Prüfungsangst

Einleitung

Eine nicht zu bewältigende Angst, die durch Prüfungsituationen oder Umstände, die als Prüfung wahrgenommen werden, ausgelöst wird, nennt man Prüfungsangst.

Sie kann durch vorhergehende schlechte Erfahrungen (wenn man z.B. schon einmal durch eine Prüfung gefallen ist), Befürchtungen durch Erzählungen anderer Personen (wenn man z.B. hört, dass es unmöglich sei bei diesem Prüfer zu bestehen) oder durch ein geringes Selbstwertgefühl (das Gefühl nichts schaffen zu können) ausgelöst werden.

Symptome

Eine Prüfungsangst kann sich in vielfältiger Weise bemerkbar machen. Grundsätzlich kommt es zu einer seelischen Anspannung und körperlichem Unwohlsein.

Das seelische Befinden ist geprägt durch die Empfindung von Angst und Unsicherheit. Auftreten können:

Körperliche Beschwerden können sein:

Die Aufmerksamkeit- und Konzentrationsfähigkeit ist vermindert und es kommt zu Denkblockaden, Selbstzweifel und die Merkfähigkeit geht zurück.

In der Prüfungssituation oder kurz vorher wird die innere Anspannung derart groß, dass es zu einer Panikattacke kommen kann.
Die Symptome sind die einer typischen Angstreaktion:

  • Herzrasen,
  • Kloßgefühl im Hals,
  • Schweißausbrüchen,
  • Erröten,
  • Zittrigkeit der Hände.

Dieser Zustand wird allgemein auch als “Black Out”, bzw. Zustand der kompletten Abschaltung des Gehirns, bezeichnet.

Es ist jedoch erwähnenswert, dass nicht alle Menschen eine Prüfungsangst gleich erleben. Kein Mensch erlebt die genau gleichen Symptome und auch der zeitliche Verlauf kann unterschiedlich sein.

Bei manchen steigt die Spannung bis zur eigentlichen Prüfung kontinuierlich an, andere hingegen können zeitweise sogar entspannt sein.

Manchmal treten die panikartigen Episoden auch erst nach Beendigung der Prüfung auf, wenn man diese eigentlich schon bestanden hat. Beängstigend und belastend sind sie trotzdem.

Ursache

Angstreaktionen sind ein Teil unseres angeborenen Verhaltens, dass uns einen Überlebensvorteil verschaffen kann.
Z.B. haben wir Angst vor Raubtieren, da diese eine Gefahr für unser Leben sein können. Eine gewisse Angst ist daher gesund.

Nur wenn uns diese Angst lähmt und uns in unserem Leben und Wirken beeinträchtigt, wird sie zu einer Krankheit.

Auch Prüfungsangst kann durchaus gesund sein, da sie uns dazu motiviert zu lernen und uns gut auf eine Prüfung vorzubereiten.

Wenn man allerdings beginnt, die Bewertung der Prüfungssituation in negativer Weise zu übertreiben, also sie dahingehend bewertet, dass von ihr “Leben und Tod” abhängt, kann diese Angst zu einer Krankheit werden.

Ein wichtiger Aspekt beim Entstehen einer Prüfungsangst ist die sogenannte Selbstattribution. Das bedeutet, dass man sich selbst bestimmte Merkmale und Eigenschaften zuschreibt, die aber nicht unbedingt der Wirklichkeit entsprechen müssen.
So kann man fest davon überzeugt sein, dass die Prüfung deshalb zu einem Desaster wurde, weil man selbst sich nicht gut genug vorbereitet hatte oder auf eine andere Art die Schuld trägt.

Andere Faktoren, wie z.B. die Laune des Prüfers, die Länge der Prüfung, der Anforderungsgrad etc. werden dabei nicht berücksichtigt.

Das Gefühl allein für die belastende Situation verantwortlich zu sein, führt zu Unsicherheiten, aus denen die Angst in Prüfungen generell zu versagen hervorgehen kann.

Diese negativen Gedanken und ängstlichen Einstellungen sind entscheidend für die Entstehung einer Prüfungsangst. Sie können nicht nur zu einer seelischen Belastung werden, sondern beanspruchen auch einen Großteil unserer Aufmerksamkeit und Zeit, die einem dann nicht für die Prüfungsvorbereitung zur Verfügung stehen.

Wenn man eine Prüfungssituation generell in negativem Sinne bewertet, demzufolge Angst hat (ohne dass diese Angst rational zu begründen ist), reagiert der Körper ebenfalls negativ auf die Anspannung und es kommt zu den oben genannten Symptomen.

