Im Gegensatz zur Narkose im Rückenmarkskanal wird die werdende Mutter hier völlig in ein Koma versetzt und ist für die Zeit der Operation nicht bei Bewusstsein, während dieses bei einer Peridualanästhesie erhalten bleibt.
Bei einer Vollnarkose muss man beachten, dass das künstliche Koma durch Medikamente in den Blutkreislauf der Mutter oder durch eingeatmete Narkosegase eingeleitet wird. Diese gelangen dann immer auch zu gewissen Anteilen durch die Nabelschnur zum Kind, welches gewissermaßen ebenfalls narkotisiert wird. Studien ergaben, dass ein erhöhtes Risiko für Früh- oder Fehlgeburten bei Vollnarkosen in der Schwangerschaft herrscht. Es zeigte sich ebenfalls, dass bei Vollnarkosen während der Geburt eine höhere Rate an Neugeborenen unter Atembeschwerden leidet.

Lesen Sie mehr zum Thema: Risiken einer Narkose

Risiken für das Baby bei einer Narkose

Eine Schwangere wird in der Regel nur dann unter Vollnarkose operiert, wenn es sich um einen unvermeidbaren Eingriff handelt, der das Überleben der Schwangeren sichern soll. Andere Eingriffe sollten entweder bis nach der Geburt verschoben oder unter örtlicher Betäubung durchgeführt werden.

Narkosen im ersten und zweiten Schwangerschaftsdrittel können für den Embryo gefährlich werden, im letzten Schwangerschaftsdrittel bestehen weniger Risiken für das ungeborene Kind.

Wissenschaftlich konnte kein erhöhtes Vorkommen von Missbildungen der Embryos bei einer Narkose der Mutter nachgewiesen werden. Allerdings hat sich gezeigt, dass ein höheres Risiko für das Auftreten 

  • einer Fehlgeburt,
  • des Säuglingstods bis zu 168 Stunden nach der Geburt und 
  • einer Unterentwicklung des Kindes (geringes Körpergewicht und Größe) besteht.

Zusätzliche Informationen zu diesem Thema:

Statistik zur Narkose in der Schwangerschaft

Etwa 0,5%-1,6% aller Schwangeren müssen sich während ihrer Schwangerschaft einer nicht gynäkologischen Operation unterziehen. Von diesen Eingriffen werden etwa 40% im ersten Trimester, 35% im zweiten und 25% im dritten Trimester durchgeführt. Das Risiko für den Tod der Mutter während der Narkose wurde in einer Studie mit über 12.000 Patienten mit 0,006% angegeben.

Das Risiko für den spontanen Abort des Feten wurde außerdem in einigen Studien untersucht. Diese Studien kamen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen, wobei alle gemein hatten, dass das Risiko eine Fehlgeburt zu haben, durch eine Operation logischerweise erhöht wird.
Je nach Studie war das Risiko 0,6% bis zu 6,5% höher, als bei Frauen, welche keine Operation mit Narkose bekommen mussten. Das Risiko dieser Komplikation ist nach Studienergebnissen deutlich größer, wenn der Eingriff während des ersten Trimesters durchgeführt wurde.
Der Zusammenhang zwischen den in der Narkose verwendeten Substanzen und einer damit zusammenhängenden neuronalen Schädigung haben Studien bisher noch nicht endgültig klären können.

Insgesamt haben Studien jedoch ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Fehlgeburten, Frühgeburten, sowie Säuglingen mit Untergewicht bei Geburt durchaus in Verbindung mit einer unter Vollnarkose durchgeführten Operation stehen.

Alternativen für eine Narkose in der Schwangerschaft

Wenn möglich, wird auf eine Operation und auf die nötige Narkose während der Schwangerschaft verzichtet. Nicht einkalkulierbare Risiken sind für den Wahl-Eingriff zu groß.
Wenn ein Eingriff während der Schwangerschaft nicht vermeidbar ist, ist die Regionalanästhesie das Mittel der ersten Wahl. Die Regionalanästhesie birgt auch Risiken, wird jedoch von der Schwangeren sowie vom Kind deutlich besser vertragen. Studien zeigen, dass das Risiko an der Anästhesie zu versterben, bei Verwendung von Regionalanästhesie etwa halb so hoch ist, wie bei der Verwendung einer Vollnarkose. Nichtsdestotrotz werden jedes Jahr viele schwangere Frauen mittels einer Allgemeinanästhesie operiert, da eine Alternative für viele Operationen nicht verfügbar ist.

Narkose in der Schwangerschaft beim Zahnarzt

Auch wenn Narkosen in der Schwangerschaft immer sorgfältig abgewogen werden sollten, stellen zahnärztliche Eingriffe meist kein Problem dar. In jedem Fall muss der Zahnarzt jedoch über die Schwangerschaft informiert werden, um die Besonderheiten der Narkose in der Schwangerschaft beachten zu können.

Im Gegensatz zu großen Operationen in Vollnarkose die in den ersten Monaten der Schwangerschaft nicht angewendet werden sollten, können Eingriffe beim Zahnarzt meist trotzdem durchgeführt werden, da hier eine örtliche Betäubung des Mundraumes ausreicht und keine risikoreichere Vollnarkose nötig ist.

Eigentlich ist bei einer lokalen Betäubung kein Medikament im Blutkreislauf vorgesehen, dennoch besteht die Gefahr des Übertritts, was Auswirkungen auf die Auswahl des Medikamentes zur örtlichen Betäubung hat, da man auch auf diesen Zwischenfall vorbereitet sein muss.
Die üblichen Medikamente (=Lokalanästhetika) sind sehr fettlöslich und können sehr leicht über die Nabelschnur in den kindlichen Kreislauf übergehen.

Deshalb sollten dann bei Schwangeren die Betäubungsmittel gewählt werden, die nicht so leicht fettlöslich sind und im Falle von einem Betäubungsmittelübertritt in den Blutkreislauf der Mutter nicht in den Kreislauf des Kindes gelangen können.
Normalerweise sind den Mitteln zur örtlichen Betäubung noch Medikamente zugemischt, die die Blutgefäße verengen. Dieser Zusatz verhindert übermäßiges Ausbreiten des Medikamentes sowie größere Blutungen.
Hier sollte in der Schwangerschaft auf Adrenalin-Abkömmlinge zurückgegriffen werden, da einige andere Substanzen wehenfördernd wirken können.

Beachtet man all diese Besonderheiten steht zahnärztlichen Eingriffen unter lokaler Betäubung meist nichts mehr im Wege.

Spielt Angst vor Operationen eine weitere große Rolle so können Beruhigungsmittel zur Anwendung kommen. Als besonders geeignet haben sich die Benzodiazepine wie das Diazepam erwiesen. Diese können guten Gewissens kurzzeitig während der Schwangerschaft zur Anwendung kommen um die Stressreaktionen der werdenden Mutter zu dämpfen, denn diese sind auch für das ungeborene Kind spürbar.

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 08.09.2014 - Letzte Änderung: 22.10.2021