Als Ellenbogenluxation bzw Ellenbogenverrenkung bezeichnet man den Verlust der Gelenkbindung zwischen dem Oberarmknochen und der Unterarmknochen Elle und Speiche.
Synonyme: Ellenbogenverrenkung, Ellenbogenausrenkung, Ellenbogenauskugelung
Eine Ellenbogenluxation ist eine vollständige Verlagerung der an dem Ellenbogengelenk beteiligten Anteile. Dazu gehören das Herausgleiten der Gelenkfläche des Oberarmknochens (Humerus) aus seiner scharnierartigen Umfassung durch die Elle (Ulna) und der Verlust des Kontaktes zwischen dem Kopf der Speiche (Radius) und dem Oberarmknochen.
Im Ellenbogengelenk (Articulatio cubiti) treffen drei Knochen zusammen: Der Oberarmknochen (Humerus), die Elle (Ulna) und die Speiche (Radius). Sie bilden untereinander 3 verschiedene Gelenke, die zusammen ein sogenanntes Drehscharniergelenk (Trochoginglymus) ergeben.
Der Oberarmknochen hat eine abgerundete Gelenkfläche, die von der Elle mit zwei Knochenfortsätzen scharnierartig umfasst wird (Scharniergelenk). Diese Fortsätze sind hinten das als „Ellenbogenknochen“ tastbare obere Ende der Elle (Olecranon) und vorne der Kronenfortsatz (Proc. Coronoideus).
Den Kopf der Speiche (Caput radii) umgibt eine kugelige Gelenkfläche. Diese bildet seitlich ein Drehgelenk mit der Elle, welches durch ein um den Speichenkopf laufendes kreisrundes Band (Ligamentum anulare radii) stabilisiert ist. Nach oben bildet der Speichenkopf ein Kugelgelenk mit der Gelenkfläche des Oberarmknochens.
Die seitlichen Bewegungen dieses Kugelgelenks sind jedoch beidseits durch Seitenbänder zwischen Oberarmknochen und Speiche bzw. Elle eingeschränkt (Ligamentum collaterale radii bzw. ulnae).
Die Gelenkkapsel ist relativ weit und umfasst die gelenkbildenden Anteile. Muskeln und die Seitenbänder setzen dort an und stabilisieren das Gelenk zusätzlich.
Ein gesundes Gelenk ermöglicht eine Auswärtsdrehung (Pronation) und Einwärtsdrehung (Supination) des Unterarms und eine Beugung um ca. 140°. Eine weitere Streckung über die Ruhestellung hinaus, ist auf Grund der knöchernen Strukturen nicht möglich (außer bei Frauen und Kindern zum Teil 5-10°). Auch ein seitliches Abknicken des Unterarms ist bei intakten Bändern nicht möglich.
Die Ellenbogenluxation kann selten angeboren sein, ist jedoch in fast allen Fällen durch äußere Gewalteinwirkung bedingt.
Der häufigste Mechanismus ist das Fallen auf den gestreckten Arm, oft kommt es zu dieser Situation beim Sport. Es können auch direkte Einwirkungen auf den Arm ursächlich sein, wenn sie ein Überstrecken oder ein übermäßiges Abwinkeln im Ellenbogengelenk zur Folge haben.
Entsprechend des hohen Anteils von Stürzen auf den ausgestreckten Arm, besteht in ca. 80-90 % der Fälle eine dorsale (rückseitige) Luxation: Durch die Gewalteinwirkung von vorne wird das obere Ende der Elle (Olecranon) zu einem Angelpunkt und hebelt den Oberarmknochen aus seiner Gelenkgrube heraus. Als Folge befindet sich dieser vor dem eigentlichen Gelenk. Die Elle und Speiche befinden sich jedoch hinter dem Oberarmknochen, was entscheidend für die Klassifizierung als dorsale Luxation ist.
In weniger als 10% der Fälle tritt eine alleinige (isolierte) Luxation des Speichenkopfes aus seiner Position auf. In noch weniger Fällen befinden sich Elle und Speiche nach der Ausrenkung vor (ventral) oder neben dem Oberarmknochen oder befinden sich getrennt voneinander je an einer Seite (divergierend).
Die Ellenbogenluxation hat immer ein Zerreißen der Kapsel zur Folge. Außerdem kommt es in vielen Fällen zu Schäden am Bandapparat, beispielsweise zu Bänderrissen am Ellenbogen. In ca. 20% der Fälle kommen zur Ausrenkung knöcherne Begleitverletzungen dazu.
Das können der Bruch des Speichenkopfes, der Abriss des Kronenfortsatzes oder des oberen Endes der Elle (Olecranon) oder Abrisse am Oberarmknochen sein. Auch Verletzungen der Leitungsbahnen (Arterien, Venen, Nerven) kommen vor, da diese in unmittelbarer Nähe zum Ellenbogengelenk verlaufen.
Lesen Sie mehr zum Thema unter: Supinatorlogensyndrom
Allgemein sollte das Gelenk so schnell wie möglich, am besten innerhalb von 6 Stunden, wieder eingerenkt werden. Ansonsten drohen durch die räumliche Nähe Gefäß oder Nervenschädigungen.
