Schmerzen während der Geburt

Einleitung

Die Schmerzen, die während einer Geburt auftreten, werden oft als die stärksten möglichen Schmerzen bezeichnet. Von Frau zu Frau kann die Schmerzwahrnehmung jedoch stark variieren, sodass jede Frau die Geburt als unterschiedlich schmerzhaft erlebt. Generell sind Geburtsschmerzen nicht mit anderen Schmerzen, die durch Schädigung des Körpers (Verletzung, Unfall) zustande kommen, vergleichbar, da sie eine gewünschte Reaktion des Körpers zur Austreibung des ungeborenen Kindes darstellen.

Der Geburtsschmerz hat auch eine schützende Funktion. Schmerzen aller Art sollen den Körper vor einer Gewebeschädigung warnen, sodass der Betroffene eine entsprechende Reaktion zeigt, die den Schmerz und damit die Verletzungsgefahr vermindert (z.B. Wegziehen der Hand von der heißen Herdplatte). Bei Geburtsschmerzen ist es ähnlich. Die Schmerzen signalisieren potenzielle Gewebeschädigung durch den Druck, den das Kind auf den Beckenboden auslöst. Die Frau nimmt instinktiv Positionen ein, in denen die Schmerzen am erträglichsten sind. Dies sind in der Regel gleichzeitig Positionen, in denen der Druck auf mütterliche Organe oder auch den kindlichen Körper am geringsten ist, sodass die Geburt auf diese Art und Weise auf die sanfteste Art abläuft, die möglich ist. Demnach hat der Geburtsschmerz auf einen gewissen protektiven Effekt.

Ursachen

Geburtsschmerzen sind primär muskuläre Schmerzen, da sie durch starke Kontraktionen der Gebärmutter ausgelöst werden. Diese Pressbewegungen dienen einerseits der Öffnung des Muttermundes, andererseits der Positionierung des Kindes Richtung Beckenausgang. Während der Geburt kommt es zur Freisetzung von Prostaglandinen. Dies sind Schmerzbotenstoffe, die freie Nervenenden reizen und dadurch zur Schmerzentwicklung führen.

Neben den muskulär bedingten Schmerzen spielen jedoch auch Dehnungsschmerzen eine große Rolle. Der Muttermund wird durch das eintretende Kind enorm aufgeweitet. Gleiches gilt für das gesamte kleine Becken, die Dammregion, das Bindegewebe und die Haut. Auch die umgebende Muskulatur wird stark gedehnt. Dies führt ebenfalls zur Entwicklung von Schmerzen. Durch die starke Dehnung kann es während der Geburt auch zu einem Dammriss kommen.

Verstärkt werden die Schmerzen durch starke Anspannung der gebärenden Frau. Angst vor der Geburt und auch Angst vor dem Geburtsschmerz führen zu unterbewusster Verkrampfung der Muskulatur und erhöhen somit die Schmerzen zusätzlich. Meist dauert die Geburt dadurch länger und die Pausen zwischen den einzelnen Wehen, die eigentlich der kurzzeitigen Erholung dienen, verschaffen weniger Linderung.

Die Intensität der Schmerzen hängt auch von der individuellen Schmerzwahrnehmung der Frau ab. Jede Frau hat eine eigene Schmerzgrenze und ist dementsprechend entweder mehr oder weniger schmerzempfindlich als andere Frauen.

Natürliche Möglichkeiten zur Schmerzlinderung

Verschiedene Techniken können helfen, die Geburtsschmerzen besser zu verkraften. Unterstützend wirken eine für die Frau angenehme Umgebung, eine seelische und liebevolle Unterstützung durch Begleitpersonen, Motivation durch Klinikpersonal, aber auch bewusste Atem- und Entspannungstechniken. Oftmals ist es hilfreich, wenn die Frau versucht, sich auf das Ziel, nämlich die Geburt ihres Kindes, zu freuen und darauf hinzuarbeiten. Die Geburt sollte nach Möglichkeit nicht nur als schmerzendes und schlechtes Ereignis, sondern auch als positives, freudiges Erlebnis gesehen werden. Dies kann sich sehr positiv auf die Schmerzwahrnehmung der Frau auswirken. Die Euphorie über die Geburt des Kindes lässt viele Frauen auch im Anschluss an die Geburt die schlimmen Schmerzen vergessen.

