Schilddrüsenvergrößerung

Überblick

Die Schilddrüse ist ein 20-60 Gramm leichtes Organ, welches sich am Hals, unterhalb des Kehlkopfes um die Speiseröhre herum legt. Seine Aufgabe ist die Produktion der überlebensnotwendigen Schilddrüsenhormone Thyroxin und Trijodthyronin. Diese beiden Hormone werden benötigt, um die Stoffwechsellage im Körper zu regulieren. Die Schilddrüse reagiert sehr empfindlich auf äußere Einflüsse, und kann sich in der Folge in ihrer Struktur verändern. So kann bei einer Schilddrüsenvergrößerung die Schilddrüse bis zu einem Volumen von 2 Litern anwachsen.

Patienten entwickeln dann einen riesigen Haut- und Gewebekropf. Die ursprüngliche Bezeichnung für eine Schilddrüsenvergrößerung lautete Kropf, heutzutage wird meistens der Begriff Struma verwendet. Eine Vergrößerung der Schilddrüse muss nicht zwangsläufig mit einer veränderten Stoffwechsellage einher gehen. Viel mehr werden die Schilddrüsenhormone auf einem „normalen“ Level weiterproduziert, so dass man von einer euthyreoten Stoffwechsellage spricht. Kommt zur Schilddrüsenvergrößerung noch eine Überfunktion hinzu, so spricht man von einer Hyperthyreose, bei einer Unterfunktion von einer Hypothyreose. Eine Struma wird gemäß ihrem äußerlichen Erscheinungsbild in verschiedene Stadien eingeteilt. Gemäß AWMF-Leitlinien unterteilt man in: Stadium 0: keine Struma, gefolgt von Stadium 1a, einer tastbaren, aber mit dem Auge nicht erkennbaren Struma. Dem schließt sich Stadium 1b an, eine Struma, die bei maximalem zurückwerfen des Kopfes sichtbar wird. Stadium 2 bezeichnet eine Struma, die bei normaler Kopfhaltung sichtbar ist, und Stadium 3, als letztes Stadium, eine Struma, die sehr stark vergrößert ist, und quasi auch auf mehrere Meter Entfernung sichtbar ist.

Lesen Sie weiter unter: Schwellung der Schilddrüse

Diese Klassifikation wurde eingeführt, um eine standardisierte Definition einer Schilddrüsenvergrößerung durchzusetzen. Da hierbei allerdings nur das äußere Erscheinungsbild der Struma beschrieben wird, lässt sich anhand der Klassifikation keine Aussage über die tatsächliche Funktion, und Stoffwechsellage der Schilddrüse treffen. Daher wird die Schilddrüse noch weiter beschrieben, zum Beispiel auf Grund ihrer Lage, ihrer Funktion, und ihrer Morphologie. Die Lage kann eutop, oder dystop sein. Eutop beschreibt – aus dem griechischen von „eu“ = gut, und „topos“ , die Lage – eine richtige, also physiologische Lage vor der Speiseröhre, unter dem Kehlkopf, und nicht etwa im Brustkorb, oder an einer anderen unphysiologischen Stelle. Diese Lage würde dann mit dystop (von griechisch „dys-„ = schlecht) beschrieben werden. Ferner kann die Funktion der Schilddrüse euthyreot, also normal, hypothyreot, also zu schwach, und hyperthyreot, also zu stark sein.

Für den Patienten mitunter am wichtigsten ist jedoch die Beschreibung der Morphologie. Hier unterteilt man in Struma diffusa, Struma nodosa. Ersteres bezeichnet eine diffuse, gleichmäßige Vergrößerung der Schilddrüse, mit homogenem Wachstum. Struma nodosa bezeichnet eine knotige Vergrößerung der Schilddrüse, bei der bereits Knoten vorhanden sind. Je nach Anzahl der Knoten beschreibt man weiter eine Struma uninodosa, und eine Struma multinodosa.

Symptome

Eine Schilddrüsenvergrößerung kann zunächst einmal komplett ohne körperliche Symptome auftreten, oder aber auch die Stoffwechsellage beeinflussen. Die Größe der Schilddrüse lässt also nicht unmittelbar Rückschlüsse auf ihre Funktion ziehen. Daher kann bei einer Schilddrüsenüberfunktion sowohl eine Hyperthyreose (also eine Überproduktion der Schilddrüsenhormone), als auch eine Hypothyreose (eine Unterproduktion) vorliegen. Natürlich kann auch eine völlig normale, physiologische Produktion vorliegen. Zeichen einer Hyperthyreose sind Nervosität, Rastlosigkeit, starkes Schwitzen, Gewichtsverlust bei ständigem Heißhunger, Haarausfall, schneller Puls, Bluthochdruck, Durchfall, um nur einige zu nennen. Eine Hypothyreose kennzeichnet sich durch depressive Stimmungslage, Antriebslosigkeit, Gewichtszunahme, trockene Haut, Haarverlust, eventuell raue Stimme, und Verstopfungen.