Sehr schnell kann diese Angst in einen Teufelskreis führen: man fürchtet sich eine Prüfung nicht zu bestehen, kann sich aufgrund der mit der Angst verbundenen Konzentrations- und Motivationsschwierigkeiten nicht gut vorbereiten und erlebt im Folgenden die Prüfungssituation als belastend und das Ergebnis als nicht zufriedenstellend.

Dies wiederum schreibt man sich selbst zu und entwickelt darüber hinaus eine Furcht vor der, die Prüfung und Prüfungsvorbereitung negativ beeinflussenden, Angst.

Nicht zu unterschätzen bei der Entstehung einer Prüfungsangst ist zudem die elterliche Erziehung und Zuwendung in der Kindheit.
Kinder von Eltern, die wenig auf die emotionalen Bedürfnisse ihrer Kinder eingehen, denen im Gegenteil die Vermittlung von Regeln und gesellschaftlichen Normen wichtiger ist, entwickeln eher eine Prüfungsangst.

Dabei ist es oft so, dass die Eltern die Bedürfnisse der Kinder unter- und gleichzeitig ihre Fähigkeiten überschätzen.
Die Kinder lernen, dass braves Verhalten belohnt wird und fürchten die Ablehnung durch die Eltern, wenn sie einen Fehler machen.
Dies überträgt sich leicht auf andere Situationen, in denen eine Bewertung (durch das Umfeld, den Arbeitgeber, etc.) stattfindet und insbesondere Prüfungssituationen.

Auch wenn sie nicht für das Misslingen der Prüfung verantwortlich sind, schreiben sie sich dieses zu und es kommt zu dem oben beschriebenen Kreislauf.

Kinder, die sich auf die Unterstützung ihrer Eltern unabhängig von der Situation verlassen und die sich in ihrer Kindheit ausprobieren dürfen, sind selbstsicherer und weniger anfällig für die Entwicklung einer Prüfungssangst.

Insbesondere zwischen 20 bis 30 Jahren, der Übergangszeit zwischen Kindheit/Pubertät und Erwachsenenwerden, sind viele anfällig für die Entwicklung einer Prüfungsangst, da sie durch Studium oder Ausbildung enormen Stress ausgesetzt sein können.

Die Anforderungen, die dabei an die als erwachsen und selbstverantwortlich wahrgenommene Person gestellt werden, stößt sich an dem inneren Reifungsprozess und dem Gefühl, die Rolle als erwachsener Mensch noch nicht ausfüllen zu können.

Therapie

Prüfungsangst ist keine auf die leichte Schulter zu nehmende Erkrankung, der mit psychologischen Strategien aber gut geholfen werden kann.

Bei der Therapie sollte daran gearbeitet werden, Situationen möglichst objektiv zu bewerten und nicht in zerstörerische Gedankenmuster abzugleiten, die die Stimmung und das Selbstbewusstsein und damit auch das körperliche Wohlbefinden durch ihre negative Ausrichtung zerstören.

Wichtig dabei ist es, den bei der Prüfungangst vorherrschenden negativen Gedanken mit positiven Gedanken zu begegnen. Gedanken und Phantasien sind wichtig und hilfreich und können dabei helfen, die Prüfungsangst zu überwinden.

Einfache Strategien, die einen Zusammenhang zwischen Denken und Fühlen herstellen sollen, sind unter anderem das so genannte “ABC der Gefühle”.
In einem ersten Schritt geht es darum, die stark belastende Situation möglichst unbeeinflusst von Gefühlen zu beschreiben.

Der nächste Schritt dreht sich um die eigenen Gedanken, Erwartungen und Einstellungen.

In einem letzten Schritt sollten Gefühle und Verhaltensmuster genau untersucht werden.

Diese ausführliche Aufarbeitung der Situation kann helfen, Verhaltensmuster und Denkweisen offen zu legen, die sich negativ auf das Selbstwertgefühl auswirken und gezielt an diesen zu arbeiten.

Weitere Ansätze sind Verhaltenstherapie, psychodynamische Therapie oder Hypnose.

Die Verhaltenstherapie geht davon aus, dass jede Verhaltensweise und jedes Erleben antrainiert und daher auch wieder verlernbar ist.
In den Sitzungen werden die schädigenden Verhaltensweisen in einem für das Lernen günstigen Umfeld angegangen und gezielt durch andere Verhaltensweisen ersetzt.
Dabei wird die Belastung zunehmend gesteigert, so lange bis schlussendlich die beängstigende Situation, in diesem Fall die Prüfung, ausgehalten werden kann.

Die psychodynamische Therapie geht auf die psychoanalytische Theorie von Freud zurück. Dabei wird davon ausgegangen, dass es in einer Person mehrere miteinander in Konflikt stehende Wünsche und Motivationen gibt.
Die inneren Konflikte, die dabei entstehen, suchen sich ein Ventil nach außen.

