ISG-Blockierung

Synonyme im weiteren Sinn

Hypomobilität des Iliosacralgelenkes, Kreuz-Darmbeinblockierung, ISG-Blockade, ISG-BlockierungSIG-Blockade, SIG-Blockierung, Iliosacralgelenksblockierung, Iliosacralgelenksblockade, Sacroiliacalgelenksblockierung, Sacroiliakalgelenksblockade

Definition

Unter einer Blockierung versteht man eine reversible Abweichung von der normalen Gelenkfunktion, bei der das Gelenkspiel (joint-play) innerhalb des normalen, physiologischen Bewegungsraumes eines Gelenkes eingeschränkt oder aufgehoben ist. Ursachen für eine Gelenkblockierung sind funktionelle oder strukturelle Veränderungen an den Gelenkflächen oder im Weichteilmantel. Es können dabei eine oder mehrere Bewegungsrichtungen eines Gelenkes bzw. Bewegungssegmentes betroffen sein. Charakteristisch für die Blockierung ist, dass sie immer eine freie Bewegungsrichtung hat.

Anatomie

Das ISG (medizinisch: Articulatio sacroiliaca) ist die gelenkige Verbindung zwischen dem Kreuzbein (Os sacrum) und dem Darmbein (Os Ilium).Die Gelenkflächen (Facies auricularis) zwischen diesen beiden Knochen haben bumerang-bis c-förmige Gestalt und befinden sich zwischen dem 1. und 3. Sacralwirbel. Sie bestehen aus einem oberen und unteren Pol, deren Umschlagstelle sich etwa in Höhe des 2. Sakralwirbels befindet. Zwischen oberen und unteren Pol befindet sich eine Knickstelle, deren Winkel 100-120° beträgt.

Für die Stabilität des ISG sind die Oberflächenbeshaffenheit der Gelenkflächen, die Lage des Kreuzbeins im Beckenring und eine Reihe von Bändern verantwortlich. Aufgrund dieser stabilisierenden Faktoren sind im ISG nur geringe Bewegungen möglich. Eine aktive Bewegung im ISG ist nicht möglich. Durch Fehlstellungen des Darm oder des Kreuzbeins, werden die betroffenen Bänder vermehrt belastet. Die Folge ist eine Spannungszunahme der Bänder, die zu einer Bewegungsstörung des ISG und somit zu einer Blockierung führen kann.

Innerviert wird das ISG hauptsächlich aus der Wurzel S1.

Abbildung ISG - Blockade

ISG - Blockade -Leitsymptome

  1. Kreuzbein-Darmbein-Gelenk
    (Iliosakralgelenk,
    abgekürzt ISG)
    Articulatio sacroiliaca
  2. Vord. Kreuzbein-Darmbein-Band
    Lig. sacroiliacum anterius
  3. Darmbein - Os ilium
  4. Kreuzbein - Os sacrum
  5. Lenden-Kreuzbein-Knick -
    Promontorium
  6. Fünfter Lendenwirbel -
    Vertebra lumbalis V
  7. Erster Lendenwirbel -
    Vertebra lumbalis I
  8. Thorakolumbale Übergang
  9. Zwölfter Brustwirbel -
    Vertebra thoracica XII
  10. Hüftgelenk - Articulatio coxae

    Schmerzausstrahlungsbereiche:
    A - Lendenwirbelsäule (LWS)
    B - Gesäßregion - Regio glutaea
    C - Leistengegend - Regio inguinalis
    D - Bein Vorder- sowie Rückseite
    E - Knie

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Allgemeines

  • Das Iliosacralgelenk ist eines der therapieintensivsten, von Schmerzen befallenen Körperbereiche
  • 60-80% der Bevölkerung leidet einmal im Leben an einer ISG-Blockierung und somit unter Rückenschmerzen.
  • Eine Blockierung des ISG kann in jedem Alter vorkommen und betrifft Männer und Frauen gleichermaßen.
  • Das Kreuz-Darmbeingelenk ist der Umlenkpunkt des einachsigen Bewegungsorganes Wirbelsäule auf das zweiachsige Bewegungsorgan Beine. Diese Übergagszonen sind besonders anfällig für Funktionsstörungen.
  • Weitere Übergangszonen in denen häufig Blockierungen auftreten sind die Kopfgelenke, der cervicothorakale Übergang (Übergang von der Hals-zur Brustwirbelsäule) und der thorakolumbale Übergang (Übergang von der Brust-zur Lendenwirbelsäule).