  • Atemtechniken: Eine regelmäßige Atmung ist während der Geburt sehr wichtig für Mutter und Kind. Nur so kann die optimale Sauerstoffversorgung des Babys gewährleistet werden. Außerdem führt eine unregelmäßige Atmung zur vorzeitigen Erschöpfung der Mutter. Durch die Geburtsschmerzen und die Erschöpfung durch lange dauernde Geburtsvorgänge kann es schnell zur Hyperventilation kommen, wobei die Frau zu schnell und zu lange einatmet, aber nur kurz ausatmet. Dies führt zu Schwindelgefühlen, Kopfschmerzen und Erschöpfung. Die Frau sollte sich daher auf ihre Atmung konzentrieren und darauf achten, dass die Phase des Ausatmens etwa dreimal so lange dauert wie die Einatmung. Oft ist es hilfreich, wenn bei der Ausatmung die Stimme eingesetzt wird. So wird die Atmung bewusster. Zwischen Ein-und Ausatmung kann eine kurze Pause eingelegt werden, um beide Phasen bewusst voneinander zu trennen. Während der Austreibungsphase sollte die Luft nicht angehalten werden. Dies wird manchmal empfohlen, führt jedoch schnell zu Sauerstoffmangel im kindlichen Kreislauf. Stattdessen sollte die Gebärende am Anfang der Wehe tief einatmen und die Luft dann während des Pressaktes langsam entweichen lassen. Dies mindert zudem den Druck in der Dammregion, was sehr entlastend ist.
  • Wenn das Köpfchen des Kindes geboren wird, darf nicht mehr aktiv gepresst werden. In dieser Phase bietet sich eine hechelnde Atemtechnik an, die dazu dient, den Druck im Bauchraum möglichst zu reduzieren und keinen zusätzlichen Druck auf das Kind auszuüben. Ansagen durch die Geburtshelfer/innen können für viele Frauen hilfreich sein, wenn es ihnen durch die Aufregung und Schmerzen nicht möglich ist, in einen geregelten Atemrhythmus zu finden.

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  • Geburtsposition: Eine für die Frau angenehme Geburtsposition ist sehr wichtig für eine erträgliche Geburt. Am besten kann die Gebärende selbst herausfinden, in welcher Position sie die Schmerzen am ehesten verkraften kann. Für viele Frauen ist eine Wannengeburt angenehm, da das warme Wasser entspannend und entkrampfend auf die Muskulatur wirkt. Dadurch können die Schmerzen erträglicher gemacht werden. Eine liegende Position kann angenehm sein, da in dieser Position eine gute Entspannung in den Pausen zwischen den Wehen erreicht werden kann. Im Sitzen hilft die Schwerkraft dabei, das Kind frühzeitiger in den Geburtskanal einzubringen, manchmal ist diese Position jedoch auch schmerzhafter als andere Stellungen, da der Druck auf den Beckenboden höher ist.
  • Bewegung: Bewegung zu Beginn des Geburtsvorganges kann die Schmerzen lindern. Viele Schwangere werden dazu animiert, etwas umherzulaufen oder ihr Becken kreisen zu lassen. Dies fördert die Muskelentspannung, hilft aber auch gleichzeitig dem Baby, den Eintritt in den Geburtskanal zu finden.
  • Körpereigene Endorphine: Der Körper setzt während der Geburt Endorphine frei. Diese wirken sozusagen als körpereigene Schmerzmittel. Sie sorgen dafür, dass der Geburtsschmerz für die Frau besonders zwischen den Wehen erträglich bleibt. Außerdem lösen sie gegen Ende der Geburt bei der Frau einen trance-ähnlichen Zustand aus, der einer Bewusstseinserweiterung gleicht. Die Frau wird dadurch dazu befähigt, die Geburt abzuschließen und den Geburtsschmerz zu ertragen. Auch die Euphorie beim ersten Anblick des Kindes wird der Wirkung der Endorphine zugeschrieben. Das Hormon Oxytocin wird ebenfalls unter der Geburt freigesetzt. Es ist besonders für die Bindung zwischen Mutter und Kind wichtig und fördert zusätzlich die Bildung der Endorphine, sodass diese in ausreichender Menge in den Kreislauf der Frau ausgeschüttet werden.
  • Akupunktur: Manche Frauen entscheiden sich für eine geburtsvorbereitende Akupunktur. Diese Methode hilft jedoch nicht jeder Frau in gleichem Maße. Sie kann jedoch die Produktion der körpereigenen Endorphine ankurbeln und dadurch auf natürliche Art und Weise zu einer Linderung der Schmerzen beitragen. Auch eine Massage von Nacken und Schultern durch eine Begleitperson kann der Frau während der Geburt etwas von ihrer Anspannung nehmen. Besonders sehr aufgeregten und verkrampften Frauen kann dies gut tun

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Medikamentöse Schmerzlinderung

Auf medizinischer Seite stehen für die natürliche Geburt ebenfalls Mittel zur Verfügung, die den Geburtsschmerz für die Frau erträglicher machen können. Möglich ist beispielsweise die Anlage einer Epiduralanästhesie (auch Periduralanästhesie=PDA) oder einer Spinalanästhesie. Viele Frauen kommen jedoch auch ganz ohne Schmerzmittel zurecht. Generell sollte jede Frau die Geburt zunächst so unvoreingenommen wie möglich angehen und erst einmal schauen, wie sie mit den Wehen zurecht kommt. Auf medikamentöse Mittel kann zu späterem Zeitpunkt immer noch jederzeit zurückgegriffen werden.