Meist liegen nicht alle Symptome gleichzeitig vor, sondern nur einzelne. Auch gehen Hypothyreosen oft in Hyperthyreosen über, und andersrum. Das liegt an der gestörten Regulierung der Schilddrüsenhormone, die dann mal zu stark, mal zu gering ausgeschüttet werden. Sollte eine euthyreote Stoffwechsellage vorliegen, also weder eine Über- noch eine Unterfunktion der Schilddrüse, so macht sich die Schilddrüsenvergrößerung immer noch körperlich bemerkbar: Das überschüssige Gewebe drückt auf Speise- und gegebenenfalls Luftröhre. Patienten berichten über Symptome, wie ein Fremdgefühl beim Schlucken, als hätten sie „einen Kloß“ im Hals. Am Hals ist eine Gewebevergrößerung zu tasten, je nach Stadium unterschiedlich stark. Bei fortgeschrittenen Stadien kommt es auch zur Luftnot, vor allem bei Belastung. Auch das Tragen enger Kleidung, so wie Krawatten wird als unangenehm empfunden, da der Hals zusätzlich eingeschnürt wird. Ein Stridor, also ein pfeifendes Atemgeräusch beim Ein- oder Ausatmen kann als zusätzliches Symptom hinzukommen.

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Ursachen

Die häufigste Ursache für eine Schilddrüsenvergrößerung ist Jodmangel. Da die Schilddrüse zur Produktion ihrer Hormone Jod benötigt, reagiert sie sehr sensibel, auf eine ausbleibende Zufuhr dieses Elementes. Bei dauerhaftem Jodmangel führt der Körper eine sehr simple Rechnung durch: Wenn 100 Zellen auf Grund fehlender Jodversorgung nur noch zur Hälfte arbeiten können, benötigt man eben 200 Zellen, um dieselbe Menge an Schilddrüsenhormonen produzieren zu können. Es handelt sich natürlich um ein vereinfachtes Beispiel, in Wirklichkeit gibt es viel mehr Drüsenzellen, und die Schilddrüse funktioniert auch nicht mehr nur genau „zur Hälfte“. Allerdings zeigt dieses Beispiel wieso die Schilddrüse bei Jodmangel plötzlich wächst.

Jodmangel war vor allem in früheren Zeiten ein großes Problem in „Jodmangelgebieten“. So wurden und werden Gebiete bezeichnet, in denen die Bevölkerung auf natürlichem Wege nicht genügend Jod mit der Nahrung aufnehmen kann. Österreich beispielsweise hat daraufhin eine gesetzliche Jodierung von Nahrungsmitteln eingeführt, so dass das Jod zwangsläufig mit der Nahrung aufgenommen wird, und auch Jodmangelgebiete versorgt werden. Auch in Deutschland kann man jodiertes Speisesalz kaufen. Seit der Einführung dieser Maßnahmen, ist die Zahl der Struma-OPs stark zurück gegangen.

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Neben dem Jodmangel, der 90% der Strumen ausmacht, gibt es noch eine Reihe anderer Ursachen, die für eine Schilddrüsenvergrößerung verantwortlich sein können: Tumoren der Hirnanhangdrüse können dazu führen, dass ständig zu viel des Thyreoidea Stimulierendes Hormons (TSH) ausgeschüttet wird. Das TSH stimuliert die Schilddrüse zur Produktion von Schilddrüsenhormonen. Wird von der Schilddrüse auf lange Zeit eine hohe Produktionsrate gefordert, so muss sie sozusagen ihre Kapazitäten erweitern, und sich vergrößern. Eben das geschieht, wenn zu viel TSH auf die Schilddrüse einwirkt. Ferner kann es jedoch auch zu Entzündungen der Schilddrüse kommen, man spricht dann von einer „Thyreoiditis“. Entzündungen gehen immer mit Schwellungen einher, so dass auch in diesem Fall eine Struma entsteht.

Auch Zysten und gut- wie auch bösartige Tumore können das Schilddrüsengewebe anschwellen lassen. Aber nicht nur körpereigene Prozesse können zu einer Schilddrüsenvergrößerung führen, auch von außen zugeführte Medikamente, die „strumigen“ sind – also Struma-erzeugend – können eine Rolle spielen. Dazu gehören unter anderem Lithium, Thyreostatika, Nitrate, und Thiocyanat. Die Liste der möglichen Ursachen ist lang, wobei der Jodmangel mit 90% die überwiegende Mehrheit darstellt.