Ursachen

Wie anfangs schon erwähnt hat das ISG wie jedes andere Gelenk ein physiologisches Gelenkspiel (joint-play). Darunter versteht man die Summe der passiven Bewegungsmöglichkeiten die ein Gelenk durchführen kann und ist somit Grundveraussetzung für eine normale, gesunde Gelenkfunktion. Ist dieses Gelenksspiel vermindert, so liegt eine Blockierung vor.

Bezogen auf das Iliosacralgelenk ist die Ursache für eine Blockierung meist ein Verhebetrauma oder klassischerweise der Tritt ins Leere, beispielsweise beim Übersehen einer Treppenstufe.

Häufig tritt eine Blockierung des ISG auch als Begleitphänomen bei anderen orthopädischen Erkrankungen auf, wie z.B. nach Hüftoperationen oder im Rahmen von Wirbelsäulenerkrankungen.

Beschwerden / Symptome / Schmerzen am ISG

Leitsymptom ist der Rückenschmerz, der häufig als tieflumbal beschrieben wird und meist einseitig auftritt. Eine Schmerzverstärkung nach längeren Sitzen und eine Verbesserung der Beschwerden durch Bewegung und Wärmeanwendungen sind häufig.

Oftmals kommt es zu einer Schmerzausstrahlung in den Gesäßbereich, in die Leiste und in die Lendenwirbelsäule. Auch eine Kombination mit Missempfindungen wie Kribbeln und Ameisenlaufen wird beobachtet. Auch Knieschmerzen sollten den Arzt an die differentialdiagnostische Möglichkeit einer ISG-Blockierung denken lassen.

Die Symptome der ISG-Blockierung gehören in die Gruppe der pseudoradikulären Schmerzsyndrome.

Grundsätzlich lassen sich radikuläre von den pseudoradikulären Schmerzsyndromen unterscheiden.

Unter pseudoradikulären Schmerzen versteht man Schmerzen die nicht auf eine Wurzelreizung zurückzuführen sind. Klassischerweise berichten die Patienten über Rückenschmerzen, die in das Bein ausstrahlen, die Vorder-sowie die Rückseite des Beines betreffen können, aber meist im Kniebereich enden. Häufig wird die Kniekehle von den Schmerzen ausgespart. Auch Sensibilitätsstörungen in Form von Kribbeln und Ameisenlaufen können auftreten. Da der Spinalnerv bei den pseudoradikulären Schmerzsyndromen nicht betroffen ist lassen sich die Sensibilitätsstörungen keinen Dermatomen (das von einem Rückenmarksnerv versorgte Hautgebiet) zuordnen.

Beim radikulären Schmerz wie er bei einem Bandscheibenvorfall auftritt kommt es zu einer Reizung der Nervenwurzel. Dementsprechend sind die Schmerzen und die Sensibilitätsstörungen, die in die Extremität ausstrahlen Dermatombezogen.

Das zweite Leitsymptom neben dem Rückenschmerz ist der Leistenschmerz.

Aus funktioneller Sicht sollte der Arzt beim Auftreten von Leistenschmerzen die folgenden Körperregionen untersuchen:

  1. Das ISG
  2. Das Hüftgelenk
  3. Die Lendenwirbelsäule
  4. Der thorakolumbale Übergang (Übung der Brust- zur Lendenwirbelsäule)

Das ISG kann durch verschiedene Ursachen Schmerzen verursachen.
Lesen Sie mehr zum Thema: ISG Schmerzen

Vom Symptom zur Diagnose

Voraussetzung für die Diagnose einer ISG-Blockierung ist zunächst einmal eine gute Anamnese, die einem wichtige Hinweise auf die richtige Körperregion und Funktionsstörung gibt.

Nach der Inspektion bei der Veränderungen im Haltungsmuster erkannt und dokumentiert werden folgt die körperliche Untersuchung.