Die sich dabei äußernden Verhaltensweisen werden oft als schädlich und ungewollt wahrgenommen. Das zugrunde liegende Problem, der innere Konflikt, wird aber außer Acht gelassen.

Der psychoanalytische Ansatz versucht nun, diese basalen Probleme zu bearbeiten und aufzulösen. In dem Sinne ist er also gründlicher als die anderen Therapieformen, da er nicht nur das schädliche Verhalten sondern dessen Ursache bearbeitet, dauert allerdings auch länger.
Kurz vor einer Prüfung sollte daher diese Therapieform eher nicht gewählt werden.

Hypnose ist ein bewusst eingeleiteter, tiefer Entspannungszustand.
Wird dieser therapeutisch genutzt, spricht man von Hypnotherapie.

In der Hypnose werden Prüfungssituationen durchlebt, die aber positiv verlaufen. Dieses Gedankenschauspiel kann vom Gehirn als positives Erlebnis verwertet werden und stärkt das Selbstbewusstsein.
So können positive Gedanken antrainiert werden. Darüber hinaus können in einer Hypnose unbewusste Motivationen und Konflikte geklärt und im weiteren Verlauf bearbeitet werden.

Diagnose

Da bei der Prüfungsangst viele verschiedene Faktoren sich gegenseitig beeinflussen und Einfluss auf den Krankheitsverlauf nehmen, ist eine eindeutige Diagnose nicht einfach zu treffen.

Gerade im Kindes- und Jugendalter kann eine versteckte oder nicht erkannte Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörung mit einer Prüfungsangst verwechselt werden.

Wichtig für die Diagnosestellung ist ein ausführliches Gespräch mit den Betroffenen und die Auswertung anhand zur Verfügung gestellter wissenschaftlich fundierter Fragebögen und Kriterien.

Prognose

Das Entscheidende für die Prognose einer Prüfungsangst ist die Kraft der Gedanken auf unseren Körper.

Um sich dies vor Augen zu führen, kann man folgendes Eigenexperiment durchführen:
Man schließt die Augen und denkt an sein Lieblingsessen. Man versucht, sich genau an sein Lieblingsessen zu erinnern und es sich möglichst detailgetreu vor Augen zu führen.
Am Ende sollte man festgestellt haben, dass der Speichel im Mund zusammengeflossen ist und einem der Magen möglicherweise sogar knurrt. Und das nur, weil man sich etwas vorgestellt hat.

Genauso wirken negative Gedanken, die eine Prüfungsangst auslösen, auf den Körper.

Im selben Maße können auch positive Gedanken helfen die Angst zu überwinden. Daher ist die Prognose einer Prüfungsangst generell günstig.

Dennoch spielt es auch eine Rolle, inwieweit andere psychologisch auffällige Faktoren mit der Prüfungsangst verbunden sind und wie schwer der Grad der Prüfungsangst ist.

Da eine Prüfungsangst auch Depressionen auslösen kann, sollte man sie keinesfalls unterschätzen. Je früher man sich Hilfe holt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, die Angst zu überwinden.

 

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Prophylaxe

Gute vorbeugende Maßnahme sind Kurse zu:

  • Zeitmanagement,
  • effizientem Arbeiten,
  • Rhetorik,
  • Selbstbewusstseinstraining.

Dort kann man sich die geeigneten Fertigkeiten aneignen, um sich bestmöglich auf eine Prüfung vorzubereiten und in der Prüfung selbst eine gute Figur abzugeben.
Dies kann die Wahrscheinlichkeit der Ausbildung einer Prüfungsangst deutlich verringern.

Hat man einmal schlechte Erfahrungen in einer Prüfungssituation gemacht, ist es wichtig diese aufzuarbeiten. Wichtig dabei ist, dies möglichst mit einer vertrauten Person zu tun oder sich professionelle Hilfe zu suchen.

Es sollte versucht werden, den Teufelskreis von Angstreaktion, Versagen und Selbstzuschreibung möglichst früh zu stoppen.

Wenn in der Prüfungsvorbereitung auffällt, dass man Mühe hat, die Themen aufgrund der Angst zu bearbeiten und zu lernen, ist ein kritischer Punkt überschritten und man sollte sich Hilfe suchen.

Prüfungskrankheit ist keineswegs etwas für das man sich schämen sollte, stattdessen solle man auf seine Bedürfnisse eingehen und sich frühestmöglich beraten und helfen lassen.

Weitere Informationen zu diesem Thema

Weitere allgemeine Informationen zu diesem Thema:

Eine Übersicht immer unter: Psychologie A-Z.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 09.02.2015 - Letzte Änderung: 22.10.2021