Therapie

Eine Schilddrüsenvergrößerung sollte auf jeden Fall ärztlich abgeklärt werden. Eine bloße Vergrößerung verursacht anfangs zwar noch keine Beschwerden. Erreicht die Schilddrüse aber Bereiche um die 2 Liter Volumen (Normwert 20-60 Milliliter), sind alleine durch das Gewicht Haltungsschäden und Beeinträchtigungen der Kopfbewegung und der Nackenmuskulatur zu erwarten. Dies kann zu dauerhaften Haltungsschäden führen, alleine auf Grund des hohen, unphysiologischen Gewichts. Ferner beinträchtigen extreme Schilddrüsenvergrößerungen natürlich die Atem- und Speisewege, so dass es zu Atemproblemen, und Schluckbeschwerden kommt. Dies stellt noch den günstigsten Verlauf dar, für den Fall, dass die Vergrößerung tatsächlich nur durch Jodmangel verursacht wurde, und nicht etwa durch eine Tumormetastase, ein Adenom, oder eine sonstige maligne Erkrankung.

So haben Schilddrüsenkarzinome zwar generell bei früher Behandlung eine gute 5-Jahre-Überlebensrate von 60-90%. Bei anaplastischen Schilddrüsenkarzinomen liegt die 5-Jahre-Überlebensrate allerdings bei nur 10%, was zeigt, dass auch eine Schilddrüsenvergrößerung tödlich enden kann. Daher ist eine zeitnahe Abklärung durch den Hausarzt notwendig. Auf Grund des langsamen Wachstums warten Patienten allerdings meist bis zum letzten Moment ab, da sie sonst auch keine Beschwerden verspüren.

Prinzipiell gibt es 3 Behandlungsansätze, um eine Schilddrüsenvergrößerung zu behandeln. Sie haben alle unterschiedliche Indikationen, sowie Vor- und Nachteile. Erstens, die medikamentöse Behandlung durch Substitution der fehlenden Schilddrüsenhormone, und Gabe von Jodid. Um das vorherige Beispiel aufzugreifen, wenn 100 Zellen genügend Jod zur Verfügung haben, um ausreichend Schilddrüsenhormone für den Körper zu produzieren, so kann man auf die restlichen 100 Drüsenzellen verzichten, sie werden überflüssig, und können abgebaut werden. So verkleinert sich die Schilddrüse wieder. Die Substitution der Schilddrüsenhormone hat zusätzlich zur Folge, dass die Schilddrüse über den thyreotropen Regelkreislauf nicht noch weiter mit TSH befeuert wirdTSH regt schließlich das Schilddrüsengewebe zum Wachstum und zur Produktion an. Die medikamentöse Behandlungsform kann allerdings nur erfolgen, wenn nicht gleichzeitig eine Schilddrüsenüberfunktion vorliegt. Schließlich würde man dann bei Jod-Gabe zusätzlich Öl ins Feuer gießen, und der Schilddrüse weiteres „Brennmaterial“ liefern, um nochmal mehr Hormone zu produzieren.

Auch jegliche (unkontrollierbare) Autonomien oder Karzinome in der Schilddrüse dürfen nicht mit Jod versorgt werden, da sie sich nicht steuern lassen, und weiter wachsen können. Die medikamentöse Behandlung erfolgt über einen Zeitraum von ein- bis eineinhalb Jahren, eine lebenslange Nachversorgung und –Kontrolle ist jedoch notwendig. Der zweite Behandlungsansatz ist die OP. Sie ist indiziert bei Verdacht auf Schilddrüsenkarzinom, oder bei Einengung der Luft- und Speiseröhre.

Auch kalte Knoten und Malignomverdacht können für eine OP sprechen. Die Gefahr bei einer OP besteht darin, dass das Schilddrüsengewebe bereits in angrenzende Strukturen eingewachsen ist, und diese infiltriert hat. Konkret können der Nervus laryngeus recurrens, und die hirnversorgenden Gefäße betroffen sein. Eine sogenannte Rekurrensparese, wie sie nach Schädigung des Stimmbandnervens auftritt, hat zur Folge, dass eine, oder beide Stimmlippen nicht mehr bewegt werden können.
Die Komplikationsrate beträgt bei Schilddrüsen-OPs zwar nur 1%, allerdings ist nach einer Stimmbandlähmung Stimmtraining notwendig, damit die Stimme nicht dauerhaft heiser klingt.