Es gibt eine Reihe von Tests die den Arzt eine Blockierung erkennen lassen.

Es soll ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass hier nicht alle ISG-Tests beschrieben werden, sondern nur an Beispielen gezeigt werden wie man relativ schnell vom Symptom zur Diagnose ISG-Blockierung kommen kann.

  1. Orientierende Tests
  • Hip-drop-Test (Überprüfung der Beckensenkung)
    Der Arzt steht hinter dem Patienten und fordert den Patienten auf abwechselnd die Spielbeinseite zu senken und achtet dabei auf die Symmetrie der Bewegungen hinsichtlich der Beckensenkung und der Beckenrotation.
    Beurteilung:

    Ist der Hip-drop-Test physiologisch (seitengleiches Absinken der Beckenhälften) liegt der Verdacht nahe, dass die Störung nicht in der Funktionskette LWS-Hüfte-ISG liegt und man kann direkt mit der Untersuchung in der nächst höheren Etage beginnen. Diese ist der Thorakolumbale Übergang (TLÜ).
    Ist der Hip-drop-Test vermindert, kann eine Störung vorliegen im ISG, in der LWS, oder im Hüftgelenk. Auch ein verkürzter Tractus iliotibialis oder M. piriformis kann zu einem verminderten Hip-drop-Test führen. Ist der Test vermindert stehen dem Arzt bzw. Therapeuten weitere Tests zu Verfügung um eine Störung in der Funktionskette LWS-ISG-Hüfte zu diagnostizieren.

Bezogen auf das ISG ist der nächste empfehlenswerte diagnostische Schritt der

  • Patrick-Kubis-Test
    Dabei liegt der Patient auf dem Rücken und setzt seine Ferse neben sein gegenüberliegendes Kniegelenk und führt eine Testbewegung durch, in dem man das angewinkelte Bein in Abduktion (Abspreizen) und Außenrotation führt. Ziel dieses Tests ist es, dass Bewegungsausmass und das Endgefühl des ISG zu testen. Voraussetzung für diesen Test ist, dass Hüftgelenke, Innenrotatoren, Extensoren und Adduktoren ungestört sind.

Hat der Arzt durch diese Tests erste Hinweise für eine Funktionsstörung des ISG gesammelt, gibt es eine Reihe an Möglichkeiten eine Blockierung im ISG zu diagnostizieren.

2. Gelenkspieltests (Joint-play-Tests)

  • Vorlauf-Test
    Bei diesem Test wird das Gelenkspiel beider Iliosakralgelenke in Bewegung getestet.
    Dabei steht der Arzt hinter dem Patienten und ertastet von unten die Spina iliaca posterior superior (SIPS/hinterer Darmbeinstachel). Dann bittet er den Patienten sich vom Kopf her einzurollen und eine maximale Rumpfbeuge durchzuführen.
    Dabei beobachtet man das Vorlaufverhalten und die Endstellung der SIPS. Dabei wird die Bewegung des Kreuzbeins gegenüber des Darmbeins im Kreuzdarmbeingelenk getestet. Bei einem Normalbefund stehen die beiden Darmbeinstachel bei maximaler Rumpfbeuge, genau wie in der Ausgangsstellung in gleicher Höhe. Das bedeutet eine freie Beweglichkeit in beiden Iliosakralgelenken. Dagegen spricht ein einseitiger Hochstand des Darmbeinstachels am Ende der maximalen Rumpfbeuge für eine Blockierung des entsprechenden ISG.

Meist wird die Vorlauf-positive Seite behandelt.

Praxistipp

Da der Vorlauf auch rein muskulär bedingt sein kann, empfiehlt es sich bei einem positiven Befund die maximale Rumpfbeuge für 20 Sekunden zu halten, da sich bei einer muskulären Ursache der Vorlauf durch Muskelentspannung ausgleichen kann.

