Leukämie bei Kindern

Einleitung

Die Leukämien, also Krebserkrankungen der weißen Blutkörperchen, zählen zu den häufigsten Krebserkrankungen der Kinder, wobei die Unterform ALL (Akute lymphatische Leukämie) mit Abstand die häufigste ist. Die Erkrankung macht sich meist durch Blutarmut, gesteigerte Blutungsneigung und einer erhöhten Infektionsneigung bemerkbar.
Die Diagnose wird meist durch eine Blutuntersuchung und eine Knochenmarkpunktion gestellt. Bei einer aggressiven und schnellen Therapie stehen die Heilungschancen sehr gut.

Definition

Leukämie, im Volksmund besser bekannt als „Blutkrebs“ ist die häufigste Krebserkrankung bei Kindern und Jugendlichen. So steht sie mit etwa 34% aller kindlichen Krebserkrankungen an erster Stelle. Doch was versteht man eigentlich unter einer Leukämie?

Ihren Ursprung findet die Erkrankung im Knochenmark, dem Ort der Blutbildung. Dort kommt es zu einer unkontrollierten Freisetzung von unreifen Vorläuferzellen in die Blutbahn. Diese Leukämiezellen, auch Blasten genannt, stören den komplizierten Vorgang der Blutzellreifung- und Bildung. Als Folge können die gesunden Blutzellen, wie z.B. rote Blutkörperchen (Erythrozyten) oder Blutplättchen (Thrombozyten), nicht mehr ausreichend hergestellt werden. Namensgebend sind die weißen Blutkörperchen (Leukozyten), aus deren Zelllinie die funktionslosen Leukämiezellen stammen.

Man unterscheidet grob zwei Gruppen von Leukämiearten: Die Akuten und die Chronischen Leukämien. Beide Gruppen werden weiter in a) myeloische oder b) lymphatische Leukämien unterteilt, sodass es am Ende 4 große Gruppen gibt:

Die akute lymphatische Leukämie, kurz ALL, ist die häufigste Leukämieform bei Kindern. So fallen nur 10-20 % aller kindlichen Leukämien auf andere Blutkrebsarten! Insgesamt macht die ALL sogar ein Drittel aller Krebserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen aus. Bei der ALL findet eine bösartige Veränderung in Vorläuferzellen der Lymphozyten, einer Untergruppe der weißen Blutkörperchen, statt.

Ursachen

Bis heute sind die Ursachen von Leukämie weitgehend unbekannt. Jedoch kennt man Faktoren, welche das Risiko für das Auftreten einer Leukämie bei Kinder erhöhen:

Erbliche Veranlagung

Leukämie ist keine vererbbare Erkrankung im klassischen Sinn. Allerdings gibt es einige erbliche Erkrankungen, die eine wichtige Rolle bei der Krankheitsentstehung spielen. So ist bekannt, dass Kinder mit einem Down-Syndrom (Trisomie 21) ein etwa 20-mal höheres Risiko haben, an Leukämie zu erkranken. Auch andere, seltenere erbliche Erkrankungen wie Neurofibromatose Typ 1 oder das Shwachman-Bodian-Diamond-Syndrom, steigern das Risiko.

Daneben lassen sich bei manchen Kindern genetische Veränderungen feststellen, die in einem Zusammenhang mit der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) stehen. Jedoch erkranken diese Kinder erst viel später und nicht zwangsläufig an ALL. Demnach scheinen äußere Faktoren ebenfalls eine wichtige Bedeutung zu haben.

Radioaktive Strahlung

Neuste Studien zeigen, dass Kinder die in der Nähe eines Atomkraftwerkes aufwachsen, ein messbar höheres Risiko haben, an einer Leukämie zu erkranken. Ähnliche Effekte radioaktiver Strahlung sind bereits sein den Atomkatastrophen, wie in Hiroshima oder Tschernobyl bekannt.
Ebenso schädlich für das noch ungeborene Kind sind Röntgenuntersuchungen der werdenden Mutter.

Symptome

Symptome einer akuten Leukämie entwickeln sich meist innerhalb weniger Wochen. Bei chronischen Leukämien entwickeln sich Symptome hingegen viel langsamer. Leukämiezellen können neben dem Knochenmark auch alle anderen Organe befallen. Somit sind die möglichen Symptome sehr breit gefächert.

Oft fallen die Kinder zu Beginn beider Leukämiearten eher durch unspezifische Beschwerden, wie Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit oder Lustlosigkeit auf. Kleine Kinder wollen oft nicht mehr spielen oder zu Fuß laufen.