Die hirnversorgenden Gefäße können ebenfalls verletzt werden, wobei die Gefahr weniger von einer Unterversorgung des Hirnes Blut ausgeht, als von einer zu starken Blutung am Hals.
Das Hirn wird über insgesamt 3 große Gefäße mit Blut versorgt, eine Verletzung eines der drei Gefäße, kann also locker ausgeglichen werden. Allerdings sind Blutungen im Halsbereich nicht ohne, da hier viel Blut verloren werden kann, und der Druck in den Gefäßen auf Grund der Nähe zum Herz relativ stark ist. Allerdings gehören Struma-OPs zu den Standardoperationen, und verlaufen in der Regel ohne Komplikationen. Bei kleinen OPs bleibt nur eine kleine, strichdünne Narbe unter dem Kehlkopf. Diese wird zuerst noch leicht rötlich wirken, im Verlauf aber kaum noch sichtbar sein. Nach der OP muss in der Regel eine lebenslange Behandlung mit L-Thyroxin und Jod erfolgen, da der Körper das fehlende Schilddrüsengewebe zunächst einmal wieder nachproduzieren möchte. Um dies zu unterbinden, werden oben genannte Medikamente eingesetzt. Ein Absetzen würde ein erneutes Wachstum zur Folge haben.

Als dritte, und letzte Behandlungsmöglichkeit ist die Radiojodtherapie zu nennen. Dabei wird –einfach gesagt – radioaktives Jod in die Schilddrüse eingebracht, welches diese dann von innen heraus zerstört. Der besondere Trick bei dieser Methode ist, dass das radioaktive Jod nur von der Schilddrüse aufgenommen wird, und von keiner anderen Körperzelle sonst. So ist eine absolut zielgenaue Behandlung gegeben. Da nur Schilddrüsenzellen Jod aufnehmen, setzen sich die radioaktiven Jod-Isotope in den Zellen der Schilddrüse ab. Dort strahlen sie hochenergetisch auf das umliegende Gewebe. Da nach der (oralen) Applikation der Patient selbst radioaktiv strahlt, und somit andere Menschen schädigen könnte, ist eine mindestens 48-stündige Unterbringung in einem strahlensicheren Gebäude gesetzlich vorgeschrieben. Eine Radiojodtherapie kann auch zur Vorbehandlung vor einer OP notwendig sein.

Schwangerschaft

Während der Schwangerschaft kann es zu einer leichten Schilddrüsenvergrößerung kommen, da in dieser Zeit vermehrt Schilddrüsenhormone produziert werden müssen. Die erhöhte Produktionsrate schlägt sich in einer Proliferation des Schilddrüsengewebes nieder. Die Schwangere benötigt in dieser Zeit auch mehr Jod als sonst, statt 200 Mikrogramm pro Tag, circa 230 Mikrogramm. Schließlich muss das Kind mitversorgt werden. In der Schwangerschaft ist eine Vergrößerung also absolut normal, nur wenn die Vergrößerung auffällig groß wird, und beim Schlucken und Atmen stört, ist eine genauere Abklärung indiziert. Bei Kindern können ein Jodmangel, und die damit assoziierte Schilddrüsenvergrößerung schwerwiegende Folgen haben: Schon eine unzureichende Zufuhr von Jod während der Schwangerschaft kann eine Schilddrüsenunterfunktion bei Kindern auslösen.

Eine Unterversorgung während- und kurz nach der Geburt – führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zur geistigen Retardierung, da die Schilddrüsenhormone T3 und T4 zur Ausbildung des Gehirns notwendig sind. Eine Verzögerung der Jodsubstitution nach und während der Schwangerschaft hat bei Kindern eine nachweisliche Minderung des Intelligenzquotienten im zweistelligen Bereich zur Folge. Jodmangel während der Schwangerschaft und bei Kindern gilt als die häufigste vermeidbare Retardierungsursache weltweit. Daher ist besonders während der Schwangerschaft eine genaue Kontrolle der Schilddrüsenwerte wichtig.

Fazit

Eine Schilddrüsenvergrößerung muss nicht unbedingt eine lebensbedrohliche Komplikation darstellen, so lange sie schnell genug abgeklärt, und gegebenenfalls behandelt wird. Die Therapie ist heutzutage sehr einfach, und komplikationsarm geworden. Umso wichtiger ist es, frühzeitig den Weg zum Arzt zu suchen, wenn eine Vergrößerung festgestellt wird. Schwerwiegende Spätfolgen, wie die Retardierung bei Kindern zeigen, wieso in diesem Fall nicht auf alternative Konzepte, wie beispielsweise die Homöopathie zurückgegriffen werden sollte, sondern eine wissenschaftlich fundierte Behandlung erfolgen sollte. Zur Prophylaxe einer Schilddrüsenvergrößerung empfehlen sich jodreiche Nahrungsmittel, wie Fisch, Milchprodukte, und jodiertes Speisesalz.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 25.11.2015 - Letzte Änderung: 19.07.2023