ISG-Federungstest-cum-femore

Dabei liegt der Patient in Rückenlage und der Untersucher tastet mit seinem Palpationsfinger den Iliosakralgelenksspalt. Dann stellt der Untersucher beim Patienten die Hüftbeugung so ein, dass am Palpationsfinger die ISG-Bewegung zu spüren ist.
Unter einem Schub entlang der Oberschenkellängsachse lässt sich dass Endgefühl des ISG ertasten und beurteilen. Dieser Test sollte immer im Seitenvergleich durchgeführt werden.
Auf der Seite auf der das Gelenkspiel eingeschränkt ist, liegt eine Blockierung vor.

Hebe-und Schütteltest

Dieser Test wird in Bauchlage durchgeführt. Der Untersucher steht dabei in Schrittstellung und umfasst mit einer Hand die Spina iliaca anterior superior (vorderer Darmbeinstachel) von vorne, während er mit der anderen Hand die ISG-Beweglichkeit palpiert.
Dann schüttelt der Untersucher mit der einen Hand das Ilium des Patienten und tastet dabei die ISG-Beweglichkeit (Schütteltest).
Eine andere Möglichkeit ist es das Ilium langsam nach hinten, also zum Untersucher zu ziehen. Dabei ertastet man das Bewegungsausmaß und das Endgefühl des ISG (Hebetest).
Auch dieser Test sollte im Seitenvergleich durchgefhrt werden.
Bei allen Tests ist die blockierte Seite, die Seite des verminderten Gelenkspiels und wird behandelt.

Differentialdiagnose / alternative Erkrankungen

Aus funktioneller Sicht unterscheidet man zwischen einer Beckenverwringung und einer ISG-Blockierung.

Die Beckenverwringung ist eigentlich ein normaler Prozess beim Gehen. Kommt es aber zu funktionellen Störungen, die ihre Ursache nicht im ISG haben, sondern z.B. in der Wirbelsäule, oder aber auch in den Kopfgelenken kann es als Kompensationsmechanismus ebenfalls zu einer Beckenverwringung kommen.

Die Beckenverwringung ist charakterisiert durch:

  1. eine Asymmetrie der Beckenstellung, der Stellung der Schambeinäste der eine Indifferenz der Darmbeinstacheln auf einer Seite.
    Die ISG-Blockierung hat diese Asymmetrien in der Regel nicht.
  2. ein positives Vorlaufphänomen auf der entsprechenden Seite, das nach 20-30 Sekunden bei maximaler Rumpfbeuge wieder verschwindet.
    Bei einer Blockierung bleibt der Vorlauf konstant
  3. normales Gelenkspiel (Joint-Play)

Um die Beckenverwringung zu therapieren, muss die Ursache gefunden und behandelt werden.

Dabei muss differenziert werden, ob die Ursache im Gelenk oder in der Muskulatur liegt.

Die Beckenverwringung und ISG-Blockierung können auch in Kombination vorliegen.

Therapie

Es gibt eine Vielzahl von Mobilisations –und Manipulationsgriffen um eine ISG-Blockierung zu behandeln.

Dabei muss immer untersucht werden, ob die Ursache der Beschwerden im Gelenk oder im Rahmen einer Beckenverwringung in anderen Bereichen liegt, z.B. in der Muskulatur.

Auch Infiltrationen des Kreuzdarmbeingelenk mit einem Lokalanästhetikum in Kombination mit Cortison kann zur Verbesserung der Symptomatik beitragen.

Um das Schmerzlevel herunterzufahren, sollte unterstützend für ein paar Tage ein NSAR wie Ibuprofen oder Diclofenac in Kombination mit einem Muskelrelaxans (Z.B. Sirdalud®) gegeben werden.

Nach der Behandlung wird dem Patienten empfohlen sich zu bewegen und lokal wärmende Massnahmen (warme Bäder, Wärmflaschen, Kirschkernkissen) durchzuführen.

Allgemein muss man noch hinzufügen, dass Störungen im Bereich der Iliosakralgelenke meist sekundär bedingt sind. Aus diesem Grund müssen Ursachen im Bereich der Wirbelsäule und auch der Hüften ausgeschlossen werden.

Wird die Symptomatik nach 2-3 Behandlungen nicht besser, müssen auch entzündliche, rheumatologische und Tumorerkrankungen ausgeschlossen werden.

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Autor: Gerret Hochholz Veröffentlicht: 19.04.2009 - Letzte Änderung: 30.03.2024