Die weiteren Symptome entstehen dadurch, dass die gesunde Bildung von roten und weißen Blutkörperchen, sowie von Blutplättchen im Knochenmark durch die Entartung der Leukämiezellen verdrängt wird.

  • Häufig springt den Eltern eine auffallende Blässe ihres Kindes ins Auge. Dies lässt sich durch die verminderte Zahl roter Blutkörperchen (Erythrozyten) erklären (siehe: Blutarmut).
  • Da es gleichzeitig zu einem Absinken funktionsfähiger weißer Blutkörperchen (Leukozyten) kommt, lässt die Immunabwehr zunehmend nach. Kinder leiden dann häufig an hartnäckigen und fieberhaften Infekten.
  • Zahlreiche blaue Flecken, Zahnfleischbluten oder häufiges Nasenbluten können ein Anzeichen auf eine verminderte Zahl an Blutplättchen (Thrombozyten) darstellen (siehe: Thrombozytopenie).
  • Wenn die Leukämiezellen in Knochen, Lymphknoten oder andere Organe (Milz, Leber) einwandern, leiden die Kinder unter verschieden stark ausgeprägten Schmerzen. So berichten viele Eltern über Bauchschmerzen ihres Kindes, aber auch über Knochenschmerzen der Arme oder Beine.

Oft kommt es zu Lymphknotenschwellungen z.B. im Hals-, oder Leistenbereich. Seltener sind der Befall des Nervensystems oder des Auges, die sich in starken Kopfschmerzen oder Sehstörungen äußern können.

Bei einer speziellen Leukämieform, der T-ALL, kommt es zu einer Infiltration des Thymus. Der Thymus ist ein kleines Organ im Brustkorb, welches eine wichtige Funktion bei der Reifung des kindlichen Immunsystems einnimmt. Es entwickelt sich im Laufe des jungen Erwachsenenalters von alleine zurück. Befallen die Leukämiezellen einer T-ALL das Organ, leiden die Kinder unter Atemnot.

Bei den chronischen Leukämien, die im Kindesalter seltener sind als im Erwachsenenalter, entstehen Symptome durch zu viele Zellen (normale Blutzellen und Leuämiezellen) im Blut. Es kann zu schmerzhaften Gefäßverschlüssen kommen.

Dennoch gilt: Symptome einer Leukämie sind bei jedem Kind individuell verschieden ausgeprägt. Selbst das Vorhandensein eines oder mehrere Symptome ist absolut nicht beweisend für das Vorliegen der Erkrankung! Oft verbergen sich vergleichsweise harmlose, häufigere Krankheiten hinter den Beschwerden. Suchen Sie dennoch möglichst rasch einen Arzt bzw. Ärztin auf. Nur so kann die Ursache für die Symptome gefunden werden.

Mehr Informationen dazu finden Sie hier: Wie erkennt man Leukämie?

Diagnose

Der erste Schritt in der Diagnose von Leukämie bei Kindern ist eine ausführliche Erhebung der bisherigen Beschwerden und des Krankheitsverlaufes (Anamnese). Ergibt sich der Verdacht auf eine Leukämie, erfolgt eine ausführliche Untersuchung des Blutes. Hier spielt unter anderem das Blutbild, also ein Überblick über die einzelnen Blutzellen (Leukozyten, Erythrozyten, Thrombozyten) eine wichtige Rolle. Wenn sich nun die Hinweise auf eine Leukämie bei dem Kind verdichten, erfolgt eine direkte Überweisung in eine Kinderklinik mit einer entsprechenden Abteilung (Pädiatrische Onkologie und Hämatologie).

Knochenmarkpunktion

Da das Knochenmark immer der Entstehungsort einer Leukämieerkrankung ist, erfolgt im nächsten diagnostischen Schritt eine Knochenmarkpunktion. In einem kurzen Eingriff, können hierzu kleinste Gewebeproben aus dem Beckenkamm oder Brustbein entnommen. Bei Neugeborenen oder Säuglingen erfolgt die Probeentnahme unter Umständen aus dem Schienbein. Da die Knochenmarkpunktion für viele Kinder stressbelastend und schmerzhaft sein kann, erfolgt sie entweder in Vollnarkose oder örtlicher Betäubung. Im Anschluss wird das so gewonnene Knochenmark feingeweblich untersucht und für weitere, komplexe Untersuchungen aufbereitet. Meistens erfolgt die erste Beurteilung durch das Mikroskop sehr schnell, so dass die Diagnose Leukämie in der Regel kurz nach der Knochenmarkspunktion gestellt werden kann.