Bei einer Luxation ohne knöcherne Begleitverletzungen ist das Ziel die Reposition, die Wiederherstellung der normalen Gelenkbedingungen. Dazu muss die Gelenkfläche des Oberarmknochens wieder in die Gelenkgrube der Elle einrasten. Dies wird meistens unter Vollnarkose durchgeführt, da bei einer regionalen Betäubung das Gefühl und das Bewegungsvermögen längere Zeit noch eingeschränkt sind, was Gefahren mit sich bringen kann.
Bei einer dorsalen Luxation wird bei fixiertem Oberarm ein Zug am ca. 30° gebeugten und auswärtsgedrehten Unterarm ausgeübt und dieser dabei bis 90° gebeugt. Bei ventraler Luxation wird bei gebeugtem Unterarm versucht, diesen wieder nach unten einzurasten. Nach erfolgter Reposition muss das Gelenk durch Röntgenaufnahmen überprüft werden.
Bei Verdacht auf Bandschädigungen sollte der Erfolg der Reposition und das Ausmaß der verbliebenen Instabilität des Gelenkes noch während der Narkose beurteilt werden. Bei einem wachen Patienten können am Gelenk ansetzende Muskeln Stabilität vortäuschen. Die Überprüfung wird durch gleichzeitige schnelle Abfolgen von Röntgenaufnahmen kontrolliert. Es ist vor allem zu prüfen, wie sich das Gelenk beim Beugen und Abknicken nach außen oder innen verhält. Kommt es dabei zu keiner erneuten Luxation, wird konservativ behandelt mit einer 1- bis 2-wöchigen Gipsruhigstellung in Funktionsstellung (ca. 90° Beugung). Besteht eine Instabilität gegenüber dem Abknicken nach außen oder innen, kann diese Zeit auf 3 Wochen erhöht werden. Es sollte jedoch so schnell wie möglich mit der Krankengymnastik begonnen werden, um Kapselschrumpfungen und Muskelverhärtungen zu verhindern.
Kommt es bei der Funktionsüberprüfung, speziell beim Beugen, zur erneuten Luxation (Reluxation), oder lässt sich das Gelenk erst gar nicht repositionieren, ist eine Operation angezeigt. Ebenso, wenn nach konservativer Behandlung (Ruhigstellung) weiterhin eine Instabilität bestehen bleibt. Auch bei Knochenschäden oder dem Vorliegen von Nerven und Gefäßschäden muss eine Operation durchgeführt werden. Hierbei werden das Gelenk repositioniert, die knöchernen Strukturen in ihrer ursprünglichen Anordnung fixiert und der Kapsel-Band-Apparat wiederhergestellt. Zur Fixierung des Gelenks und seiner Anteile kommt oft ein Fixateur-externe zum Einsatz. Dabei werden die knöchernen Teilstücke durch die Haut mit Schrauben fixiert. Außerdem gibt es einen sogenannten Bewegungsfixateur, der innerhalb eines festgelegten Ausmaßes Bewegungen erlaubt. Der Vorteil liegt darin, dass früher mit Bewegungstraining begonnen werden kann. So sollen Bewegungseinschränkungen als Spätfolge minimiert werden.
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Zu den Komplikationen gehören in ungefähr 10 % der Fälle Verletzungen der Gefäße. Besonders bei arteriellen Gefäßen ist dies auf Grund des dort herrschenden hohen Blutdrucks ein akuter Notfall. Auch Verletzungen der Nerven (N. ulnaris, N. medianus, N. radialis) mit Lähmungen der Muskulatur und Ausfällen des Berührungsempfindens an typischen Stellen kommen vor. In einer nicht unbeachtlichen Anzahl von Fällen kommt es nach einer Luxation zu Verkalkungen bzw. Verknöcherungen des Bindegewebes (heterotrope Ossifikation). Wenn diese die Bewegung einschränken, können sie operativ entfernt werden. Dabei ist daran zu denken, dass die Operation ihrerseits das gleiche Phänomen auslösen kann.
Zur Vorbeugung werden Schmerzmittel wie Indometacin oder Diclofenac (Voltaren©) gegeben.
Bei einer konservativ behandelten einfachen Luxation ohne Begleitschäden ist nach einer längeren Steifheit eine vollständige Genesung (Restutio ad integrum) zu erwarten. In ungefähr 2 von 100 Fällen kommt es hier zu einer Reluxation.
Je komplexer die Verletzung, umso länger dauert die Heilung und umso wahrscheinlicher sind Spätschäden. Dazu gehört meist eine Steifheit mit stärkerer Einschränkung der Streckung als der Beugung. Bei Schäden am Speichenkopf und seinem stabilisierenden Band (Lig. anulare radii) sind Einschränkungen der Drehung des Unterarms zu erwarten.
2% aller Patienten entwickeln nach einer Ellenbogenluxation eine chronische Instabilität mit wiederholten Luxationen. Ursache ist meistens die mangelnde Stabilität der gelenkführenden Strukturen nach Knochenbrüchen.
Weitere Informationen zum Thema Ellenbogenluxation finden Sie hier:
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