  • Periduralanästhesie: Die PDA soll die starken Wehenschmerzen für die Gebärende erträglicher machen. Sie wird bei natürlicher Geburt nicht zu vollkommener Schmerzlosigkeit führen, da die Wehen von der Frau noch gespürt werden müssen, damit sie durch rechtzeitiges Pressen aktiv am Geburtsvorgang mithelfen kann. Die Menge des Betäubungsmittels darf zudem nicht zu hoch sein, da sonst nicht nur der Wehenschmerz, sondern auch die Wehentätigkeit gehemmt wird. Beim Anlegen der PDA muss der Muttermund bereits weit genug geöffnet sein und die Wehentätigkeit ausreichend eingesetzt haben.
  • Bei dem Eingriff liegt oder sitzt die Schwangere mit gekrümmtem Rücken, sodass die Wirbelkörper möglichst weit auseinander stehen. Der Arzt wählt dann die gewünschte Punktionshöhe aus (meist zwischen dem 3. und 4. Lendenwirbelkörper), da dort kein Rückenmark mehr verläuft. Allerdings finden sich dort die Nerven für Bauch und Beine, die somit durch das Betäubungsmittel erreicht werden können. Mit einer Spritze wird ein lokales Betäubungsmittel direkt unter die Haut gespritzt (sogenannte Quaddel), damit die dickere PDA-Nadel später nicht zu unangenehm für die Patientin wird. Nach der Betäubung der Haut kann dann die eigentliche PDA vorgenommen werden. Ist die Nadel richtig positioniert, kann das Betäubungsmittel eingespritzt werden, welches dann zur Betäubung der dort verlaufenden Nerven führt. Bis die volle Betäubung erreicht ist, vergehen etwa 15-20 Minuten, da das Betäubungsmittel zunächst durch die harte Hirnhaut hindurch wandern muss, bis es die zu betäubenden Nervenbahnen erreicht. Anschließend kann die Nadel wieder entfernt werden. Alternativ kann zuvor auch ein kleiner Plastikkatheter durch die Nadel eingebracht werden, der längere Zeit dort verbleiben kann. Über diesen kann nachträglich weiteres Betäubungs- bzw. Schmerzmittel verabreicht werden. Dies ist auch in Form einer selbstdosierbaren Pumpe möglich, die die Schwangere bei Bedarf selber aktivieren kann. Bei einmaliger Gabe von Betäubungsmittel hält die Wirkung etwa 4 Stunden an.
  • Eine normal verlaufende Geburt kann durch die PDA komplizierter werden, beispielsweise durch die Hemmung der Wehentätigkeit. Dann kann ein zusätzlicher Wehentropf notwendig werden und die Geburt wird künstlich in die Länge gezogen. Häufig haben Schwangere unter PDA mehr Probleme, das Kind hinaus zu pressen, als Frauen ohne PDA. Daher sollte die PDA tatsächlich nur bei kaum auszuhaltenden Schmerzen eingesetzt werden.
  • Spinalanästhesie: Der Unterschied zwischen Peridural- und Spinalanästhesie ist lediglich der genaue Ort, an den das Betäubungsmittel gespritzt wird. Während es bei der Periduralanästhesie in den sogenannten Periduralraum (Raum außerhalb der Hirnhäute) gespritzt wird, wird es bei der Spinalanästhesie direkt an die Nerven gespritzt. Der Effekt ist letztlich der gleiche. Generell ist die Periduralanästhesie das bevorzugte Verfahren der Schmerztherapie unter der Geburt. Unter Peridural- und Spinalanästhesie ist auch ein Kaiserschnitt möglich.
  • Spasmolytika: Spasmolytika sind entkrampfende Arzneimittel, die der Gebärenden per Infusion verabreicht werden können. Durch die entkrampfende Wirkung wird die Öffnung des Muttermundes unterstützt, sodass die Geburt insgesamt erleichtert werden kann. Spasmolytika sind auch in Zäpfchenform erhältlich. Sie können bei Bedarf mehrfach nachdosiert werden.
  • Schmerzspritze: Der Schwangeren können auch schmerzstillende Mittel direkt in den Gesäßmuskel injiziert werden. Dies kann besonders zu Beginn der Geburt schmerzlindern und entkrampfend wirken. Der Nachteil ist, dass die Schmerzmittel auf das Kind übergehen können und dessen Atemantrieb mindern können. Diese Komplikationen sind in der Regel jedoch gut zu handhaben und durch die Gabe eines gegensätzlichen Arzneimittels leicht aufzuheben.

Weiterführende Informationen

Weitere Informationen zur Geburt finden Sie hier:

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 08.12.2014 - Letzte Änderung: 22.10.2021