Neben dem Knochenmark können auch andere Organe von den Leukämiezellen befallen sein. Ultraschalluntersuchungen, MRT-Aufnahmen oder eine Nervenwasserentnahme (Lumbalpunktion) können einen umfassenden Überblick über den Fortschritt der Krankheit schaffen.

Blutwerte

Leukämie kann die Blutwerte bei Kindern in viele Richtungen verändern. Im Fokus stehen jedoch oft die weißen Blutkörperchen, auch Leukozyten genannt. So stammt bereits das Wort „Leukämie“ aus dem altgriechischen und bedeutet übersetzt „weißes Blut“. Die Leukozytenzahl muss jedoch nicht immer erhöht sein. Liegt eine Leukämie vor, können die Leukozyten erniedrigt, normal oder erhöht sein. Deutlich aussagekräftiger ist das Vorhandensein unreifer Vorläuferzellen (die normalerweise nur im Knochenmark vorkommen) im Blut. Dies bedeutet, dass die sogenannten Blasten im Blut nachgewiesen werden.

Bei vielen Kindern sinkt der Wert des roten Blutfarbstoffes (Hämoglobin) unter den Normwert ab - es kommt zu einer Blutarmut. Weiterhin lässt sich ein Abfall der Blutplättchen relativ häufig beobachten. Man spricht dann von einer Thrombozytopenie.

Blutwerte spielen jedoch nicht nur bei der Diagnose, sondern auch bei der Leukämietherapie eine wichtige Rolle. Denn während der aggressiven Chemotherapie kommt es nicht nur zu einer beabsichtigten Zerstörung der Leukämiezellen, sondern auch zu einer unvermeidbaren, starken Beeinträchtigung der restlichen blutbildenden Zellen. So müssen bei allen Kindern unter Therapie die Blutwerte in sehr engen Zeitintervallen kontrolliert werden!

Behandlung

Leukämie ist eine sehr aggressive Erkrankung. Daher muss die Behandlung schnellstmöglich begonnen werden. Bereits der begründete Verdacht genügt, um die Therapie bei betroffenen Kindern einzuleiten.

Grundsätzlich sollte die Therapie nur in einem spezialisierten Behandlungszentrum für krebskranke Kinder und Jugendliche (Pädiatrische Hämatologie und Onkologie) erfolgen, diese befinden sich meist an Universitätskliniken und großen Krankenhäusern.

Wichtigste Säule der Therapie stellt die Chemotherapie dar. Ziel ist es, die Leukämiezellen möglichst vollständig zu zerstören. Nur so kann das Knochenmark seine normale, blutbildende Funktion wieder aufnehmen. Um den bestmöglichen Effekt zu erzielen, werden mehrere, verschiedene Chemotherapeutika, auch Zytostatika genannt, in Kombination angewendet. Dann spricht man von einer „Polychemotherapie“.

Mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie hier: Durchführung Chemotherapie

Wenn das zentrale Nervensystem (also das Gehirn und das Rückenmark) von Leukämiezellen befallen ist, kann unter Umständen eine Bestrahlung des Schädels erfolgen. Da jedoch viele Spätkomplikationen auftreten können, muss die Entscheidung sorgfältig abgewogen werden. Grundsätzlich darf jedoch kein Kind im 1. Lebensjahr schädelbestrahlt werden.

In bestimmten Fällen ist eine Stammzelltransplantation nötig. Erster Schritt ist eine hochdosierte Chemotherapie, die alle Zellen im Knochenmark zerstören soll, mit anschließender Transplantation von Knochenmark in einem Spezialzentrum.

Mehr Informationen zu disem Thema finden Sie hier: Knochenmarkspende

In Deutschland, werden nahezu alle Kinder und Jugendlichen mit einer Leukämieerkrankung in sogenannten „Therapieoptimierungsstudien“ behandelt. Ziel ist eine bestmögliche Behandlung erkrankter Kinder zu gewährleisten. Innerhalb der kontrolliert klinischen Studien herrscht ein großer Informationsaustausch. So kann eine Behandlung auf dem aktuellsten Stand der Wissenschaft ermöglicht werden.

Dauer der Behandlung

Sofern keine Bestrahlung oder Knochenmarkstransplantation nötig ist, dauert die Therapie einer Leukämie bei Kindern etwa 2 Jahre. Sie gliedert sich in verschiedene Phasen, die in etwa ein halbes Jahr dauern und im Prinzip mit ständigem Krankenhausaufenthalt verbunden sind.

In der letzten Behandlungsphase, der Erhaltungs- oder Dauertherapie, erhalten die Kinder etwa 1,5 Jahre eine relativ gemäßigte Chemotherapie, d.h. relativ geringe Dosen. Da die Zytostatika meist in Tablettenform verabreicht werden, kann ein Großteil ders letzten Teils der Behandlung zu Hause erfolgen.

Bei eine zusätzlichen Knochenmarktransplantation hängt die Dauer von der passenden Spendersuche ab. Ist ein passender Stammzellspender gefunden, dauert die Therapie ca. 2-2,5 Jahre.

Nebenwirkung Haarausfall

Im Rahmen der Behandlung von Leukämie leiden Kinder unter Haarausfall. Wie nahezu alle Chemotherapeutika wirken auch die Medikamente der Leukämietherapie sehr aggressiv im menschlichen Körper. Leider wirken sie nicht ausschließlich gegen Leukämiezellen. Insbesondere schnell teilende Zellen, wie Schleimhautzellen oder Haarwurzelzellen sind ebenfalls betroffen. Als Folge verlieren die Kinder innerhalb kurzer Zeit alle Haare, inklusive Wimpern und Augenbrauen.

Obwohl vollkommen schmerzlos, stellt dieser Haarausfall für viele Kinder und deren Familie eine schlimme Nebenwirkung dar. Glücklicherweise wachsen die Haare nach der Beendigung der Chemotherapie rasch nach. Für die Zeit während der Therapie, gibt es zudem die Möglichkeit spezieller Perücken.

Mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie hier: Chemotherapie Nebenwirkungen

Weitere Nebenwirkungen

Da die Therapie der Leukämie sehr aggressiv sein muss, gibt es leider viele Nebenwirkungen. Eines der Hauptprobleme ist ein maximal „heruntergefahrenes“ Immunsystem. So sind betroffene Kinder sehr anfällig für z.B. Lungenentzündungen oder sogar Blutvergiftungen.

Um die Nebenwirkungen (Übelkeit, Erbrechen, Mundschleimhautentzündungen, Blutungen, Anämie, Infektionen...) besser behandeln zu können, besitzt die sogenannte „supportive“ Therapie einen hohen Stellenwert. Darunter versteht man alle unterstützenden Maßnahmen, wie Medikamente gegen Übelkeit und Erbrechen, Antibiotika gegen Infektionen usw.
Betroffene Kinder sollen während Behandlung möglichst wenig Kontakt zu potenziellen Keimen haben, deswegen werden Sie meist im Verlauf der Chemotherapie isoliert.

Des Weiteren können sowohl durch die Chemo- als auch die Bestrahlungstherapie im Verlauf des Lebens weitere Tumore entstehen.

Heilungschancen

Innerhalb der letzten Jahrzehnte gab es erfreulicherweise zahlreiche Fortschritte und Verbesserungen in der Behandlung von Leukämie bei Kindern. Aktuell, sind etwa 80-90% der erkrankten Kinder 5 Jahre nach der Diagnosestellung frei von Leukämie. In diesem Zusammenhang spricht man auch von der 5-Jahres-Überlebensrate. Bei einer adäquaten Behandlung ist die Leukämie bei Kindern also definitiv heilbar! Ohne passende Therapie verläuft die akute Leukämie jedoch immer tödlich.

Dennoch lässt sich aus dieser Zahl nicht ablesen, ob ein einzelnes Kind die Erkrankung tatsächlich unbeschadet überlebt. So bestimmen individuelle Einflüsse wie Kindesalter, Ausbreitung oder Form der Leukämie die Heilbarkeit. In diesem Zusammenhang, spricht man von „prognostischen Faktoren“.

  • Als positive Faktoren sind eher niedrige Werte der weißen Blutkörperchen, kein Befall des zentralen Nervensystems oder ein Erkrankungsalter zwischen 2-10 Jahren zu nennen.
  • Ungünstige Prognosefaktoren wären z.B. ein Befall des zentralen Nervensystems oder eine T-ALL. Genannte Faktoren beruhen jedoch auf Statistiken und Erfahrungen.

So ist es selbstverständlich möglich, dass auch Kinder mit negativen prognostischen Faktoren geheilt werden und umgekehrt.

Etwa jedes 7. Kind erleidet einen Krankheitsrückfall. Man spricht dann von einem Rezidiv. Sie treten meist innerhalb von 2-3 Jahren nach Erstdiagnose auf und haben eher schlechtere Heilungsaussichten.

Weitere Informationen

Weitere Informationen zur Leukämie finden Sie unter:

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 21.11.2016 - Letzte Änderung: 19.07.2023